Biographie

Müller-Langenthal, Friedrich

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Bischof
* 28. Oktober 1884 in Langenthal/ Siebenbürgen
† 1. April 1969 in Hermannstadt

Friedrich Müller war ein „homo novus“, der – früh verwaist – aus einfachen bäuerlichen Verhältnissen der ehemaligen Hörigengemeinde Langenthal stammte. Er machte in der Landeskirche eine steile Karriere und starb als Bischof der Evangelischen Landeskirche A.B. in der Sozialistischen Republik Rumänien am 1. Februar 1969. Er zeichnete sich durch Fleiß, Zähigkeit, Intelligenz und ein phänomenales Gedächtnis aus, hatte ein untrügliches Gespür für Machtkonstellationen und -verschiebungen, aber eine schlechte Menschenkenntnis. Ab 1895 besuchte und absolvierte erdas Gymnasium in Hermann­stadt als Vorzugsschüler. Er nahm ein Studium der Geschichte, Geographie und Theologie auf, um als Pädagoge und eventuell später als Pfarrer tätig werden zu können. Er studierte in Wien, Klausenburg und Berlin und absolvierte 1909. Am Honterusgymnasium in Kronstadt wurde er seit 1911 ein begeisterter und begeisternder Lehrer. Von sowohl wissenschaftlichen Ambitionen als auch finanziellen Motiven zeugt eine erhebliche publizistische Nebentätigkeit in dieser frühen Lebensphase. Im Sommer 1917 wurde Müller zum Seminardirektor an der landeskirchlichen Lehrerinnenbildungs­anstalt in Schäßburg (Sighişoara) gewählt, wo er sich mit einem engagierten Kollegium für die reformpädagogischen Impulse aus dem Deutschen Reich einsetzte.

Die Evangelische Landeskirche A.B. in den siebenbürgischen Landesteilen Ungarns hatte sich nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 zunächst als die einzige Institution der Siebenbürger Sachsen erhalten, die nach dem Verlust der politischen und rechtlichen Gruppenautonomie als Integrationsinstanz galt. Insbesondere auf Änderungen in der Schulpolitik reagierte das Landeskonsistorium als Oberbehörde und Aufsichtsinstanz des in kirchlicher Trägerschaft stehenden deutschen, evangelischen Schulwesens sensibel, um die kirchliche Schulautonomie zu sichern. Kirchenleitung und politische Elite verfolgten einen isolationistischen Kurs gegenüber anderen, auch den übrigen ungarndeutschen Minderheiteninteressen. Die ungarischen Regierungen förderten seit 1907 diese Kirchenpolitik finanziell, weswegen die Landeskirche in ihrer zentralen Finanzverwaltung von Regierungssubventionen materiell abhängig wurde.

Die vor dem Ersten Weltkrieg bereits unterschwellig vorhandenen Krisensymptome des in der Landeskirche und Pfarrer­schaft überwiegenden Kulturprotestantismus verdichteten sich nach dem Untergang der Habsburgermonarchie zur Krise, die nach dem Ersten Weltkrieg und dem Anschluss der Region an das Königreich Rumänien voll zum Ausbruch kam. Im neuen staatlichen Gefüge Rumäniens, dessen Regierungen während der gesamten Zwischenkriegszeit von den vielfältigen Transformationsproblemen überfordert waren, sah sich die Landeskirche vor augenfällige Loyalitätseinbußen und ein strukturelles Haushaltsdefizit gestellt. Tendenzen zu einer Pluralisierung der Gesellschaft, die die bislang nach außen gezeigte Uniformität und die nach innen geübte Gefolgschaftsdemokratie infrage stellten, irritierten und überforderten die Kirchenleitung. Die von Rumänien im Minderheitenschutzvertrag 1919 anerkannte sowohl kirchliche als auch schulische Autonomie wurde bezüglich letzterer systematisch ausgehöhlt und auf ein absolutes Minimum reduziert.

Müller beteiligte sich auch in der binnenethnischen Politik – im Deutsch-sächsischen Volksrat, dem Repräsentativorgan der Sieben­bürger Sachsen. Im Auftrag der landeskirchlichen Oberbehörde hat er (erstmals im 20. Jahrhundert) ein die regionalen und ethnischen Grenzen überschreitendes Lehrbuch der Geschichte Romäniens verfasst sowie eine Geschichte unseres Volkes veröffentlicht, dessen politische Tendenz der Auftraggeber, der Deutsch-sächsische Volksrat, vorgegeben hatte: den Vorteil der sächsischen Integration in die jeweils geltenden politischen Systeme.

