Biographie

Mosse, Albert

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Herkunft: Posener Land
Beruf: Jurist
* 1. Oktober 1846 in Grätz/Provinz Posen
† 30. Mai 1925 in Berlin

Albert Mosse stammte aus einer kinderreichen jüdischen Arztfamilie. Sein Vater, Dr. Marcus Mosse (1807-1865), hatte vor 1828 den Familiennamen Moses in Mosse geändert. Nach dem Besuch der Gymnasien in Lissa und Guben studierte Albert Mosse von 1865 bis 1868 an der Universität Berlin Jura. Da er als Freiwilliger am Krieg von 1870/71 teilnahm, konnte er seine weitere Ausbildung erst 1873 mit dem Assessorexamen abschließen. Im Jahre 1876 wurde er Kreisrichter in Spandau bei Berlin, von wo er 1879 als Stadtrichter nach Berlin wechselte und noch im selben Jahr zum Amtsrichter ernannt wurde. Schon im Jahre 1885 stieg er zum Landrichter, 1888 zum Landgerichtsrat auf.

Die Nachricht von dieser Beförderung erreichte Mosse in Japan. Er hatte sich nämlich auf dem Gebiet des Staats- und Verwaltungsrechts spezialisiert und auf Empfehlung der deutschen Regierung in Deutschland japanische Diplomaten und Juristen in dieses Gebiet eingeführt. Japan wollte sich in jener Zeit nach westeuropäischem Vorbild ein modernes Rechtswesen geben und hatte sich nach längerem Suchen für eine Orientierung an der französischen und besonders an der preußisch-deutschen Rechtsordnung entschieden. Im Frühjahr 1886 folgte Mosse einer Einladung des japanischen Staatsministeriums als Berater bei der Rechtsreform. In Tokio half er mit bei den Vorarbeiten für die an die preußische Verfassung angelehnte Verfassung Japans vom 11. Februar 1889, die das Land zur konstitutionellen Monarchie machte, obgleich sich die damit verbundene parlamentarische Regierungsform nicht durchsetzen konnte. Stärker und auch erfolgreicher war Mosses Einfluß bei der gleichzeitig eingeführten japanischen Gemeinde-, Kreis- und Provinzialordnung, die er entworfen hatte. Auch war er an der Revision der internationalen Verträge Japans beteiligt, das sich seit 1868 bemühte, Anschluß an die westliche Welt zu finden. Mosses Ansehen in Japan war so dauerhaft, daß in der Zeit des Dritten Reiches Japaner das Leben seiner ältesten Tochter retteten und im offiziellen Auftrag einen Kranz auf Mosses Grab niederlegten.

Als Mosse 1890 wieder nach Deutschland zurückkehrte, wurde er wegen seiner Verdienste in Japan zum Oberlandesgerichtsrat in Königsberg ernannt, eine Beförderung, die er der Empfehlung des deutschen Gesandten in Tokio verdankte. Mosse war damit einer der ersten beiden jüdischen Oberlandesgerichtsräte in Preußen, der höchsten Stellung, die ungetaufte Juden im Deutschen Reich vor 1918 erreichten. In Königsberg erhielt er 1901 die Ernennung zum Geheimen Justizrat und 1903 den juristischen Ehrendoktor der Albertus-Universität, an der er schließlich ab 1904 als ordentlicher Honorarprofessor für Zivilprozeß- und Handelsrecht wirkte. Vergeblich bemühte sich Mosse um eine Versetzung an das Kammergericht in Berlin, auch wurde er mehrfach bei der ihm nach der Anciennität zustehenden Beförderung zum Senatspräsidenten übergangen. Aus Verärgerung und Enttäuschung hierüber trat er im Jahre 1907 in den Ruhestand und zog nach Berlin.

Hier wurde Mosse schnell unbesoldeter Stadtrat und hat über zehn Jahre, besonders in der Zeit des Ersten Weltkriegs, sehr erfolgreiche Arbeit für die Stadt Berlin geleistet, besonders auf dem Gebiet des Stiftungswesens und dem umfangreichen Gebiet der Kriegshilfe. Später wurde er für seine Verdienste zum Stadtältesten und Ehrenbürger von Berlin ernannt und in den Vorstand des Deutschen Städtetages berufen.

Besonders in seiner Berliner Zeit war er aktiv am Leben der jüdischen Gemeinschaften beteiligt, zunächst als Mitglied im Vorstand der Jüdischen Gemeinde von Berlin, dann als stell-vertretender Vorsitzender des Verbandes deutscher Juden und als Vorsitzender des Kuratoriums der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin.

Als Mosse sich von seinen beruflichen Pflichten zurückgezogen hatte, trat er als Herausgeber des Handelsgesetzbuches des Deutschen Reiches hervor, das er mit umfangreichen Erläuterungen versah. In der Nachfolge von Felix Litthauer (ab 1871) besorgte er die Auflagen 13 bis 17 (1905-1927). Mosse wurde für seine Verdienste als Oberlandesgerichtsrat, als Berater bei der japanischen Rechtsreform, als Stadtvertreter von Berlin und als führender Repräsentant jüdischer Einrichtungen mit dem Roten Adlerorden 3. Klasse mit Schleife und dem Kronenorden 3. Klasse ausgezeichnet. Von seinen zahlreichen Geschwistern wurde besonders Rudolf Mosse (1843-1920) als Berliner Zeitungsverleger bekannt.

Lit.: Klaus Bürger in: Altpreußische Biographie, Bd. 4, Lief. 3, Marburg/Lahn 1995 (im Druck; dort Einzelnachweise).

 

  Klaus Bürger