Biographie

Müller-Guttenbrunn, Adam

Herkunft: Banat
Beruf: Schriftsteller, Journalist
* 22. Oktober 1852 in Guttenbrunn/Banat
† 5. Januar 1923 in Wien

Der „Erzschwabe“ Adam Müller-Guttenbrunn verdankt dieses Prädikatseinem literarisch-politischen Einsatz für die in der ungarischen Reichshälfte der Doppelmonarchie den ungarischen Assimilationsbestrebungen ausgesetzten Donauschwaben. Dem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden unehelichen Knaben gelang es, sich als Autodidakt zum angesehenen Journalisten, gefeierten Schriftsteller und Theaterdirektor des Raimundtheaters (1893–1896) und des Kaiserjubiläums-Stadttheaters (heute Volksoper: 1898–1903) emporzuarbeiten. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gr. 0, Reihe 1, Nr. 98).

Obwohl Müller-Guttenbrunn in zahlreichen Novellen, Erzählungen und Romanen Themen aus der Geschichte des Banats, der Donauschwaben und des pannonischen Raumes behandelt („Die Magyarin“, „Götzendämmerung“, „Der kleine Schwab“, „Die Glocken der Heimat“, „Schwaben im Osten“, „Der Große Schwabenzug“, „Meister Jakobund seine Kinder“), fußt die Gesamtproblematik seiner Werke in ihrer Themenvielfalt auf mitteleuropäischer Ebene und ist daher berechtigterweise als eine gesamtösterreichische anzusehen. Werke wie „Trost- und Trutzbüchlein der Deutschen in Österreich“, „Im Jahrhundert Grillparzers“, „Das Raimundtheater“, „Aus Polenkreisen“, „Die Dame in Weiß“, „Arme Komödianten“, „Es war einmal ein Bischof“, „Österreichs Beschwerdebuch“, „Altwiener Wanderungen und Schilderungen“, „Wiener Historien“, „Barmherziger Kaiser“, „Joseph der Deutsche“, „Von Eugenius bis Josephus“, „Ein deutsches Jahrhundert in Österreich, die Lenau-Trilogie: Sein Vaterhaus; Dämonische Jahre; Auf der Höhe“veranschaulichen die breit gefächerte Beschäftigung Müller-Guttenbrunns in seinem schriftstellerischen Schaffen.

Aus Müller-Guttenbrunns vielseitigem sozialen Engagement ist seine Anregung zur Schaffung des Wiener Volksbildungsvereins (der heutigen Volkshochschulen) und der Volksbüchereien (1887) erwähnenswert. Er forderte auch die Gründung eines „Allgemeinen österreichischen Vereins“ der Schriftsteller, der im Februar 1897 als „Deutsch-österreichische-Schriftsteller-Genossenschaft“ ins Leben gerufen und deren erster Präsident Müller-Guttenbrunn wurde.

Auf Betreiben der Ehrenmitglieder der „Vereinigung deutscher Hochschüler aus den Ländern der ungarischen Krone in Wien“, Adam Müller-Guttenbrunns, Edmund Steinackers und des Siebenbürgers Rudolf Brandsch, wurde aus dieser 1911 der „Deutsch-ungarische Kulturrat“ ins Leben gerufen, aus dem die „Deutsch-ungarische Kulturstiftung“ hervorging. Diese übernahm die Kosten für auf siebenbürgisch-sächsische Schulen geschickte schwäbische Schüler und Studenten aus dem Banat sowie aus anderen deutschen Siedlungsgebieten.

Als zweimaliger kurzfristiger, aus pekuniärer Sicht erfolgloser Theaterdirektor versuchte Müller-Guttenbrunn die Anzahl französischer und italienischer Stücke zugunsten einer deutschen Volksbühne mit Klassikern zu reduzieren.

Um sich aus der durch die Theateraffären entstandenen schweren Schuldenlast herauslavieren zu können, „erschrieb“ sich Müller-Guttenbrunn 1907 notgedrungen den Ausgleich mit seinen Gläubigern. Dergestalt entstanden elf Romane, einige Novellen, mehrere Sammlungen von Erzählungen, acht andere Prosawerke sowie zahlreiche Feuilletons: ab 1. April 1904 als Chefredakteur der humoristisch-satirischen Zeitschrift „Der Liebe Augustin“,ab Juni 1904 regelmäßig im „Neuen Wiener Tagblatt“ unter dem Pseudonym Ignotius, im „Pressburger Grenzboten“, ab Februar 1907 in der „Wiener Zeitung“.

