Biographie

Neumann, Balthasar

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Baumeister
* 30. Januar 1687 in Eger/Böhmen
† 19. August 1753 in Würzburg

Als Zeitgenosse von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Hofbaumeister Friedrichs des Großen, Johann Michael Fischer, Münchner Stadt- und gleichzeitig kurkölnischer Hofbaumeister, Dominikus Zimmermann aus Wessobrunn oder Kilian Ignaz Dientzenhofer ist Balthasar Neumann zweifellos einer der bedeutendsten und eigenartigsten Vertreter dieser zweiten Generation großer deutscher Barockarchitekten. Schon zu Lebzeiten galt er als einer der größten Baumeister, nicht weniger erfolgreich war seine Tätigkeit als praxisorientierter Stadtplaner, fürstbischöflicher Bauberater, Unternehmer und akademischer Lehrer. Entsprechend umfangreich ist sein Lebenswerk: Neben Schlössern, Kirchen, Klosteranlagen und Altären finden sich Festungsbauten und Kasernen ebenso wie Bürgerhäuser, Straßen, Brücken, Wasserwerke und Heilbrunnen.

Ende Januar 1687 als siebentes von acht Kindern des alteingesessenen Tuchmachers Hans Christoph Neumann und seiner Gemahlin Rosine Grassold in der Schiffgasse 12 in Eger geboren, wurde Balthasar Neumann am 30. Januar in der nahen St. Niklaskirche getauft. Kindheit und Jugend verbrachte er in seiner Heimatstadt, der er zeit seines Lebens verbunden bleiben sollte. Hier machte er ab 1700 eine Lehre als Geschütz- und Glockengießer bei seinem Paten Balthasar Blatzer, dem er 1709, wie urkundlich verbürgt, bei den Reparaturarbeiten an den Wasserkünsten der Stadt Eger geholfen hat. Seit 1711 auf der Wanderschaft in Würzburg, bedurfte es der mehrfachen finanziellen Unterstützung durch die Egerer Stadtväter, um das Studium der Geometrie, Geodäsie, Zivil- und Militärarchitektur bei dem würzburgischen Ingenieurhauptmann Andreas Müller aufnehmen zu können, der Neumanns Talent erkannt hatte und ihn förderte. Als er 1713 zur Beerdigung seines Vaters nach Eger kam, hatte er bereits einen neuartigen Proportionszirkel konstruiert, der die Ablesung der Maß Verhältnisse von Säulendurchmessern bei gleicher Höhe gestattet. Noch zweimal ist Neumann in Eger gewesen, 1729 mit anschließendem Studienaufenthalt in Wien und 1747, als er beim Wiederaufbau der beiden Türme von St. Niklas beratend mitwirkte. Die Baukunst seiner böhmischen Heimat wiederum war es, die ihn zu seinem Wölbsystem inspiriert hat, das er zur höchsten Meisterschaft entwickeln sollte.

