Biographie

Müller, Kurt

Herkunft: Posener Land, Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Landwirt, Genossenschaftler
* 1. Juli 1865 in Groß Twosewitz
† 30. Juni 1933 in Breslau

Das Gut Gurschno gehörte zum Besitz der Lissaer Magnatenfamilie Sułkowski. Im Jahr 1870 verkaufte der Fürst Sułkowski seinen Besitz an Eduard Müller († 1902). Er war im Jahr 1856 aus Sachsen in die Provinz Posen ausgewandert, wo er das ebenfalls sich im Besitz der Fürsten Sułkowski befindliche Gut Groß Tworsewitz (Tworzewice, Kr. Fraustadt, seit 1886 Kr. Lissa) gepachtet hatte. Mit seiner Frau Auguste Schröter, einer sächsischen Pastorentochter, bewirtschaftete er die Landwirtschaft so erfolgreich, dass man ihn zum Landesökonomierat ernannte. 1870 erwarb er mit dem erwirtschafteten Geld sein eigenes Land. Zusätzlich zu dem Gut Gurzno kaufte er noch Garzyn (Garzyn, Kr. Fraustadt/Lissa) hinzu, später auch noch Bojaritz und Ciolkowo (Ciołkowo, Kr. Kröben).

Die zweite Generation im Posener Land wurde bereits hier geboren. Sohn Kurt Müller wurde am 1. Juli 1865 in Groß Tworsewitz geboren. Er besuchte die Elementarschule und dann das Comenius-Gymnasium in Lissa (Leszno). Anschlie­ßend bereitete er sich darauf vor, den väterlichen Betrieb zu übernehmen und studierte Landwirtschaft in Halle an der Saale. Auch im preußischen Heer diente er und war Rittmeister bei den 1. Ulanen in Potsdam.

Nach dem Tod des Vaters übernahm er im Jahr 1902 die Ver­waltung der drei väterlichen Güter. Mit seinem neu erlernten Wissen wandelte er seinen Besitz in Musterbetriebe mit der direkten Verarbeitung seiner Produkte um. Er siedelte zu diesem Zwecke eigene Arbeitskräfte deutscher Herkunft an. Kurt Müller pflanzte in seinen Waldungen neue Baumarten an und züchtete neue Rinderarten. Er baute für die Weiterverarbeitung zudem eine Stärkefabrik, ein Sägewerk und eine Brennerei.

Da die Güter Gewinn abwarfen, konnte er von 1908 bis 1912 ein luxuriöses Herrenhaus bauen. Bereits sein Vater hatte 1898 mit dem Bau einer Schmalspurbahn begonnen, die den Bahn­hof Gurzno mit Garzyn verband. Diese betriebseigene Kleinbahn erweiterte er von 1905 bis 1907. Sie besaß eine eigene Ver­la­derampe bei der Staatsbahn. Er gründete auch die „Deutsche Stärke-Verkaufsgenossen­schaft“.

Der verlorene Erste Weltkrieg veränderte die Arbeitsbedin­gun­gen erheblich, denn von einem privilegierten Gutsherrn wurde er zum geduldeten Deutschen in der II. Polnischen Republik. Zudem verlor sein Betrieb sein Umfeld, seine Märkte. Er setzte daher weiterhin auf das Genossenschaftswesen und die Deutschen in Polen gründeten einen Interessenverband, die Westpol­nische Landwirtschaftliche Gesellschaft (= WELAGE), in der Müller führend tätig war.

Kurt Müller war nicht nur einer der Gründer, sondern auch im Aufsichtsrat der „Deutschen Spiritus-Zentrale“ in Berlin, Be­zirks­vorsitzender der WELAGE für den Kreis Lissa und bekleidete weitere Ehrenämter.

Er setzte sich auch für die unter Druck und in Not geratenen Deut­schen ein. Er förderte Schulen und stiftete das evangelische Alumnat in Wolfskirch (Wilkowice, Kr. Lissa).

Er war einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Minderheit in der Zwischenkriegszeit in Polen. Umso tragischer ist es, dass er bereits am 30. Juni 1933 auf einer Reise in Breslau starb.

Seit 1919 war er mit Annemarie Müller verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte. Der Sohn Wolfram Müller (1921-1943) fiel am 14. Oktober 1943 bei Kiew. Die Tochter Waltraud (1920-2006) musste mit auf die Flucht und Vertreibung gehen und starb in München.

Kurts Witwe, nach dem Gutsbesitz Annemarie Müller-Gursch­no (1891-1979) genannt, stammte aus dem ost­preußischen Johan­nisburg (Pisz) und war die Tochter des Land- und Regierungsrats Maximilian Müller und der Maria Freiin v. Bülow. Annemarie war hoch ausgebildet und unterhielt mit ihrem Mann ein kulturelles Zentrum in Gurschno. Sie selber galt als gute Pianistin und lud gerne hochrangige Gäste ein. U.a. war der Dirigent und Komponist Wilhelm Furtwängler (1886-1954) hier zu Gast.

Annemarie Müller-Gurschno blieb nach der Flucht der Deutschen am 22. Januar 1945 in Gurschno. Von den einheimischen Polen wurde sie geachtet, nicht aber von den neuen Herren, den Polen aus dem Osten. Sie wurde verhaftet und ins Zwangsarbeiterlager Grune (Gronowo) bei Lissa gebracht. Hier musste sie bis zum 27. Februar 1949 als Dienstmagd Zwangsarbeit leisten, ehe sie zu der Tochter Waltraud nach Gronau in Westfalen ausreisen konnte. Ihre Erfahrungen im Osten und vor allem im Lager schrieb sie in dem Erlebnisbericht Erlebnisse und Glaubenserfahrungen nieder.

Lit.: Marcin und Piotr Libicki, Dwory i Pałace Wiejskie w wielko­polsce, Posen 2003, S. 98, 122. – Hans Freiherr v. Rosen, Saat und Ernte. Lebensbilder Posener deutscher Landwirte, Hameln 1978. – Annemarie Müller-Gurschno, Erlebnisse und Glaubenserfahrungen, Hannover 1978, Landsmannschaft Weichsel-Warthe, 66 S. – Dies., Erlebnisse einer deutschen Gutsfrau in Polen 1945-1949, Lüneburg, 1975, in: Posener Stimmen, S. 1-14.

Bild: Porträt 1929, https://gronowo.leszno.eu/4,annemarie-mueller. html.

Martin Sprungala, 2017