Im Februar 1911 erhielt Müller-Guttenbrunn für den Roman „Die Glocken der Heimat“ den „Bauernfeldpreis“ von der 1894 gegründeten, nach dem österreichischen Lustspieldichter Eduard von Bauernfeld (1802–1890) benannten Stiftung.

Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie 1918 setzte sich Müller-Guttenbrunn für den Anschluß Deutsch-Westungarns (heute etwa das Burgenland) ein, und er wurde im Februar 1919 als Mitglied der „Großdeutschen Volkspartei“ und Mandatar für Westungarn in den Nationalrat (Parlament) gewählt.

Nach dem Rückzug aus der Politik begann Müller-Guttenbrunn im September 1921 seine Erinnerungen aufzuzeichnen und verfaßte das 21seitige, als sein politisches Testament geltende und erst 1958 veröffentlichteSchwabentestament“.

Nachdem die Stadt Wien Müller-Guttenbrunn bereits zum 60. Geburtstag im Jahre 1912 für die historische Sammlung der Stadt durch den Maler Swoboda porträtieren ließ – das Bild befindet sich im Depot des „Historischen Museums“ – wurde dem Schriftsteller am 6. November 1922 „in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um das deutsche Schrifttum“ (Neues Wiener Tagblattvom 8.11.1922) das Ehrendoktorat der Philosophischen Fakultät der Universität Wien verliehen. Der Wiener Gemeinderat beschloß, Müller-Guttenbrunn „in Würdigung seiner Verdienste um das Wiener Kunstleben“ zum Ehrenbürger der Stadt Wien zu ernennen. Ebenso wurde er Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde und von Weidling (Klosterneuburg), wo er mit seiner Familie in der „Marienburg“ sommerte und viele seiner großen Romane verfaßt hatte.

Müller-Guttenbrunn bleibt vor allem durch seine großen Prosawerke von bedeutendem Interesse; der Journalist hingegen zeichnet als genauer und kritischer Beobachter ein scharfes sozial-kulturelles Bild seiner Zeit, einer Zeit des Umbruchs, in die wir durch seine meisterhaften Feuilletons einen tieferen Einblick gewinnen können.

Lit.:Nikolaus Berwanger:Adam Müller-Guttenbrunn. Sein Leben und Werk im Bild, Bukarest 1976. – Nikolaus Britz: Adam Müller-Guttenbrunn. Ein Lebensbild aus fremden und des Dichters eigenen Schriften, München 1966. – Hans Dama: Adam Müller-Guttenbrunn aus österreichischer Sicht. Zum 75. Todestag des Dichters, in: BANATICA. Beiträge zur deutschen Kultur. München, 1 (1998), S. 55–57. – Ders.:Aus österreichischer Sicht. Zum 75. Todestag Adam Müller-Guttenbrunns, in: Der Donauschwabe, Jg. 48, Nr. 5 vom 1.2.1998, Aalen. – Ferdinand Ernst Gruber:Adam Müller-Guttenbrunn, der Erzschwab. Eine Studie, Leipzig 1921. –Ders.: „Das Schwabentestament“, in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Jg. 8, Heft 2 (1958), S.126–137. –Rudolf Hollinger: Adam Müller-Guttenbrunn, der Erwecker des Donaudeutschtums. Ein Vortrag, Temeschburg 1942. – Bruno Kremling: Adam Müller-Guttenbrunn, der Mensch und sein Werk, Novisad 1923. – Felix Milleker:Adam Müller-Guttenbrunn. Sein Leben und Dichten, Groß-Becskerek 1921. – Anton Peter Petri: Adam Müller-Guttenbrunn, in: Biographisches Lexikon des Banater Deutschtums, Marquartstein 1992, Sp. 1317–1321. – Hans Weresch:Adam Müller-Guttenbrunn und seine Heimatromane, Temeswar (Diss.) 1927. – Ders.:Adam Müller-Guttenbrunn, sein Leben, Denken und Schaffen, 2 Bde., Freiburg i. Br. 1975.

Bild: Porträt aus dem Jahre 1901, Künstlersammlung des Bezirksmuseums Wien-Mariahilf.

Hans Dama