1714 beschritt Neumann als Fähnrich in der Schloß-Leibkompanie die Laufbahn eines Militäringenieurs, fertigte 1715 als Probestück für seine praktischen Kenntnisse einen Stadtplan von Würzburg und begleitete fortan Müller und den damals führenden Baumeister Joseph Greising auf sämtliche Baustellen des Hochstifts. 1716 wirkte er bei Wasserbaumaßnahmen an der Zisterzienserabtei Ebrach mit, nahm im Jahr darauf an der Eroberung Belgrads unter Prinz Eugen teil und sah erstmals Wien. 1718 gehörte er zum Stabe des kaiserlichen Generalgouverneurs von Mailand, wo er die oberitalienische Barockarchitektur kennenlernte. Diese erstaunlich rege Reisetätigkeit sollte sich zeit seines Lebens fortsetzen und Neumann mit vielen der führenden Geister im öffentlichen Kulturleben, mit Baumeistern, Künstlern und deren fürstlichen Bauherren zusammenführen. Kurz nach seiner Rückkehr aus Mailand wurde Neumann 1719 zum fürstlich-würzburgischen Ingenieur-Hauptmann ernannt. Im gleichen Jahr gelangte Johann Philipp Franz von Schönborn auf den Würzburger Bischofsthron. Damit war Neumanns Weg zum Erfolg geebnet, denn in den Schönborns sollte er seine größten Bauherren und Gönner finden. Der Beschluß des Fürstbischofs, in der Stadt ein repräsentatives Residenzschloß zu bauen, gab Neumann die Gelegenheit, in Gesprächen mit dessen Oheim Lothar Franz von Schönborn, Kurfürst-Erzbischof von Mainz und Fürstbischof von Bamberg, oder mit dem in Wien residierenden Reichsvizekanzler Friedrich Carl von Schönborn, dem Freund und Gönner Johann Lukas von Hildebrandts, die Architekturauffassung dieses 1701 in den Reichsgrafenstand erhobenen rheinischen Uradelsgeschlechts kennenzulernen und wertvolle Einblicke in die damals gültige Herrschaftsarchitektur und ihre Stilbildung zu gewinnen. Der Neubau der Residenz sollte trotz typisch barocker Kollektivplanung – am Konzept waren u. a. Maximilian von Welsch, Johann Dientzenhofer, Hildebrandt und drei Kavalierarchitekten beteiligt – das Schaffen Neumanns über zwei Jahrzehnte bestimmen und seinen Ruhm und sein Ansehen begründen. Auf Veranlassung seines Bauherren weilte er 1723 in Paris, wo die Begegnung mit den beiden Premierarchitekten Robert de Cotte und Gabriel Germain Boffrand nicht ohne Wirkung auf die spätere Treppenhausdisposition und die Anlage der Hofkirche innerhalb der Residenz bleiben sollte. Boffrand weilte im Jahr darauf in Würzburg und Franken. 1724-1729 ruhte die Bautätigkeit, weil nach dem Tode des Fürstbischofs sein Nachfolger Christoph Franz von Hütten den Residenzbau als Manifestation des Hauses Schönborn ansah. Dadurch rückte Neumanns sakrale Bautätigkeit in den Vordergrund, und es entstand 1727 die Benediktinerabteikirche zu Münsterschwarzach (1821 abgebrochen), die eine Vorstufe für die späteren doppelschaligen Raumbildungen darstellt.

1729 trat Friedrich Carl von Schönborn die Nachfolge auf dem Würzburger und auf dem Bamberger Bischofsthron an und ernannte Balthasar Neumann, nunmehr Obristleutnant der fränkischen Kreisartillerie, zum Baudirektor für das gesamte militärische, kirchliche und zivile Bauwesen beider Hochstifte und auch für seine Privatschlösser. Damit war Neumann auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, hatte neben einer Vielzahl kleiner und größerer Bauaufgaben ständige Inspektionsreisen durch beide Bereiche durchzuführen und war bis zum Tode des Fürstbischofs Bauberater und Baudirektor sämtlicher Schönbornscher Gebiete. Die Weiterführung des Residenzbaues blieb jedoch Neumanns zentrale Bauaufgabe, die ihn bis zur Fertigstellung des Rohbaues zur Jahreswende 1744 mehrmals zu Hildebrandt nach Wien führte. Hildebrandts Mitwirkung war seitens des ehemaligen Reichsvizekanzlers erwünscht, und auch an der Gestaltung der fürstbischöflichen Sommerresidenz war er neben Neumann maßgeblich beteiligt. 1730 entstand Neumanns endgültige Planung des Treppenhauses der Residenz, dessen Einwölbung ein technisches Wunderwerk darstellt und mit dem Deckengemälde von G. B. Tiepolo (1752 bis 53) zu den bedeutendsten Werken des deutschen Spätbarock zählt. Über das gräfliche Haus Schönborn hat Neumann in diesen Jahren auch jenseits der beiden Hochstifte vielfältige Aufgaben wahrgenommen: Seit 1733 war er auch Berater für das Militär- und Zivilbauwesen in Kurtrier, wirkte u.a. beim Ausbau der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz oder dem Bau von St. Paulin in Trier und hatte später seinen Schüler Johannes Seitz zum Mitarbeiter und Nachfolger. Zu seiner Entlastung stand ihm übrigens seit 1736 in Bamberg Jacob Michael Küchel als Vertreter und Mitarbeiter für das Hochstift zur Seite. Neumann entwarf das Treppenhaus für das Bruchsaler Schloß, baute die dortige Peterskirche, entwarf Residenzprojekte für Stuttgart und Karlsruhe (1747 bzw. 1749). Seit 1741 plante er den Westflügel im kurkölnischen Schloß Augustusburg zu Brühl, wo er trotz beschränkter Raumverhältnisse eine repräsentative, weiträumig wirkende, geniale Treppenlösung schuf (1743-48).

