Biographie

Nabl, Franz

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schriftsteller
* 16. Juli 1883 in Lautschin/Böhmen
† 19. Januar 1974 in Graz

Der bedeutende aus Böhmen gebürtige Erzähler gilt als ein Adalbert Stifter verwandter Naturschilderer in der Hinwendung zum Einfachen und Kleinen und als wirklichkeitsverbundener Menschengestalter, dessen Realismus wie Dostojewski unerbittlich die Abgründe der menschlichen Seele entblößt und ausleuchtet. Seine literarhistorische Bedeutung unterstreichen neben der Werkausgabe von 1965 die seit Beginn der 20er Jahre ihm verliehenen literarischen Auszeichnungen: Bauernfeld-Preis 1921; Eckart-Ehrung 1936; Mozartpreis der Hamburger Goethe-Stiftung 1938; Literaturpreis der Stadt Wien 1952; Roseggerpreis der Steiermark 1953; Kunstpreis der Republik Osterreich 1957; Stiftermedaille 1963; Ehrenpreis der Stadt Graz 1963; Kulturpreis der Stadt Graz 1966.

Nabl wurde als Sohn eines Land- und Forstwirts, der als Domänenrat den Fürstlich Thurn- und Taxis‘schen Grundbesitz verwaltete, im böhmischen Lautschin geboren. In Wien, wo er aufwuchs, studierte er Jura, Philosophie und Germanistik, lebte seit 1919 als freierSchriftsteller in Baden bei Wien, arbeitete 1924-27 als Redakteur in Graz, wo er sich 1934 endgültig niederließ, um sich nun ausschließlich seinem literarischen Schaffen zu widmen. 1943 verlieh ihm die Universität Graz den Dr. h.c.

Nach Anfängen in der hofmannsthal-schnitzlerischen Tradition erwies Nabl seine herbe realistische Begabung erstmalig mit dem psychologischen Roman „Hans Jäckels erstes Liebesjahr“ (1908) und den ihm folgenden bizarren Novellen „Narrentanz“ (1911) und erreichte noch im gleichen Jahr seine künstlerische Reife mit dem ursprünglich zweibändigen Romanwerk „Ödhof“ (Bilder aus den Kreisen der Familie Arlet, 1911 und 1954), einem episch dichten, menschlich erschütternden Zeitbild des alten Österreich, das zur Weltliteratur gezählt werden darf. Hauptgestalt ist ein Herrenmensch und Familientyrann, der, auf einem Waldgut im Voralpenland lebend, alle Gemeinschaft, sogar das Leben seines Sohnes, zerstört und schließlich das Opfer seiner eigenen Überheblichkeit wird. Die extrem männliche Welt dieses Romans fand ihr weibliches Gegenbild in dem Roman „Das Grab des Lebendigen“ (Studien aus dem kleinbürgerlichen Leben, 1917, unter dem Titel „Die Ortliebschen Frauen“, 1936 und 1949), dem düsteren Gemälde einer Beamtenfamilie, die sich in Menschenscheu, Lebensangst und Selbstgerechtigkeit von der Gemeinschaft ausschließt, bis die verwitwete Mutter und die dämonische Schwester eine tödliche Katastrophe herbeiführen. Es folgten zwei Erzählungen „Der Tag der Erkenntnis“, tragische Begebenheiten (von denen eine u.d.T. „Der verzauberte Tag“ 1943 verfilmt wurde), ferner der Roman über die Heilung eines eingebildeten Kranken „Die Galgenfrist“ (1921 und 1951), und auch der folgende Roman „Ein Mann von gestern“ (1935, später als Hörspiel) behandelt eine seelische Wandlung. Ein Glanzstück seiner Erzählkunst beleuchtet den moralischen Verfall der Nachkriegszeit in der Erzählung „Der Fund“ (1937 und 1955, auch als Hörspiel und Film).

Den novellistischen Gipfel aber bilden die 1948 unter dem Titel „Johannes Krantz“ veröffentlichten Erzählungen, die zusammen mit der Rahmengeschichte einen inneren Lebensroman des Dichters ergeben und die Beziehung zwischen Kunstwerk und Leben seines Schöpfers behandeln.

Zu erwähnen ist ferner die Autobiographie „Steierische Lebenswanderung“ (1938, 5/1950) und das autobiographische Alterswerk „Das Rasenstück“ (1953) sowie der einzige große Bühnenerfolg Nabls „Trieschübel“ (Eine tragische Begebenheit, 1925).

Werke: Ausgewählte Werke in 4 Bänden, 1965.

Lit.: Erwin Ackerknecht: F. N., der Weg eines deutschen Dichters 1938; J. Rieder: Das epische Schaffen F.N.’s, Diss. Wien 1938, mit Bibliographie; Lennartz, Deutsche Dichter und Schriftsteller unserer Zeit, 1968.

Ernst-Edmund Keil