Biographie

Nathe, Christoph

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler
* 3. Januar 1753 in Niederbielau bei Görlitz
† 10. Dezember 1806 in Schadewalde, Kr. Lauban

Drei Maler der Oberlausitz um 1800 haben überregionale Bedeutung: Christoph Nathe, Franz Gareis und Heinrich Wehle. Gareis und Wehle kamen nicht über ein genialisches Jungmänneralter hinaus. Beide verstarben 1805 und so ist auch ihr 200. Todesjahr hier zu erwähnen.

Christoph Nathe, der aus einer Bauernfamilie stammte, besuchte das Gymnasium zu Görlitz, da er für das Studium der Theologie bestimmt war. An der Görlitzer Zeichenschule erhielt er ersten Zeichenunterricht bei Johann Gottfried Schulz. In Adolf Traugott von Gersdorff fand Nathe früh einen Gönner, wovon der zum Teil erhaltene Briefwechsel beredtes Zeugnis ablegt. Als Gersdorff zum Studium nach Leipzig ging, ermöglichte er Nathe 1774 ein Studium an der Leipziger Akademie, wo er Schüler von Adam Friedrich Oeser wurde. Der aus Preßburg stammende Akademiedirektor Oeser war der Zeichenlehrer Goethes und auch Johann Samuel Bachs, Sohn von Carl Philip Emanuel Bach, gewesen. Bereits bevor Nathe nach Leipzig gekommen war, soll er sich die Technik des Kupferstichs angeeignet und damit seinen Unterhalt verdient haben, doch konnte er sich bei dem bekannten Leipziger Stecher Friedrich Bause weiter vervollkommnen. Schon aus seinen frühen Arbeiten spricht das starke geologische und geognostische Interesse Nathes, der Kontakte zu Bergbaufachleuten und Mineralogen hatte. So klagte er 1786 darüber, daß er in Leipzig keinen fachkundigen Gesprächspartner gefunden hat.

Das „mechanische Genie“ Karl Andreas Meyer von Knonow auf Rothenburg nahm ihn 1783/84 auf eine Schweiz-Reise „als Gesellschafter und Freund“ mit. Mit ihm verbanden Nathe über seine Arbeit hinaus musikalische, mechanische und naturwissenschaftliche Interessen. So konnte Nathe, dessen Bestreben einer universell gelehrten Künstlerschaft galt, beziehungsreich im Gründungsumkreis der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz von 1779 wirken. Zum Höhepunkt seines Lebens wurde die Schweizreise „bey deren Erinnerung es ihm allemal wie ein Messer durchs Herz fährt.“

Seine Landschaftszeichnungen aus der Schweiz, dem Riesengebirge und der Lausitz waren in Leipzig durchaus begehrt. Aus Gründen einer finanziellen Absicherung hat er jedoch 1787 die Stelle als Direktor der Görlitzer Zeichenschule, mit Unterricht am Gymnasium, übernommen und die anregende Athmosphäre von „Klein-Paris“ verlassen. Als herausragender Schüler wäre Heinrich Wehle zu nennen, den er in sein eigenes Metier, die Landschaft, einführte.

Häufig reiste Nathe in Sachsen, seit 1795 in böhmischen Gebirge und immer wieder in das Riesengebirge, aber „jährlich einmal nach Dresden … um sich Trost und Labsal zu holen in der Galerie“ (1782 Brief an Gersdorff).

1795 heiratete er die Nichte seines Gönners, Caroline von Meyer, die seine Zeichenschülerin war und sich als Dichterin betätigte. Caroline verstarb jedoch bereits 1798. Das kleine ererbte Vermögen seiner Frau hatte ihn wohl unabhängiger gemacht und so gab er seine Görlitzer Stellung 1799 auf. Nachfolger wurde sein Schüler Johann Samuel Conrad. 1802 übersiedelte Nathe von Görlitz in die östlichste der Sechserstädte, nach Lauban.

Durch seine Riesengebirgsansichten war Nathe beim schlesischen Adel ein Begriff. Über Graf von Reden auf Buchwald, wo er Minister Hoym und Graf Maltzan kennenlernte, erhielt er 1801 den ehrenvollen Auftrag, für Königin Luise Riesengebirgsansichten von elf Orten anzufertigen, die sie bei ihrer Schlesienreise 1800 besucht hatte. Anzumerken wäre, daß diese Ansichten wesentlich den Aufstieg des Riesengebirges zu einem besonders beliebten Reiseziel beschleunigten.

1801 lud ihn sein „Studienkumpan“ aus Leipziger Zeiten, Johann Christian Reinhart nach Rom ein. Nathe lernte Italienisch und schrieb 1803 an Gersdorff: „Ich habe immer noch den Plan im Kopfe, nach Italien zu wandern“. Die Wanderung sollte ein Plan bleiben. Er verstarb 1806, unterwegs zu einem Besuch, bei einer kürzeren „Wanderung“ in dem 10 km von seinem Wohnort entfernten Schadewalde vor Marklissa.

