Biographie

Moller, Martin

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Erbauungsschriftsteller, Kirchenlieddichter
* 9. November 1547 in Kropstädt bei Wittenberg
† 2. März 1606 in Görlitz

 

Das 400. Todesjahr von Martin Moller haben die evangelischen Gemeinden im Sprengel Görlitz wie der „Verein für Schlesische Kirchengeschichte e.V.“ zum Anlaß genommen, um auf das fast vergessene Thema „Frömmigkeit“ aufmerksam zu machen. Damit haben sie das zentrale Anliegen Mollers aufgegriffen und für unsere Zeit fruchtbar zu machen versucht. Moller wollte, daß die Menschen das von der Reformation wieder entdeckte Evangelium nicht nur hören und zur Kenntnis nehmen, sondern in sich aufnehmen, verinnerlichen, sich persönlich aneignen und danach leben. Diesem Ziel dienten seine Predigten, Schriften, Auslegungen. Die Aktualität dieses Zieles unterstreichend konnte die Moller-Forscherin Elke Axmacher ihren Hörern in Görlitz zeitgemäß erläutern: „Frömmigkeit ist: Annahme des Glaubens – Einüben des Glaubens – Ausüben des Glaubens“.

Martin Moller stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Am 9. November 1547 in Kropstädt, damals Leisnitz, bei Wittenberg als Sohn eines Maurers geboren, konnte er erst mit 11 Jahren in die Kropstädter Schule gehen. Ab 1560 legte er sechs Jahre lang den täglichen Schulweg zur Stadtschule in Wittenberg zu Fuß zurück. Daneben gab er Nachhilfestunden. Als sein Lehrer Martin Frentzel an das 1565 gegründete Gymnasium Augustum berufen wurde, ging er für die letzten beiden Schuljahre, 1566 bis 1568, mit nach Görlitz. Durch dessen Gründungsrektor, Petrus Vincentius (1520-1581), und durch dessen ersten Lehrer, Laurentius Ludovicus (1536-1594), beide Schüler von Valentin Trotzendorf, erhielt Martin Moller eine gediegene humanistische Ausbildung im Sinn der Wittenberger Melanchthon-Schule. Mit 21 Jahren, 1568, übernahm er in Löwenberg/Niederschlesien die Stelle des Kantors (Lehrers) mit Predigtauftrag. Daraus ergab sich 1572 seine Berufung zum Pfarrer in das benachbarte Kesselsdorf. Obwohl er nicht studiert und kein theologisches Examen abgelegt hatte, erhielt er in Wittenberg die Ordination. Noch im selben Jahr holten ihn die Löwenberger auf eine ihrer Pfarrstellen zurück. Drei Jahre später, 1575, wurde Moller Pfarrer in Sprottau. Hier verbrachte er die längste Zeit seines Lebens. In Sprottau wuchsen die sieben Töchter aus der ersten, 1570 mit Margarethe Krusian geschlossenen Ehe heran. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1584 in zweiter Ehe die Witwe Anna Klose, geb. Elgerin, mitder er zwei Söhne und drei Töchter hatte. Die Söhne traten später in die Fußstapfen des Vaters: Martin war von 1633 bis 1649 Rektor des Görlitzer Augustum, Ignatius Kantor in Sprottau.

Nach 25 Jahren Sprottau und der Ablehnung mehrerer Berufungen nahm Moller im Jahr 1600 den Ruf des Magistrates der Stadt Görlitz auf die Stelle des Oberpfarrers (Pastor primarius) an der Peterskirche an. Fünf Jahre hat er dieses Amt noch ausüben können. Dann erblindete er am Star. Trotzdem hat er die Predigten weiter gehalten. Am 2. März 1606 ist er in Görlitz gestorben, am 5. März 1606 auf dem Nikolaifriedhof beerdigt worden.

Berühmt wurde Moller, weit über Schlesien hinaus, durch seine Erbauungsbücher. Seine vierbändige Auslegung der alten Sonntagsevangelien, 1601 in Görlitz unter dem Titel „Praxis Evangeliorum“ erschienen, erreichte 44 Nachdrucke, darunter einen in Amsterdam. Sein Buch „Manuale de praeparatione ad mortem“ von 1593, eine „heilsame und nützliche Betrachtung, wie ein Mensch christlich leben und seliglich sterben soll“, sogar 46 ältere Ausgaben, dazu eine Übersetzung ins Französische. In die gleiche Richtung weisen die Betrachtungen über das Leiden und Sterben Jesu Christ „Soliloquia de passione Jesu Christi“ von 1587. In der Sprache unpolemisch-irenisch, seelsorgerlich-fromm, aber kraftvoll und schöpferisch geht es dem Autodidakten Moller nicht um neue, sondern um die Anwendung der durch die Reformation herausgestellten theologischen Erkenntnisse im Leben und im Sterben. Neu ist, daß er dabei auch auf die mittelalterlichen Kirchenväter zurückgreift und sie für die protestantische Frömmigkeit nutzbar zu machen sucht. Dabei stützt er sich auf drei spätmittelalterliche kompilatorische Werke, die damals dem Kirchenvater Augustin zugeschrieben wurden. Der den „Meditationes sanctorum Patrum“, 2 Teile, Görlitz 1584und 1591, beigegebene Untertitel zeigt, was er seinen Lesern bietet: „Schöne andächtige Gebete, tröstliche Sprüche, gottselige Gedanken, treue Bußvermahnungen, herzliche Danksagungen und allerlei nützliche Übungen des Glaubens aus den heiligen Altvätern Augustinus, Bernhard, Tauler. Martin Moller. Diener des heiligen Evangeliums zu Sprottau. In dieser letzten mühseligen Zeit ganz nützlich und tröstlich zu gebrauchen“.