Müller amtierte von 1922 bis 1928 als Schulrat in der landeskirchlichen Oberbehörde für das flächendeckend in kirchlicher Trägerschaft stehende Volksbildungswesen. Dabei bewährte er sich als politischer Lobbyist und als energischer, konzeptionell denkender Administrator. Mit großer Ausdauer, aber mäßigem politischem Erfolg bemühte sich Müller gegenüber dem Uniformitätsdruck der rumänischen Zentralregierungen um die Respektierung der landeskirchlichen Schulautonomie. Trotz erheblicher Beschränkungen verwies er die Schulleitungen auf die gesetzlichen Spielräume und ermutigte zur beherzten Ausgestaltung der verbliebenen Möglichkeiten. Seinen Einsatz würdigte die Universität Halle 1930 mit der Verleihung des theologischen Ehrendoktors.

Der als Administrator geschätzte Müller wurde 1928 als Stadtpfarrer (Hauptpastor) der größten Kirchengemeinde der Landeskirche, Hermannstadt, gewählt. In diesem Amt bewährte er sich trotz der in Rumänien bis Mitte der 30er Jahre währenden Folgen der Weltwirtschaftskrise als Sanierer der überschuldeten Stadtpfarrgemeinde. Auch die vielfältigen Gemeindeaufbau-Bemühungen, die Personalentscheidungen und die sozialdiakonischen Maßnahmen trugen zur Konsolidierung und zu einem stetig wachsenden Kern der Hermannstädter Kirchengemeinde bei. Theologisch schloss er sich der Luther-Renais­sance an, und engagierte sich in volksmissionarischen Bestrebungen von Stadtgemeinde und Landeskirche. Seine eigengeartete Frömmigkeit war gebetsgelenkt und sensibel für pietistische Strömungen. Gleichfalls sanierte Müller als Vorsitzender seit 1933 den Verein für siebenbürgische Landeskunde und brachte dessen lahmende Forschungstätigkeit wieder in Gang.

In einem sich politisch radikalisierenden Umfeld Rumäniens wuchs langsam, aber stetig die nationalsozialistische Bewegung zu einem politisch dominierenden Faktor in der rumäniendeutschen, insbesondere auch siebenbürgisch-sächsischen Politik heran. Aus Ernüchterung über die unangemessene Minderheitenpolitik der rumänischen Zentralregierungen, ergänzt von Enttäuschung über die verunglückte Kooperationspolitik der politischen Elite, kulminierte Politiker- und Kirchenverdrossenheit im Mai 1932 in der Gründung der Nationalsozialistischen Selbsthilfebewegung der Deutschen in Rumänien. Diese konnte im Windschatten der Berliner „Machtergreifung“ auf dem Vierten Sachsentag, am 1. Oktober 1933, ein gemäßigt nationalsozialistisches Volksprogramm durchsetzen und bei den nachfolgenden Wahlen die Mehrheit im Deutsch-sächsi­schen Volksrat erobern.

Der Hermannstädter Stadtpfarrer hatte in der praktischen Zusammenarbeit mit dem sozialpolitischen Engagement dieser „Selbsthilfe“ keine Berührungsängste und zählte sich – trotz aller kirchlicher Bedenken – zu den Anhängern der Selbsthilfebewegung, wenngleich er sich für sie nicht öffentlich, wohl aber inoffiziell bis hin in die Deutsche Reichskanzlei insbesondere für dessen sogenannten gemäßigten Flügel exponierte.