Bereits seit 1722 hatte sich Neumann auch der Stadtplanung Würzburgs gewidmet, d.h. der Stadterweiterung über die mittelalterliche Mauerbegrenzung hinweg bis zur Bastionärbefestigung. Als Leiter der neu eingesetzten fürstlichen Stadtbaukommission überwachte er das gesamte bürgerliche Bauwesen der Stadt. Neben kleineren und größeren städtebaulichen Maßnahmen, wie jene für den Marktplatz und die Theaterstraße (ab 1737), ist vor allem die 1730 von Neumann geplante und gebaute Fließwasserversorgung für Würzburg erwähnenswert. 1731 galt Balthasar Neumann bereits als Autorität auf dem Gebiet der Baukonstruktion, so daß er an der Universität Würzburg einen Lehrauftrag für Militär- und Zivilarchitektur erhielt. – 1733 baute er in Schleichach im Steigerwald eine Glashütte auf (als Privatmann), wo er u. a. die Spiegel für dieWürzburger Residenz herstellen ließ. Für den Residenzbau hatte er vor Ort eine Zinngießerei eingerichtet. In Bad Kissingen entdeckte er 1737 neue Heilquellen, die er fassen ließ und wo er 1738 die neue Kurpromenade entwarf.

In den letzten Jahren seines Schaffens entstanden die bedeutenden Kirchenbauten des Meisters. Am Ende einer Entwicklung, deren Stadien von Münsterschwarzach über die Wallfahrtskirche von Gößweinstein und die Patronatskirchen von Gaibach und Heusenstamm markiert werden, steht die großartige Raumlösung der Wallfahrtskirche von Vierzehnheiligen (ab 1744), die den Höhepunkt spätbarocker Wölbkunst bei völliger Entmaterialisierung des Raumgefüges bedeutet. Die Ausführungspläne für die Benediktinerabteikirche von Neresheim (1749) schließlich sind der absolute Endpunkt seines Wölbsystems von sich durchdringenden Wölbschalen mit sphärischen Gurtbogenpaaren. – Der Meister sollte ihre Vollendung nicht mehr erleben. Sein Sohn Franz Ignaz Michael, 1733 als sechstes von acht Kindern seiner Gattin Eva Maria Schild, Tochter des geheimen Hofrates Dr. Schild, geboren, hat 1755 mit seinem Konstruktionsriß für die Einwölbung seine technische Begabung unter Beweis gestellt. – Mit dem „Käppele“ auf dem Würzburger Nikolausberg (1748-52) ist Balthasar Neumann noch einmal ein Rückgriff auf die Gnadenkirchen seiner böhmischen Heimat gelungen.

Nach dem Tode Friedrich Carl von Schönborns 1746 wurde Balthasar Neumann von dessen verständnislosem Nachfolger von Ingelheim entlassen und erst 1749 rehabilitiert. Tiepolo hat den Meister noch kurz vor seinem Tode voller Kraft und Energie, mit der Gelassenheit des geborenen Baumeisters auf seinem Deckengemälde im Treppenhaus der Residenz gemalt. Am 19. August 1753 ist Balthasar Neumann in Würzburg gestorben. Als Oberst der Fränkischen Kreisartillerie wurde er am 22. August mit militärischen Ehren in der Marienkapelle am Markt zu Grabe getragen.

Lit.: Max H. von Freeden, Balthasar Neumann. Leben und Werk. Deutscher Kunstverlag München Berlin o. J.; zuletzt Hans Reuther, Balthasar Neumann. Der mainfränkische Barockbaumeister. München 1983 mit vollständigen Literaturangaben.