Biographie

Nasarski, Peter Emil

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Publizist
* 1. August 1914 in Teschen/Österr. Schlesien
† 18. Juli 2001 in Köln

Wer ihn kennt, weiß, daß er nicht sehr viel von Ehrungen hält. Mehr Freude als Orden und Laudationes kann ihm eine kompetente Äußerung über eines seiner Bücher bereiten, als unmittelbare Bestätigung einer Gemeinschaft im Geistigen. Wer ihn kennt, weiß auch von seiner kreativen Unrast, von seiner Fähigkeit, Ideen umzusetzen in Gegenständlichkeit. Hier ließe sich eine lange Liste von Zeitschriften, Bild- und Textbänden, von Hörspielen und Dokumentarsendungen vor allem in den Programmen des Westdeutschen und des Süddeutschen Rundfunks sowie des Senders Freies Berlin und von Veranstaltungen aufführen, die mit dem Namen Peter Nasarski verbunden sind.

Am Anfang dieser Liste steht die bündische Monatsschrift „Zelte im Osten“, am vorläufigen Ende die repräsentative dreibändige Ausgabe – Wege und Wandlungen. „Die Deutschen in der Welt heute“ – eine Gesamtschau über die gesellschaftliche und kulturelle Situation der Auslandsdeutschen in der Gegenwart. Diese Titel lassen nicht nur die Konsequenz eines Menschenlebens erkennen, sie machen deutlich, daß weitgehendste soziale und räumliche Veränderungen nicht in der Lage sind, dem Menschen seine Zugehörigkeit zu nehmen. Man hört heute so oft das Wort von der Unbelehrbarkeit und meint damit die deutsche Unfähigkeit zur Einsicht. Peter Nasarskis intakte östliche Zugehörigkeit hat aber eben diese Einsicht zur Grundlage. Nicht als gängige Replik auf gängige Floskeln, nicht als Anpassung an gegebene Verhältnisse, sondern als selbstverständlicher Ausdruck einer erlebten Welt. Hier wird deutlich, daß die erlittene Vertreibung aus einem gemeinsamen Heimatraum mit anderssprachigen Nachbarn niemanden aus der Geschichte entläßt und uns nicht der Notwendigkeit zur erneuten Begegnung entbindet. In diesem Sinne ist auch Nasarskis Tätigkeit als Übersetzer aus dem Polnischen und Russischen zu verstehen, wobei als wichtigste Werke der Roman von Roman Orwid-Bulicz „Preis des Sieges“ und die Dokumentation von Michael Zeuger „Gefangene sind wir alle“ zu erwähnen sind.

Für Peter Nasarski, aufgewachsen im östlichen Grenzland, zwanzigjährig bereits Feuilleton-Redakteur im vielgesichtigen Lodz, nach dem Krieg u. a. Redakteur der Zeitschriften „Westöstliche Begegnung“ und „Europäische Begegnung“, Chefredakteur des Pressedienstes „Aktuelle Ostwoche“, Hamburg, später beim Deutschlandfunk mit Aufbau und Leitung der Polen-Redaktion betraut, war das Gespräch mit den Nachbarn nie ein Auftrag von außen. Ausgangspunkt dafür war und ist allerdings der deutsche Anteil am Dialog. Dazu gehört Sachkenntnis bis ins Detail, ebenso aber auch das Gespür für die deutsche und die europäische Wirklichkeit. Man kann in diesem Aufgabenbereich heute in Deutschland nicht nur auf Zustimmung hoffen; es ist hingegen schon von großer Bedeutung, wenn es gelingt, das Thema des deutschen Ostens in seiner ganzen Weiträumigkeit im Gespräch zu halten. Wie das Peter Nasarski auf das Ganze bezogen versteht und verständlich zu machen weiß, bezeugen – um nur drei Titel zu nennen – der im Auftrag der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat erarbeitete großformatige Band „Nachbarn seit tausend Jahren/Deutsche und Polen in Bildern und Dokumenten“, der beim Berliner Westkreuz erschienene Bildband „Zwischen Ostsee und Waldkarpaten“ und die 15 Bände der von Nasarski 1958 bis 1966 im Rautenberg-Verlag, Leer, herausgegebenen, reich bebilderten Schriftenreihe „Nachbarn in Ostmitteleuropa“. Durchweg Bücher, die unterrichten – aber nicht belehren wollen, die aufdecken, ohne anzuprangern.

Vielfältige Verdienste hat sich Peter Nasarski als Chefredakteur der „Kulturpolitischen Korrespondenz“ erworben. In zwölf Arbeitsjahren (1968-1980) hat er diesem Pressedienst des Ostdeutschen Kulturrats Sinn und Form verliehen und ihm zu einer über den deutschen Sprachraum hinausreichenden Geltung verholfen. Ostdeutsches Kultur- und Gedankengut findet, über die „KK“ Zugang zu einer breit gestreuten Öffentlichkeit; Künstler und Autoren haben in ihr ein kaum zu ersetzendes Forum gefunden. Dr. Karl-Heinz Gehrmann bezeichnete den Pressedienst als „den bisher einzigen glaubwürdigen Versuch, ohne Leugnung des eigenen nationalen Selbstverständnisses mit der Förderung eines wirklichen geistigen Austausches zwischen benachbarten Völkern ernst zu machen“, und Dr. Ernst Schremmer sieht in der KK „eine Drehscheibe für die Registrierung von Substanz und Aktivität der Ostdeutschen, aber auch für deren Begegnung und objektives Gespräch mit den östlichen und südöstlichen, ihnen schicksalhaft verbundenen Nachbarn“.

Es war zu erwarten, daß auch auf den siebzigjährigen Peter Nasarski der Begriff „Ruheständler“ nicht anwendbar ist. Er zeichnet auch heute noch für die Herausgabe der Zeitschrift „Globus“ des VDA-Vereins für das Deutschtum im Ausland und der Vierteljahreshefte „Der Gemeinsame Weg“ des Ostdeutschen Kulturrats und der Stiftung „Haus des Deutschen Ostens“, Düsseldorf, verantwortlich und hat nach der bisherigen Herausgabe von mehr als sechzig Büchern und Bildbänden auf Jahre hinaus eine Reihe interessanter Buchprojekte vor. Freunde, die ihn seit vielen Jahren kennen, sehen auch heute noch in ihm einen Mann der Jugendbewegung, die ihn vor 1933 nachhaltig geprägt hat: nach allen Seiten offen und im guten Sinn beständig.

(1984)