Biographie

Neumann, Balthasar

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Baumeister
* 30. Januar 1687 in Eger/Böhmen
† 19. August 1753 in Würzburg

Balthasar Neumann wurde im Januar 1687 als siebtes von acht Kindern im böhmischen Eger, dem heutigen Cheb, geboren. Um 1700 begann der Sohn des Tuchmachers Hans Christoph Neumann und seiner Frau Rosina, geb. Grassold, mit seiner Lehre als Glocken- und Geschützgießer in der Werkstatt seines Paten Balthasar Platzer. Neumann, der von seinen Mitgesellen kurz als der „Böhm“ tituliert wurde, nahm im Jahre 1711 seine Tätigkeit als Geschützgießergeselle auf und erwarb den Lehrbrief der „Büchsenmeister- Ernst- und Lustfeuerwerkerey“. Durch seine Bekanntschaft mit dem Ingenieurhauptmann und Architekten Andreas Müller und dank einiger Stipendien aus seiner Heimatstadt Eger wurde Balthasar Neumann angeregt, die Kunst der Geometrie und Feldmesserei zu erlernen. Seit 1712 ließ er sich auch in der Zivil- und Militärarchitektur unterweisen. Nachdem er im Jahre 1713 das „instrumentum Architecturae“, einen Proportionalzirkel, entwickelt, selbst angefertigt und signiert hatte, trat Neumann 1714 als Fähnrich in die hochfürstlich-würzburgische Schloß-Leibkompanie ein und wurde so zum Adjutanten seines Lehrers Müller. Darüber hinaus lernte Neumann, der sich „inzwischen in den verschlungenen Pfaden der Mathematik … völlig auskannte“ (Max. H. v. Freeden), die Sprachen Französisch, Italienisch und Latein, um auch die Originalschriften der fahrenden Architekturtheoretiker studieren zu können. In den Jahren 1715 und 1716 zeichnete sich Neumann durch seine Tätigkeit als Wasser- und Brunnenspezialist beim Neuen Bau der Zisterzienserabtei Ebrach sowie Schloß Gaibach aus und entwarf einen Grundrißplan der Stadt Würzburg. Nach seiner Teilnahme an der Eroberung Belgrads im Türkenfeldzug 1717 unter Prinz Eugen von Savoyen und Tätigkeiten beim Stabe des kaiserlichen Generalgouverneurs in Mailand und Oberitalien wurde er ein Jahr später zum hochfürstlich-würzburgischen Ingenieur und 1720 zum hochfürstlich-würzburgischen Artilleriehauptmann ernannt. Bereits im Jahre 1719 wurde Neumann vom Würzburger Fürstbischof Johann Philipp Franz aus der vom „Bauwurm“ besessenen Familie von Schönborn (1673-1724) mit der Planung für die von Dehio als „der vollkommenste Profanbau des 18. Jahrhunderts“ bezeichnete Würzburger Residenz beauftragt. Dieses eigentliche Lebenswerk Neumanns, das zu den imposantesten deutschen Residenzanlagen zählt, wurde im Jahre 1720 begonnen und 1744 im Rohbau und Teilen der Ausstattung vollendet. Neben Balthasar Neumann, der bis 1753 für die Ausstattung der Residenz zuständig war, wirkten auch weitere führende Baumeister wie Lukas von Hildebrandt aus Wien oder Maximilian von Welsch aus Mainz bei der Durchführung des Würzburger Großprojekts mit. Neumanns Hauptleistungen bei diesem großartigen Bauvorhaben zeigen sich sowohl in der brillianten innenarchitektonischen Komposition der Hofkirche als auch der Konstruktion seines zweiläufigen großzügig organisierten, raumbildnerisch genial durchstrukturierten Treppenhauses. Der rasante berufliche Aufstieg Balthasar Neumanns dokumentierte sich somit nicht nur in seiner Karriere als Offizier, sondern auch seinen ungeahnten und zunehmenden Erfolgen als Baumeister. Im Jahre 1722 wurde Neumann in die Stadtbaukommission eingesetzt und mit der Überwachung des gesamten bürgerlichen Bauwesens in Würzburg bis 1753 beauftragt. Zwei Jahre später wurde er zum hochfürstlich-würzburgischen Artillerie- und Ingenieurmajor ernannt. In den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts plante Neumann die Benediktinerprobsteikirche in Holzkirchen bei Würzburg und entwarf die im 19. Jahrhundert abgebrochene Benediktinerabteikirche in Münsterschwarzach am Main. Im Jahre 1729 wurde Friedrich Karl von Schönborn (1674-1746) Fürstbischof von Bamberg und Würzburg. Friedrich Karl sollte sich als der entscheidende Bauherr und Auftraggeber Balthasar Neumanns erweisen. Er beauftragte ihn noch im gleichen Jahr mit der Planung des Domkapitelhauses in Bamberg und ernannte ihn zum Oberstleutnant der Fränkischen Kreisartillerie. In dreißiger Jahren errichtete Neumann die Wallfahrtskirche in Gößweinstein und entwarf die Hofkirche der Würzburger Residenz. Als Höhepunkte gelöster klarer Raumgestaltung gelten die bewegt zirkulierenden Treppenhäuser in Schloß Bruchsal und Schloß Augustusburg zu Brühl bei Köln, die Neumann seit 1731 entwarf. Zwei Jahre später begann Neumann mit dem wichtigen Großprojekt Schloß Werneck, entwickelte außerdem die Pläne der Kirchen St. Laurentius in Retzbach am Main, St. Paulin in Trier und St. Peter in Bruchsal. In den Jahren 1738 und 1739 entwarf er überdies die Pfarrkirche in Heusenstamm bei Offenbach sowie den filigran und vollendet formenklar in den mächtigen Ostchor eingefügten Hochaltar im Dom zu Worms. Zu weiteren seiner bedeutenden Bauprojekte zählen auch die ausschließlich im Vierungsbereich kurvierten Sakralbauten Heilige Dreifaltigkeit in Gaibach, das Käppele in Würzburg, Heiligkreuz in Kitzingen-Etwashausen oder auch die im 19. Jahrhundert abgebrochene Jesuitenkirche in Mainz. Im Jahre 1741 wurde Balthasar Neumann zum Obristen der Fränkischen Kreisartillerie ernannt und erlangte damit die höchste für ihn erreichbare militärische Position. Im Jahre 1745 entstanden die Pläne für die Heilige Stiege auf dem Kreuzberg in Bonn-Poppelsdorf und 1751 die in der Außenarchitektur großartig gegliederte Wallfahrtskirche Maria Limbach bei Haßfurt.