Damit vertrat Müller zunächst einen völlig konträren Standpunkt zu dem von ihm zuerst als Rivalen bekämpften Kronstädter Stadtpfarrer und Bischofsvikar Dr. Viktor Glondys (1882-1949). Trotz der gegenseitigen Antipathien kam es zu einer spannungsvollen Zusammenarbeit beider seit 1932, nachdem Glondys zum Bischof und Müller zum Bischofsvikar gewählt worden waren. Obwohl Glondys anfänglich dezidiert Distanz gegenüber dem Nationalsozialismus signalisiert hatte, wandelte sich die praktische Kirchenpolitik der Landeskirche unter seiner Ägide schrittweise. Mit einem als „Konkordat“ gewerteten, von Glondys initiierten Abkommen zwischen der Volksgemeinschaft (den sogenannten gemäßigten Nationalsozialisten) vom 14. Januar 1936 begann die Kooperation, die seit der Landeskirchenversammlung (Synode) 1938 in eine „cohabitation“ mündete. Glondys hatte 1938 eine nationalsozialistische Mehrheit im Landeskonsistorium, der Kirchenregierung, ermöglicht und angestrebt: ein Erfolg des Marschs durch die Institutionen. Die Kirchenleitung räumte Zug um Zug Positionen. Letztlich propagierte Glondys im März 1939 den „Parteieintritt“ aller kirchlichen Angestellten in die sogenannte Nationale Arbeitsfront (NAF). Nur vorübergehend zeigten sich Landeskirchenkurator Dr. Hans Otto Roth (1890-1953) und Bischofsvikar D. Friedrich Müller mit Gesinnungsgenossen reserviert. Eine parteipolitische Vereinnahmung hatten sie zu vermeiden getrachtet, doch traten beide im Verlauf des Jahres 1939 ebenfalls der NAF bei. Die Kirchenleitung unter Glondys scheiterte mit dem Versuch, die nationalsozialistische Bewegung mit der Strategie der „cohabitation“ volkskirchlich zu integrieren bzw. zu neutralisieren. Glondys wurde – von Berlin ferngelenkt – schließlich Ende 1940 zum Rücktritt genötigt.

Obwohl Müllers Chancen groß waren, zum Bischof gewählt zu werden, erzwang der Volksgruppenführer Andreas Schmidt durch Fraktionsbefehl in der Landeskirchenversammlung die Wahl des radikal nationalsozialistischen Pfarrers Wilhelm Staedel (1886-1971). Die Landeskirche wurde systematisch gleichgeschaltet, eine sich um Bischofsvikar Müller formierende innerkirchliche Opposition umging die Zensurbestimmungen und protestierte halböffentlich. Dies führte zu einer vor­übergehenden Festsetzung Müllers im Deutschen Reich vom Juli bis Oktober 1942, die nur wegen drohender diplomatischer Irritationen mit dem Kriegspartner Rumänien aufgehoben wurde. Hatte Müller im Sommer 1941 Adolf Hitler quasi noch „geheiligt“, indem er in einer Predigt geäußert hatte, das „Heil Hitler“ werde zum gegenwärtigen Zeitpunkt „zum Gebet“, wandelte sich seine Einstellung wenige Wochen danach wesentlich. Der Bischofsvikar war bei einem Besuch im Deutschen Reich über die sogenannten Euthanasie-Aktionen und die dagegen gerichteten Proteste informiert worden. Dem wertkonservativen Theologen war der verbrecherische Charakter des nationalsozialistischen Regimes voll zum Bewusstsein gekommen, so dass er innerhalb seines Wirkungskreises nunmehr in spezifischen Fragen der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien zum Protest überging und einen „Verteidigungsring“ aufbaute.

Müller führte die Opposition an und organisierte tendenziell geistige Resistenz und suchte auf administrativem und juristischem Wege die Maßnahmen der geistig der Thüringischen DC nahestehenden Kirchenführung (die Übergabe der Schulen, einen sogenannten „Maulkorberlass“, einen antijudaistisch-antisemitischen Religionsunterrichts-Lehrplan und die neuheidnische Verfremdung kirchlicher Feste) zu Fall zu bringen. Deswegen war der letztlich gescheiterte Versuch unternommen worden, Müller aller Ämter zu entheben. Müllers Taktik war erfolgreich, durch öffentliche Gerichtsverfahren die Kirchenführung unter Staedel letztlich zu lähmen. Die Kirchenleitung diskreditierte sich völlig, als zwei ihrer Mitglieder bei dem Vorfall im Zeidner Waldbad anwesend waren; dort hatte der Volksgruppenführer Schmidt mit einer Schar von Gesinnungsgenossen ein blasphemisch empfundenes Lied gegröhlt.

