Biographie

Neubach, Helmut

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Historiker, Pädagoge
* 27. Januar 1933 in Grottkau/ Oberschlesien
† 12. Dezember 2019 in Baden-Baden

Helmut Neubach wurde am 27. Januar 1933 – drei Tage vor Adolf Hitlers Machtübernahme – in Grottkau (Oberschlesien) geborten. Seine Eltern waren der Steueroberinspektor Franz Neubach und dessen Frau Anna, eine Kaufmannstochter. Sie zogen anderthalb Jahre später mit dem kleinen Sohn nach Brieg (Niederschlesien), wo dieser aufwuchs und das Gymnasium besuchte – bis zur im Anfang des Jahres 1945 erfolgten Flucht vor der heranrückenden sowjetrussischen Armee. Görlitz, Neustadt an der Orla (Thüringen)! 1948 kam Helmut nach Lahnstein (Mittelrhein), wo er 1954 am Gymnasium die Reifeprüfung ablegte, auf die das Studium der Geschichte, Slawistik und des Französischen folgte: in Bonn, Marburg/ Lahn, Berlin (Freie Universität) und Mainz. In Mainz wurde er als Schüler des bekannten Polen-Experten Gotthold Rhode 1962 aufgrund der Dissertation Die Ausweisungen von Polen und Juden aus Preußen 1885/86. Ein Beitrag zu Bismarcks Polenpolitik und zur Geschichte des deutsch-polnischen Verhältnisses zum Dr. phil. promoviert.

Von 1962 bis 1968 arbeitete Neubach in Mainz als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Johann-Gottfried-Herder-For­schungsrates (Marburg) hälftig für die „Historische Kom­mission für Schlesien“ und die „Historisch-landeskundliche Kommission für Posen und das Deutschtum in Polen“, ging dann in den „Höheren Schuldienst“, für fast zweieinhalb Jahrzehnte, und wurde Oberstudienrat. Die Liebe zur Wissenschaft blieb ihm erhalten und richtete sich ganz primär auf Schlesien, Posen, Westpreußen und dann auch auf die Region seines Wohnens: auf Rheinhessen. Thematisch standen Parteien und Politiker, die Verwaltung, das deutsch-polnische Verhältnis und die deutschen Heimatvertriebenen im Vordergrund; zeitlich: Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.

Als Frucht seines engagierten, nimmermüden „Freizeitschaf­fens“ entstand im Laufe der Jahre eine kaum überschaubare, große Zahl von Aufsätzen, Artikeln und Rezensionen, so z.B. für die „Zeitschrift für Ostforschung“, das „Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau“ (erschienen in der Bundesrepublik Deutschland), das (katholische) „Archiv für schlesische Kirchengeschichte“, das „Oberschlesische(s) Jahrbuch“, das „Westpreußen-Jahrbuch“, die „Mainzer Zeitschrift“ und das „Historisch-politische(s) Buch“ – faktenmäßig starke, zuverlässige Texte, nicht selten mit spitzer, recht pointierter Feder geschrieben.

Neubachs Leistung wurde in einschlägigen wissenschaftlichen und wissenschaftsinteressierten Kreisen erkannt und anerkannt, und man suchte und fand ihn auch als Autor für Festschriften. So machte er mit bei Buchehrungen u.a. für die Historiker Kurt Engelbert (1969), Ludwig Petry (1969), Gotthold Rhode (1981), Hans-Ludwig Abmeier (1987), Josef Joachim Menzel (1998) und Karlheinz Blaschke (2003), für den Schriftsteller Karl Schodrok (1970) und den Politiker Herbert Czaja (1984). Bei den Festschriften für den Politiker Herbert Hupka (1985) und den Historiker Richard Breyer (1992) gehörte er zu den Herausgebern. An die „Neue Deutsche Biographie“ lieferte er Beiträge. Kleinere Schriften galten zwei aus Schlesien gekom­menen Reichstagspräsidenten: dem Oberschlesier Franz Graf von Ballestrem und dem Niederschlesier Paul Löbe. 1988 erschien sein sehr zu lobender, 17 Aufsätze enthaltender Sammel­band Parteien und Politiker in Schlesien, dessen gute Bibliographie Neubachs einschlägiges Interesse bekundet.

Verdientermaßen zum Bestseller entwickelte sich Neubachs Broschüre Kleine Geschichte Schlesiens – auf großer Sachkunde basierend, einfühlsam, sachlich und stilistisch gut geschrieben. Erstmals im Jahre 1990 als kulturelles Arbeitsheft vom „Bund der Vertriebenen“ vorgelegt, erreichte sie das Ziel, ein breites Publikum anzusprechen und erschien 2019 in der 11. Auflage, zu der sich eine Übersetzung ins Polnische gesellte.

In seinen als Schullehrer verbrachten Jahren gab es für Neubach einige sehr begehrte Freistellungen und Sonderaufgaben, die ihn und seiner wissenschaftlichen und der auf Breitenwirkung gerich­teten Arbeit guttaten. Eine sehr positive Zäsur und Anerkennung war 1992 die Ernennung zum Akademischen Oberrat an der Universität Koblenz-Landau, Abt. Koblenz. Nun konnte er Forschung und Lehre auch offiziell miteinander verbinden – sechs Jahre lang, bis zur Pensionierung. Er nutzte die Zeit, und die Zahl seiner Publikationen stieg immer höher.

Besonders am Herzen lag ihm – neben anderem – die Artikelserie „Der schlesische Geschichtsfreund“, begonnen in der von der Landsmannschaft Schlesien herausgegebenen Zeitschrift „Schle­sische Nachrichten“, fortgesetzt in Görlitzer Monatsmagazin „Schlesien heute“, durch seine Erkrankung und seinen Tod eingestellt und fast 300 Nummern umfassend; „unerhört“ informativ: Neuerscheinungen, Tagungen, Geburtstage, Todesfälle etc.!