Die populärsten und reifsten sakralen Spätwerke Balthasar Neumanns entstanden jedoch in den Jahren 1743 und 1745 mit der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen und derBenediktinerabteikirche in Neresheim. In den komplizierten Grund- und Wandaufrißplänen der beiden zu dem „Höhepunkt der spätbarocken Erforschung der Raumprobleme“ (Norberg-Schulz) zählenden Kulminationswerke seiner Baukunst ordnete Neumann verschieden große elliptische Raumstrukturen symmetrisch einander zu, wobei er die ovale Grundrißdisposition in Neresheim durch schlanke freistehende Säulenpaare variierte. Auf diese setzte ein monumentales Gewölbe, um den Eindruck vollkommener Schwerelosigkeit zu vermitteln. „In Neresheim vollendete sich Neumanns Werk, und es vollendeten sich zwei Jahrhunderte europäischer Baukunst.“ (B. Schütz)

Der Boden für die Baukunst Balthasar Neumanns war bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bereitet worden. Zu den maßgeblichen Vorläufern und architektonischen Ahnherren im fränkischen Raum gehört vor allem die aus Böhmen stammende Baumeisterfamilie Dientzenhofer, zu deren bedeutendsten Vertretern die Brüder Leonhard (1660-1707) und Johann (1663-1726) zählen. Als einer der Träger der kurvierten böhmischen Kirchenbauten errichtete Johann Dientzenhofer bereits 1710 die Benediktinerabtei Banz, deren Grundrißkomposition ebenfalls kompliziert angeordnete Ovalrotunden darstellen, die sich gegenseitig durchdringen.

Balthasar Neumann blieb seiner Heimat Böhmen und seiner Vaterstadt Eger Zeit seines Lebens eng verbunden. Er entwickelte Pläne zu einer Gewürzmühle für die Stadt und beschäftigte sich im Jahre 1713 intensiv mit der Fassung des „Egerischen Sauerbrunnens“. Im Juni 1725 lud er den Stadtrat aus Eger nach Würzburg ein, und als seine Taufkirche St. Niklas aus Eger vom Blitz getroffen und die Turmhelme vom Feuer zerstört wurden, reiste der vielbeschäftigte Neumann im Jahre 1747 dorthin, um den Bauschaden „ohne Anspruch auf Kostenersatz, nur um seine persönliche Schuldigkeit bezeigen zu können“, zu begutachten und der Stadt einen neuen Bauplan vorzulegen.

Am 19. August 1753 starb Balthasar Neumann in Würzburg. Die moderne Kunstgeschichte beurteilt ihn als den genialsten Baumeister des süddeutschen Barock und seine Baukunst als den „glanzvollen Schlußakkord des europäischen Barock“.

Lit.: Joseph Keller: Balthasar Neumann. Artillerie- und Ingenieur-Obrist, Fürstlich Bambergischer und Würzburger Oberarchitekt und Baudirektor, Würzburg 1896. – Eberhard von Cranach-Sichart: Balthasar Neumann, in: Thieme/Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 25, Leipzig 1931, S. 411ff. – Max H. von Freeden: Balthasar Neumann. Leben und Werk, München/Berlin 1953. – Hanswernfried Muth: Balthasar Neumann, Würzburg 1978. – Christian Norberg-Schulz: Spätbarock und Rokoko, Weltgeschichte der Architektur, Stuttgart 1985. – Ernst Eichhorn: Balthasar Neumann. Architekturwerk und das Erbe der Baumeisterfamilie Dientzenhofer, in: Mitteilungen der Altnürnberger Landschaft, Jg. 36, Sonderheft 1987, Nr. 34, S. 3-28. – Bernhard Schütz: Balthasar Neumann, Freiburg/Basel/Wien 1987. – Erich Schneider: Balthasar Neumann (1687-1753). Vollender der mainfränkischen Barockarchitektur, München 1989. – Wilfried Hansmann: Balthasar Neumann, Köln 1999.

Bild: Privatarchiv der Autorin

Ulrike Gentz