Nach zweimaligem Eingreifen des Berliner Reichsaußenministeriums wurde Müller im November 1943 rehabilitiert. Wenngleich die Autorität der Kirchenführung formal wieder gefestigt worden war, konnte doch die innerkirchliche Opposition nicht mehr übergangen werden. Der Müllerʼsche „Verteidigungsring“ hatte die Empörung über den Vorfall im Zeidner Waldbad ausgenutzt und von einem Großteil der sächsischen Pfarrer psychologisch und taktisch geschickt die Zustimmung zu Protestschreiben gegen die gleichgeschaltete Kirchenführung im Wesentlichen erschlichen. Letztlich hatte die Opposition einen Zeitgewinn bis Kriegsende (23. August 1944) erreicht, der nötig war, um eine einigermaßen funktionierende kirchliche Administration in die Zeit nach dem Systemwechsel hinüberzuretten.

Nach einem kurzen Intermezzo, währenddessen die Fortexistenz der Landeskirche prinzipiell gefährdet war, erhielt die Landeskirche 1945 auf allen Ebenen durch allgemeine Wahlen neu legitimierte Vertretungskörperschaften. Auch die Kirchenleitung wurde neu gewählt: Müller wurde mit großer Mehrheit am 29. April 1945 zum Bischof der Landeskirche in Rumänien gewählt.

Die Situation der deutschen Bevölkerung in Rumänien zur selben Zeit war katastophal geworden. Junge Menschen waren meist entweder (seit Frühjahr 1943) in der kämpfenden Truppe der Waffen-SS eingegliedert oder (seit Januar 1945) zum Wiederaufbau in die Sowjetunion deportiert worden. Die verbliebene Restbevölkerung, Kinder und über 45jährige, litten zum Teil unbeschreibliche Not. Müller interpretierte dies als innerweltliches Gerichtshandeln Gottes. Allerdings blieb er – genau betrachtet – eine aufrichtige Ursachen- und Schulderforschung schuldig. Zu dieser Verdrängungsleistung ist auch die stetig wiederholte, aber einseitig verzeichnende Behauptung zu zählen, 80% der Pfarrerschaft hätten aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus unter Einschluss existentieller Bedrohung geleistet.

Solange rechtsstaatliche Maximen wenigstens zum Teil noch galten, bemühte sich Müller politisch bei maßgeblichen Stellen – oft hinter den Kulissen – zu intervenieren. Dabei waren in begrenztem Umfang auch Erfolge zu verzeichnen. Nach Inkrafttreten der Verfassung der Rumänischen Volksrepublik (RVR) 1948 wurde Müller die Neufassung der Kirchenordnung – symptomatisch für die Folgezeit – unter Missachtung der geltenden demokratischen Bestimmungen durch das Kultusministerium oktroyiert.

Die rumänische Regierung installierte ein stalinistisches Regierungssystem und isolierte das Land von westlichen Staaten. Da die Ausbildung des theologischen Nachwuchses an deutschsprachigen evangelischen Fakultäten in Westeuropa ausfiel, ließ die rumänische Regierung zu, dass Reformierte, Unitarier und Lutheraner ein gemeinsames Theologisches Institut zur Pfarrerausbildung in Klausenburg (Cluj-Napoca) errichteten. Insbesondere nach der Verlegung der deutschsprachigen Abteilung nach Hermannstadt 1954 gelang es, den Pfarrermangel annähernd zu beseitigen, doch begrenzte die Kultusbehörde die Kapazität der Anstalt und erzwang den Austritt der weiblichen Studierenden.