Neubach nahm gern an historischen Tagungen teil und berei­cherte diese – das „Wort der freien Rede“ nicht scheuend – durch weiterführende, oft kritische Diskussionsbeiträge. Als gesuchter Redner hielt er sehr viele Vorträge, manche auch in seiner schlesischen Heimat: von Kenntnisreichtum getragen, rhetorisch treff­lich und anschaulich. Er war Mitglied der Historischen Kommission für Schlesien, der Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen (1992-2005 im Vorstand) und des J.G. Herder-Forschungsrates. An Ehrungen wurden ihm zuteil: 1970 Förderpreis des Oberschlesischen Kulturpreises des Landes Nordrhein-Westfalen, 2005 Ehrenmitgliedschaft der Kommis­sion für die Geschichte der Deutschen in Polen, 2006 Verdienstmedaille des Landes Rheinland-Pfalz, 2006 Schlesierkreuz der Landsmannschaft Schlesien, 2012 Kulturpreis der Landsmannschaft Weichsel-Warthe, 2018 Gerhart-Hauptmannn-Plakette.

Jahrzehntelang plagte sich Neubach mit der Edition des wissenschaftsrelevanten Tagesbuchs des von 1898 bis 1906 amtierenden Reichstagspräsidenten Franz Graf von Ballestrem. Von anderem Schriftlichen abgelenkt, er hatte die Liebe zum Schreiben „in der DNA“, gelang ihm erst spät die anmerkungsreiche Fertigstellung des opus magnum, dessen Druck er aber (Herausgeberprobleme) – leider – nicht mehr erlebte.

Den Bund der Ehe schloss Helmut Neubach mit Johanna Finger, der Tochter eines Studiendirektors aus dem oberschlesischen Beuthen. Sie unterstützte die Arbeit ihres Mannes und wurde Mutter zweier Kinder. Die letzten Lebensjahre verbrachten beide in der Kurstadt Baden-Baden, umgezogen in den Wohnort ihrer Tochter, Ausklang …!

Nach dem Tod von Johanna Neubach litt der Witwer sehr und starb am 12.Dezember 2019, 86 Jahre alt, in Baden-Baden. – Dr. Helmut Neubach ging einen langen, weiten Weg; vom Flüchtlingsjungen aus dem deutschen Schlesien zum leistungsstarken, publikationsfreudigen Historiker. Er war und blieb katholischer Christ.

Werke: Die Ausweisungen von Polen und Juden aus Preußen 1885/86. Ein Beitrag zu Bismarcks Polenpolitik und zur Geschichte des deutsch-polnischen Verhältnisses, Wiesbaden 1967 (Marburger Ostforschungen, Bd. 27). – Schlesische Lebensbildere, Bd. 5, hrsg. von Helmut Neubach und Ludwig Petry, Würzburg 1968. – Die Mainzer Bundestagsabgeordneten von 1949 bis 1972, in Mainzer Almanach 1972/74, S. 5-46. Mitarbeit: Grundriß der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, Reihe A: Preußen, hrsg. von Walther Hubatsch, Bd. 4: Schlesien, Marburg 1976. – Franz Graf von Ballestrem, ein Reichstagspräsident aus Oberschlesien, Dülmen 1984. – Für unser Schlesien. Festschrift für Herbert Hupka. Hrsg. von Helmut Neubach und Hans-Ludwig Abmeier, München/ Wien 1985. Darin von H.N.: Von Paul Löbe bis Heinrich Windelen. Die Schlesier im Deutschen Bundestag 1949-1984, S. 66-90. – Paul Löbe, Bonn 1985; 2. Aufl. 1999. – Oberschlesien im Überblick, hrsg, von Helmut Neubach und Waldemar Zylla, Dülmen 1986. – Parteien und Politiker in Schlesien, Dortmund 1988 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund, Reihe B, Nr. 34). – Kleine Geschichte Schlesiens, Bonn 1990: 11. Aufl. Görlitz 2019; Übersetzung ins Polnische, Bonn 1992. – Schlesiens Beitrag zum politischen Katholizismus, in: Erbe und Auftrag der schlesischen Kirche. 1000 Jahre Bistum Breslau, hrsg. von Winfried König, Dülmen 2001, S. 192-221.

Lit.: Herbert Groß, Bedeutende Oberschlesier, Dülmen 1995, S. 409-412. – Hans-Ludwig Abmeier, Helmut Neubach 70 Jahre, in: Oberschlesisches Jahrbuch, Bd. 18/ 19, 2002/ 2003, S. 283-286. – Walter Dittrich, Dr. Helmut Neubach 80 Jahre, in: Schlesische Nachrichten, 2013, Nr. 2, S. 13. – Arno Herzig, Helmut Neubach 85 Jahre, in: Schlesien heute 21, 2018, Nr. 1, S. 49. – Jörg Bernhard Bilke, Schlesischer Historiker gestorben. Zum Tod Helmut Neubachs, in: Schlesische Nachrichten 2020, Nr. 2, S. 10. – Michael Hirschfeld, Ein kenntnisreicher und streitbarer Historiker. Zum Gedenken an Dr. Helmut Neubach, in: Schlesien in Kirche und Welt 47, 2020, S. 20f. – Franz Heiduk, Oberschlesisches Literaturlexikon, Teil 2, Berlin 1993, S. 159. – Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender, 21. Ausg. Bd. 2, Berlin 2007, S. 2547.

Bild: Schlesien heute.

Hans-Ludwig Abmeier