Die Zeichnungen für Königin Luise wollte die Chalcographische Gesellschaft in Dessau herausgeben. 1803 wurden von Christian Haldenwang acht Blätter geätzt, die als „Schlesische Ansichten“ in zwei Heften erschienen. Da die Gesellschaft in Konkurs ging, wurden die Platten nach Weimar verkauft. Dort erschien 1806 bei Bertuch die Mappe „Schlesische Ansichten aus dem Riesengebirge in 14 großen Blättern“, jene bei der Chalcographischen Gesellschaft erschienenen Blätter um weitere vermehrt. Im beigefügten Textband schrieb Nathe zum Blatt „In der Großen Schneegrube“ von „der fürchterlichen Erhabenheit der Felsminen, die wie ungeheure Türme unendlich mannigfaltig senkrecht in die Höhe steigen“. Weitere Verbreitung fand die 1808 posthum erschienene „Sammlung (48) radirter Blätter von Christoph Nathe“.

Nathes Kunst birgt zwei verschiedene Zeichenstile, welche in ihrer Art von zwei Künstlern stammen könnten. Zum einen erreichte er in den „genialen, ‚impressionistischen‘ Dorfstraßen in Rohrfeder, in zartesten Tönen farbig aquarelliert“ einen Höhepunkt (Scheyer), ein Stil, der mit Johann Georg Dillis gewisse Ähnlichkeiten aufweist. Nathe bediente sich aber auch von der holländischen Landschaftskunst entwickelter stilistischer Mittel. In dieser Richtung ist Nathe zu einem Vorgänger Caspar David Friedrichs und der Romantiker geworden. Die Zeichnung „Waldlandschaft mit rastendem Wanderer“ (Greifswald) ist ein direkter Beleg für Friedrichs Beschäftigung mit Nathes Werk. Nathe hat in seinen Landschaften oftmals ganz auf Menschen verzichtet, völlig dem Erhabenen der Natur hingegeben. So ist auf der Nürnberger Zeichnung (Katalog Goethezeit) deutlich zu erkennen, daß er zwei Wanderer wieder getilgt hat, da sie wohl die Ruhe der Anschauung gestört und der Betrachtungsweise nicht entsprochen hätten. Bemerkenswert ist auch immer wieder seine Wiedergabe von schlichten Motiven, die den Realismus vorausnehmen. Auffallend ist die Bevorzugung von Motiven der Abgeschiedenheit, seine ohne großen Horizont angelegten Landschaften kleineren Raumes, wie Täler, Waldlichtungen und Baumgruppen. Häufig hat er sich der Schilderung des Stadt- oder Dorfrands zugewandt, im Übergang in die Natur, besonders Wegen und Straßen inhaltliche Bedeutung verleihend.

Manches von Nathes Blättern „hält höchsten Rang in der deutschen Graphik um 1800“ (Scheyer) und so finden sich größere Bestände seiner qualtitätsvollen Arbeiten in mehreren graphischen Sammlungen (Albertina Wien, Kupferstichkabinett Dresden) und den Museen in Leipzig, Görlitz und Bautzen, einzelne Blätter in vielen bedeutenden Sammlungen.

Über sein Werk hinaus war Nathe auch ein geistiger Vorläufer der Romantik. Dies zeigt das Thema seines Vortrags „Über die so genannte Gothische Baukunst“ nach der Aufnahme in die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften 1798. Das Aufgreifen der Kunst des Mittelalters wurde zu einer wesentlichen Grundlage der Romantik.

Lit.: Thieme-Becker. – Georg Biermann, Deutsches Barock und Rokoko, Jahrhundertausstellung Deutscher Kunst 1650-1800, Leipzig 1914. – Herbert Klinkhardt, Christoph Nathe – Versuch einer Entwicklung des Naturgefühls und der Landschaftsmalerei im deutschen 18. Jahrhundert, Leipzig 1928. – Günther Grundmann, C. Nathe und das vorromantische Riesengebirgsbild, in: Das Riesengebirge in der Malerei der Romantik, München 1958. – Ernst Scheyer, C. Nathe und die Landschaftskunst des ausgehenden 18. Jahrhunderts, in: Schlesische Malerei der Biedermeierzeit, Frankfurt/M. 1965, S. 241-268. – Erich Wiese, Biedermeierreise durch Schlesien, Darmstadt 1966, S. 376. – Gerhard Bott (Hrsg.), Katalog Zeichnungen der Goethezeit, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 1983/84, S. 59, 97. – Thomas DaCosta Kaufmann, Central European Drawings 1680-1800. A Selection from American Collections, Princeton 1989, Nr. 99-101. – Katalog Das Riesengebirge in der Graphik des 18. und 19. Jahrhunderts, Heimatkreis Hohenelbe/Riesengebirge, Marktoberdorf 1993. – Norbert Michels (Hrsg.), Katalog Die Chalcographische Gesellschaft Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie Dessau Museum Schloß Mosigkau 1996, S. 99, 194ff. – Helmut Scheunchen, Oberlausitz (Gesamtdarstellung Musikgeschichte), in: L. Hoffmann-Erbrecht (Hrsg.), Schlesisches Musiklexikon, Augsburg 2001, S. 539. – Anke Fröhlich, Landschaftsmalerei in Sachsen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, Weimar 2002.

Helmut Scheunchen