Biographie

Nettelbeck, Joachim

Herkunft: Pommern
Beruf: Schiffskapitän
* 20. September 1738 in Kolberg/Pommern
† 29. Januar 1824 in Kolberg

Joachim Nettelbeck, eine Symbolfigur des im Kampf gegen das napoleonische Frankreich erwachenden deutschen Patriotismus, wurde als Sohn eines Brauers in Kolberg geboren. Vom 15. bis zum 35. Lebensjahr unternahm er als Seemann weite Reisen bis nach Westindien und Neuguinea. Ab 1782 lebte er als Brauer in Kolberg, wo er bereits während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) Verdienste im Kampf gegen die russischen Belagerer der Stadt erworben hatte. Nach einer vierzigjährigen Friedenszeit wurde Pommern 1805 durch die Expansionspolitik Napoleons I. erneut in Kriegsereignisse verwickelt. Die unglückliche Politik des schwedischen Königs Gustav IV., der sich mit Rußland gegen Napoleon verbündete, zog zunächst russische Truppen nach Vorpommern. Preußen bemühte sich vergeblich um Neutralität.

Nach der Niederlage Preußens gegen die Franzosen bei Jena und Auerstedt (14.10.1806) flohen die preußischen Königsfamilie und hohe Beamte über Stettin nach Ostpreußen. Der militärischen Niederlage folgte der moralische Zusammenbruch. Zahlreiche intakte preußische Einheiten kapitulierten vor den Franzosen ohne ernsthaften Versuch zum Kampf. Besonders blamabel verhielt sich der Kommandant der Festung Stettin, der am 29. Oktober 1806 mit 5000 gut ausgerüsteten Soldaten vor einer lediglich 800 Reiter starken französischen Kavallerietruppe kampflos kapitulierte. Die pommersche Bevölkerung erwies sich in vielen Fällen den französischen Besatzungstruppen gegenüber als sehr anpassungswillig. In nur wenigen Fällen gab es Ansätze zum Widerstand, in denen ein neuer deutscher Patriotismus, gestärkt durch die drückende Fremdherrschaft, zum Ausdruck kam. Es entstanden einzelne Freikorps, die einen recht erfolgreichen Kleinkrieg gegen die Franzosen führten. Angesichts der allgemeinen Demoralisierung erwies sich der erfolgreiche Widerstand der Festung Kolberg als Haltepunkt der Hoffnung deutscher Patrioten. Der Festungskommandant, Oberst von Loucadou, weigerte sich energisch, die Stadt den Franzosen zu übergeben. Als sie Sammelpunkt für zahlreiche Freischaren, darunter die Truppe des später (1809) in Stralsund gefallenen Leutnants Ferdinand von Schill wurde, nahmen die Franzosen die Belagerung Kolbergs im Februar 1807 energisch auf. Da auch hier die Bürgerschaft in der Verteidigungsbereitschaft gespalten war, wandte sich Joachim Nettelbeck gegen den in seinen Augen zu vorsichtigen Festungskommandanten und bewirkte beim preußischen König die Ernennung des Majors August Neithardt von Gneisenau zum neuen Kommandanten.

Ihm gelang nicht nur die Einigung der Bürgerschaft, sondern auch eine erfolgreiche Verteidigung der Festung, wirkungsvoll unterstützt von Nettelbeck als Bürgervertreter. Es gelang den Franzosen bis zum Friedensschluß von Tilsit (9. Juli 1807) nicht, die Festung m erobern. Bereits am 2. Juli waren die Kämpfe um die Stadt eingestellt worden. In der allgemein niedergedrückten Stimmung hatte der erfolgreiche Widerstand Kolbergs ein Zeichen für den späteren Befreiungskampf gesetzt.

Der Kampf gegen die Franzosen war hier erstmals nicht mehr nur eine Aufgabe des Militärs gewesen, sondern zur Sache der Bürgerschaft geworden, als deren Repräsentant Nettelbeck auftrat.

Der Widerstand Kolbergs gab den preußischen Reformen, den Freiheitskriegen, dem bürgerlichen Selbstbewußtsein und dem entstehenden deutschen Nationalbewußtsein Anregung und Auftrieb, so daß Nettelbeck zu einer der patriotischen Symbolfiguren des 19. Jahrhunderts wurde.

Bild: Joachim Nettelbeck aus der Ausgabe seiner Autobiographie bei Brockhaus, 1821–1823. Wikipedia, gemeinfrei