Die Isolation des Landes wurde anlässlich des Beitritts Rumäniens zu den Vereinten Nationen 1955 gelockert. Vorübergehend durfte Müller Auslandsreisen unternehmen. Diese Tauwetter-Periode endete jedoch bereits nach dem Aufstand in Ungarn im Herbst 1956. Müller lehnte den Gedanken an eine kollektive Auswanderung der Siebenbürger Sachsen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ab und hatte für die von der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen vorgebrachten Wünsche einer Familienzusammenführung in Westeuropa wenig Verständnis. 1961 ersuchte er über Präses Kurt Scharf die EKD, keine aus der Evangelischen Landeskirche A.B. in der RVR ausgewanderten Pfarrer in Deutschland anzustellen, um einem Ausreisesog sowohl unter der Pfarrerschaft als auch in den Gemeinden keinen Vorschub zu leisten. Unmittelbar nach Einführung des Systems der Volksrepublik gerieten alle Religionsgemeinschaften unter scharfe Pressionen; insbesondere die Bindung der Jugend an die Kirche sollte gelockert werden, weswegen Konfirmandenunterricht und die sogenannte Katechisation zum Teil massiv behindert sowie Pfarrer, Eltern und Jugendliche systematisch eingeschüchtert werden sollten. Eine Vereinbarung mit dem Kultusministerium brachte nur bedingt Entlastung; gegen Ende der 50er Jahre und am Anfang der 60er Jahre waren Pressionen ständig zu verzeichnen. Erst danach brachen die massiven Eingriffe ab, gegen die der Bischof nach Möglichkeiten intervenierte. Insbesondere die Securitate griff in das kirchliche Leben ein. Alle staatlichen Kirchenkontrolleure gehörten dem Geheimdienst an, so dass jegliche Äußerung als Information genutzt werden konnte. Auf Grund der in den letzten Jahren geöffneten Securitate-Archive lassen die dort noch sichergestellten Quellen erkennen, dass die Staatssicherheit nicht nur an der mittleren Ebene kirchlicher Funktionsträger besonderes Interesse hatte und diese teilweise auch mit Erfolg anwerben konnte. Auch der Bischof geriet ins Visier. Das bereits vorangetriebene Verfahren, ihn mit geheimdienstlichen Methoden abzusetzen, verlief nach Stalins Tod im Sande, aber der Bischof wurde durch Informanten des Geheimdienstes systematisch „eingerahmt“.

Müller vereinsamte nach dem Tod seiner Frau 1951 zusehends. Zwar arbeiteten viele der Angestellten der landeskirchlichen Zentralbehörde loyal, doch blieben Müller – neben einigen engen Beratern – keine wirklichen Freunde. Persönlicher Höhepunkt seines Wirkens als Bischof war die Teilnahme an der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) 1963, der die endgültige Aufnahme der Landeskirche in den LWB 1965 folgte. Müller war es vergönnt, zu erleben, dass nach der ökumenischen Isolation die ökumenische Partizipation stetig sich festigte, die den Horizont und Aktionsradius der Landeskirche erkennbar erweiterte. Schließlich leitete 1966 Müller persönlich mit einem gewagten Coup den altershalber abzusehenden Amtswechsel ein. Kurzfristig ließ sich der Hauptanwalt von Hochmeister pensionieren, um als Landeskirchenkurator soweit irgend denkbar für ordnungsgemäße Bischofswahlen zu sorgen.

Müller war ein „homo novus“, eine menschlich komplizierte und misstrauische Natur, vereinigte sowohl bäuerische Schläue und Hartnäckigkeit als auch eine ausgeprägte Sensibilität für – auch sich ändernde – Machtverhältnisse. Seine Anpassungsfähigkeit, aber auch seine Widerstandskräfte hat er – mit Einschränkungen hinsichtlich des theologischen Profils und persönlicher Ambitionen – in unermüdlichem Arbeitseifer und eigengeartetem, persönlichem Gebetsleben zugunsten der Landeskirche eingesetzt. Er hat dieser hingebungsvoll gedient und ihr – durch äußere Faktoren verstärkt – sowohl den volkskirchlichen, sächsischen Charakter bewahren als auch in der Konzentration auch die biblische Verkündigung bedingt zur Bewältigung der geistigen und sozialen Transformationsprozesse helfen können.

Lit.: Ulrich A. Wien: Kirchenleitung über dem Abgrund. Der siebenbürgisch-sächsische Bischof Friedrich Müller vor den Herausforderungen durch Minderheitenexistenz, Nationalsozialismus und Kommunismus (Studia Transylvanica 25). Köln, Weimar, Wien 1998. – Thomas Sindilariu: Die Bestrebungen zur Beseitigung Bischof Friedrich Müllers – ein Werk der Securitate? In: Zugänge 41 (2013), S. 124- 145. – Ulrich A. Wien: Resonanz und Widerspruch: Von der siebenbürgischen Diaspora-Volkskirche zur Diaspora in Rumänien. Erlangen 2014.

Bild: Friedrich Müller-Langenthal 1928, Siebenbürgische Zeitung.

Ulrich A. Wien