Biographie

Morwitz, Ernst

Herkunft: Danzig
Beruf: Jurist, Germanist
* 13. September 1887 in Danzig
† 20. September 1971 in Muralto/Schweiz

Als der NS-Kultusminister Rust als Kurator der Preußischen Akademie der Künste im Frühjahr 1933 Stefan George für einen repräsentativen Posten in der Sektion für Dichtkunst zu gewinnen versuchte, erhielt er eine selbstbewußt-stolze Absage. Sie war von einem Bevollmächtigten des Dichters abgefaßt, von einem seiner engsten Vertrauten, von dem angesehenen, seiner jüdischen Herkunft wegen bald zwangspensionierten Berliner Kammergerichtsrat und Senatspräsidenten Ernst Morwitz.

Der am 13. September 1887 in Danzig geborene Kaufmannssohn kam im Zuge der Übersiedlung der Familie in jungen Jahren in die einstige Reichshauptstadt. Dort legte er Ostern 1906 das Abitur ab. Nach dem Jura-Studium in Freiburg, Heidelberg und Berlin bestand er 1909 das Referendarexamen, promovierte im Jahr darauf in Heidelberg zum Dr. jur.

Liebe zur Dichtung, zur Kunst hatte Morwitz, der ursprünglich Germanistik studieren wollte, schon als Primaner den Weg zu Stefan George gewiesen. Seinem ersten an diesen gerichteten Brief (August 1905) legte er ein eigenes Gedicht bei; George antwortete mit dem Vierzeiler „Einem Dichter“, der sich unter den 70 „Tafeln“ seines Gedichtbandes „Der Siebente Ring“ (1907) findet. Seit der 8. Folge der „Blätter für die Kunst“ (1908/09) gehörte Ernst Morwitz zu den Beiträgern dieser von George begründeten exklusiven Zeitschrift seines Kreises; in ihrem letzten Band (l l ./12. Folge, 1919) ist der Jünger aus Danzig mit „Der Abend in Meudon“ vertreten, einem in Verse gefaßten Zwiegespräch zwischen Rodin und George, Erinnerung an den Besuch bei dem französischen Bildhauer während einer als Begleiter Georges unternommenen Paris-Reise im März 1908. Von diesem wiederum wurde in dem Morwitz gewidmeten Gedicht „Burg Falkenstein“ ein Gespräch festgehalten, las er mit dem 19 Jahre Jüngeren während einer Wanderung von Königstein zur Burgruine Falkenstein führte bei einem gemeinsamen Taunus-Aufenthalt im Sommer 1922. Dieses Gedicht steht in Georges letztem Lyrikband „Das Neue Reich“ (1928), ebenso die Frühjahr 1913 in Italien entstandene Ode „An die Kinder des Meeres“ mit ihrem im Jahr darauf von Morwitz gedichteten, als Echo gedachten „Nachklang“; dieser „endet mit einer Voraussage des ersten Weltkrieges …“ (so Morwitz Jahrzehnte später in seinem George-Kommentar).

Schon früher waren Verse von Morwitz, der 1911 ein Bändchen Gedichte veröffentlicht hatte, dem Werk Georges einverleibt worden: als dieser von ihm ein Gedicht für den Schlußteil von „Der Stern des Bundes“ (1913) wünschte. (Es ist im dritten Buch des Bandes das 28. Gedicht.) Von seinen zehn Versen hat George die ersten sechs umgearbeitet. In den vier unverändert gebliebenen hat Morwitz, an den die ersten zehn Gedichte im zweiten Buch des Bandes gerichtet sind, versichert, „daß sein Leben dem Werk des Dichters gewidmet sein wird“ (George-Kommentar). Das war es denn auch, bis zu seinem Ende. Bis dahin vergingen nach Georges Tod (1933) noch fast 40 Jahre, die Morwitz, von dem verehrten Dichter in der zuvor erwähnten Ode als der ihm „Nächste Liebste“ bezeichnet, unermüdlich für die tatkräftige Erfüllung seines Versprechens genutzt hat.

Bereits 1934 erschien sein erstes, schon 1923 geplantes George-Interpretationsbuch:„Die Dichtung Stefan Georges“, noch in Deutschland, in Berlin (Neudruck Bad Godesberg 1948). Auch in der Emigration, die Morwitz schließlich auf sich nehmen mußte (1938), blieb er, als Professor an der University of North Carolina In Chapel Hill (USA), dem Werk Georges verpflichtet. 1943 kam eine Sammlung von 99 von ihm, zusammen mit Olga Marx, ins Englische übertragenen George-Gedichten heraus, im neugegründeten New Yorker Verlag des emigrierten deutschen Verlegers KurtWolff. Thomas Mann nannte sie„ein schönes Geschenk … des ausgewanderten deutschen Geistes an eine Welt, die von diesem sehr hohen Stück Deutschtums bisher wenig wußte …“ 1949 erschien dann, wieder als Gemeinschaftsleistung mit Olga Marx, in Chapel Hill die englische Übertragung von Georges gesamtem lyrischen Werk, 1960, als Krönung von Morwitz‘ lebenslangem Dienst an diesem Werk, sein umfangreicher „Kommentar zu dem Werk Stefan Georges“ (München und Düsseldorf), dem 1962 als Ergänzung der „Kommentar zu den Prosa-, Drama- und Jugend-Dichtungen Stefan Georges“ folgte.

Am 29.9.1971 ist Ernst Morwitz gestorben, in Muralto/Locarno (Schweiz), in derselben Klinik wie einst Stefan George. Im Nachbarstadtteil Minusio hatte er vor 38 Jahren in der Friedhofskapelle, zusammen mit 19 weiteren Anhängern des Dichters, für diesen die im Tessin übliche Totenwache gehalten. Eine postume Auswahl aus seinem eigenen lyrischen Werk legte 1974 die Amsterdamer Castrum Peregrini Presse vor.

Weitere Werke: Sappho, Dichtung, Griechisch und Deutsch (anonym hrsg.,Übersetzung von E. M.), Berlin 1936 (21938); Poems of Alcman, Sappho, Ibycus (Übers, aus dem Griech. zus. mit Olga Marx), New York 1945; Mitübers. von Gustav Schwabs „Sagen des klass. Altertums“, ebd. 1946; Die Erinnerungen von Dr. Felix Kersten (Übers, ins Engl.), Garden City, N.Y. 1947; Bernh.Victor Gf. Uxkull-Gyllenband, Gedichte (Hrsg.), Dü’dorf u. M’chen 1964; The Works of Stefan George. Rendered into English by Olga Marx and Ernst Morwitz (2., rev. u. erw.Ausg.), Chapel Hill 1974.

Lit.: Lothar Helbing, Stefan George und Ernst Morwitz. Die Dichtung und der Kommentar, Amsterdam 1967. – Des weiteren finden sich Nachrichten und Würdigungen über bzw. von E. M. in der gesamten George-Erinnerungs- und George-Sekundärliteratur.

Harald Kohtz