Biographie

Moses, Julius

Herkunft: Posener Land
Beruf: Arzt, Politiker
* 1. Juli 1868 in Posen
† 24. September 1942 in KZ Theresienstadt

Der Arzt und Politiker Julius Moses wurde am 2. Juli 1868 in der preußischen Provinzhauptstadt Posen (Poznań) als Sohn des jüdischen Schneiders Isidor Moses (1837-1892) und der Pauline Levin (1843-1907). Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Vier seiner acht Geschwister starben jung. Dies war ihm Anreiz, es zu etwas im Leben zu bringen, zumal er das Privileg hatte, das Gymnasium zu besuchen, für das damals Schulgeld entrichtet werden musste.

Im Jahr 1888 legte er in Posen das Abitur ab. Es gab damals zwei Gymnasien in Posen, die konfessionell getrennt waren: das katholischen Marien-Gymnasium und das evangelische Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, das auch Juden bevorzugten, da sie von den polnisch-katholischen Mitschülern am Marien-Gymnasium schlecht behandelt wurden.

Moses strebte ein Medizinstudium an und schrieb sich in der pommerschen Universität Greifswald ein. Seine Dissertation schrieb er über die Hämophilie und wurde 1892 zum Dr. med. promoviert.

Im darauffolgenden Jahr 1893 eröffnete er eine private Arztpraxis im Berliner Norden. Berlin war damals, wie viele Groß- und Industriestädte ein sozialer Brennpunkt. Hier herrschten noch schlimmere Verhältnisse als in seiner Posener Heimat. Diese Zustände bewegten ihn dazu, in die Politik zu gehen.

Im Jahr 1895 hielt er seine erste politische Rede bei der Märzfeier des Deutsch-Freisinnigen Arbeitervereines. Als Anhänger der Demokratie forderte er ein Denkmal für die Gefallenen von 1848. Es sollte aber noch bis zur Weimarer Republik dauern, bis er auch berufsmäßig in die Politik eintrat.

Im Jahr 1896 heiratete er. Mit seiner Frau Gertrud bekam er zwei Söhne und eine Tochter. Sohn Rudi (Rudolf) Moser (1898-1979), wie er sich später eingedeutscht nannte, emigrierte 1937 wegen seines Berufsverbotes als Röntgenarzt nach England und danach auf die Philippinen, wo er als Krebsspezialist eine Professur erhielt.

Seit 1902 betätigte sich Julius Moses publizistisch. Er wurde bis 1910 Herausgeber des wöchentlich in Berlin erscheinenden Generalanzeigers für die gesamten Interessen des Judentums. Die Zeitung hatte damals (1902) eine Auflagenstärke von 25.000 Exemplaren.

Im Jahr 1903 gab der aus der Ukraine (damals Russisches Zarenreich) stammende Leo (eigentlich Leib) Winz (1876-1952) die Satirezeitschrift Schlemihl (= Pechvogel oder Narr) heraus. Es erschien nur eine einzige Nummer. Sie gefiel Julius Moses und einem großen Teil des Mitarbeiterstamms unternahm er von 1904 bis 1906 einen zweiten Anlauf.

Im Jahr 1910 wurde Moses Herausgeber der Zeitung Hausarzt, dem Organ des Verbandes der Hausarztvereine in Berlin.

Seine nachhaltigste Anregung war ein Aufruf, eine Intellektuellenbefragung, auf den hin Thomas Mann (1875-1955) 1907 den Essay Die Lösung der Judenfrage. Eine Rundfrage schrieb. Der Titel klingt heute sehr missverständlich, richtete sich aber auf die Frage des Zionismus, mit dem Moses selber sympathisierte. Thomas Mann sah die Lösung in einer kulturellen Assimilation im Sinne einer Europäisierung des Judentums.

Im Jahr 1912 trat Moses in die Sozialdemokratische Partei ein. Er setzte sich vor allem für die Schwangerschaftsverhütung und Kenntnisse in der Sexualhygiene ein und rief zum „Gebärstreik“, was in konservativen Kreisen, auch des Militärs, strikt abgelehnt wurde.

Im Jahr 1913 nahm er an der Gründung des Sozialdemokratischen Ärzte-Vereins teil.

Seine große politische Zeit kam in der Weimarer Republik. 1920 wurde er in den Reichstag gewählt und gehörte zum Vorstand der USPD, seit 1922 dann im Parteivorstand der SPD. Bis 1932 gehörte er dem Reichstag an.

Auch publizistisch blieb Moses aktiv. Von 1924 bis 1933 war er Herausgeber der Zeitschrift Kassenarzt. Sein Engagement richtete sich weiterhin gegen den § 218 und andere soziale Probleme wie die noch immer herrschende Wohnungsnot. 1928 wandte er sich vor allem gegen bekanntgewordene Menschenversuche und beteiligte sich 1930 an der Ausarbeitung von Richtlinien für neuartige Heilmetholden.

Schon früh durchschaute er die Politik der Nationalsozialisten und warnte vor den Plänen Hitlers. Daher verwundert es nicht, dass er nach unter der NS-Regierung im Juni 1933 in „Schutzhaft“ genommen wurde. Erst im Dezember 1933 wurde er wieder entlassen.

Im Jahr 1935 erfolgte dann der Erlass der nationalsozialistischen Rassengesetze, woraufhin er sich seiner nichtjüdischen Lebensgefährtin trennte. Die Machthaber zwangen ihn zudem in ein sog. Judenhaus im Bezirk Tiergarten zu ziehen und 1938 entzogen sie ihm seine ärztliche Approbation.

Am 7. Juli 1942 wurde Moses inhaftiert und ins KZ Theresienstadt (heute Terezín, Tschechien) deportiert. Hier starb er am 24. September 1942 unter ungeklärten Umständen.

An ihn und andere ermordete Politiker erinnert ein sog. Stolperstein an seiner ehemaligen Wohnung in Berlin-Moabit, Bundesratufer 9, und eine der 96 Gedenktafeln für von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete am Deutschen Reichstag.

Lit.: Astrid Blome (Hrsg.), Die Lösung der Judenfrage: Eine Rundfrage von Julius Moses im Jahre 1907, Bremen 2010. – Holger Böning, Volksarzt und Prophet des Schreckens. Julius Moses. Ein jüdisches Leben in Deutschland, Bremen 2016. – Holger Feldmann-Marth, Moses, Julius, in: Neue Deutsche Biographie. Band 18, Berlin 1997, S. 205f. – Daniel Nadav, Julius Moses (1868-1942) und die Politik der Sozialhygiene in Deutschland, Bleicher, Gerlingen 1985. – Michael Schneider (Hrsg.), Julius Moses: Schrittmacher der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik in der Weimarer Republik. Vorträge anlässlich der Ausstellungseröffnung am 15. Dezember 2005 in der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin (= Gesprächskreis Geschichte, Bd. 65), Friedrich-Ebert-Stiftung, Historisches Forschungszentrum, Bonn 2006. – Martin Schumacher (Hrsg.), M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933-1945. Eine biographische Dokumentation. 3. Auflage, Düsseldorf 1994. – Schwarz, Max MdR, Biographisches Handbuch der Reichstage, Hannover 1965.

Bild: Büro des Reichstags (Hrsg.), Reichstags-Handbuch 1930, V. Wahlperiode, Verlag der Reichsdruckerei, Berlin 1930.

Martin Sprungala