Mit dem Rückgriff auf die altkirchlichen und mittelalterlichen Väter steht Moller am Beginn einer Bewegung, die in der Erbauungsliteratur Johann Arndts und Johann Gerhards weitergeführt wird, aber auch für die Kirchenliederdichtung und für die Musikgeschichte bis hin zu Bachs Kantatenwerk bedeutsam wurde. Zwei von Moller selbst gedichtete Kirchenlieder stehen heute noch im Evangelischen Gesangbuch.

Trotz seiner irenischen Absichten und Einstellung, blieb Moller von Kritik nicht verschont. Der Dekan der Wittenberger Theologischen Fakultät, Salomo Geßner, warf Moller Kryptocalvinismus vor. Dahinter steckte insofern ein Korn Wahrheit, als Moller, wie die meisten Theologen in der Oberlausitz und in Niederschlesien, Philippisten waren, also Anhänger von Philipp Melanchthon, dem die Wittenberger nach Luthers Tod eine Nähe zum Calvinismus nachsagten. Moller war ein bewußter Anhänger Melanchthons und wollte die Entwicklung des Luthertums in einen sich zunehmend verengenden orthodoxen Konfessionalismus nicht mitmachen. Er hat sich, so gut er konnte, gegen Geßner verteidigt. In Görlitz wurde er vom Rat und vom Rektor Großer unterstützt, so daß ihm die Angriffe aus Wittenberg letztlich nicht geschadet haben. Sigmund Justus Ehrhardt dürfte Recht haben, wenn er 1783 in seiner „Presbyteriologie“ über Moller schreibt: „Man hörte ihn ungemein gern predigen und erzeigte ihm viel Liebe und Hochachtung. Er hat aber auswärts viele Anfechtungen und Widersprüche, sonderlich seiner Praxis Evangeliorum wegen, erdulden müssen“.

In der Literatur ist das Verhältnis Mollers zu seinem Gemeindeglied Jakob Böhme (1575-1624) wiederholt Gegenstand der Erörterung gewesen. Interessant ist diese Frage auch deshalb, weil es zwischen Böhme und dem Nachfolger Mollers, Gregorius Richter, einen weit über Görlitz hinaus beachteten Prinzipienstreit gegeben hat, bei dem die eingängigeren Argumente und die größeren Sympathien beim Herausforderer, demSchuhmachermeister vom Neißeufer, lagen und nicht bei dem unbeholfenen oberpfarrherrlich-orthodoxen Verteidiger der Amtskirche, Richter. Das Verhältnis Moller-Böhme scheint demgegenüber friedlich-christlich gewesen zu sein. Direkte Äußerungen beider übereinander gibt es nicht. Aus der Umgebung Böhmes, der im übrigen 28 Jahre jünger als sein Pastor war, ist aber bekannt, daß man dort Moller als „gesegnetes Werkzeug“ angesehen hat, indem er „unsers theuren Mannes heiliges Feur nach seiner Gabe treulich mit aufblasen“ half.

Diese Charakterisierung paßt gut zu dem, was die Görlitzer in ihrem Oberpfarrer gesehen und dann auch unter sein Bild in der Sakristei der Peterskirche geschrieben haben. Es zeigt Martin Moller als alten Mann mit erblindeten Augen. Die Unterschrift nennt ihn einen „Theologus pacificus practicus“, einen friedliebenden praktischen Theologen.

Werke:Bibliographie der Schriften Mollers bei Axmacher, S. 343 f.

Lit.:Elke Axmacher, Praxis Evangeliorum. Theologie und Frömmigkeitbei Martin Moller (1547-1606). Göttingen 1989. – Hans-Wilhelm Pietz (Hrsg.), Materialheft für die Gemeindearbeit. Martin Moller (1547-1606), Görlitz 2005. – Arno Büchner, Das Kirchenlied in Schlesien und der Oberlausitz (Das Ev. Schlesien VI/1), Düsseldorf 1971, S. 46-49. – Theodor Mahlmann, Artikel M. Moller, in: BBKL 6, 1993, 45-48. – Lothar Hoffmann-Erbrecht (Hrsg.), Schlesisches Musiklexikon, Augsburg 2001, Artikel M. Moller, S. 467. – Elke Axmacher, Artikel M. Moller, in: RGG, 4. Aufl., Bd. 5 (2002), Sp. 1402.

Bild:Ernst-Heinz Lemper, Jakob Böhme. Leben und Werk, Berlin 1976, Abb. Nr. 29.

Christian-Erdmann Schott