Biographie

Neumann, Gerhard

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler
* 15. August 1907 in Oppeln/Oberschlesien
† 13. November 2004 in Bonn-Bad Godesberg

Von den Studenten der Kunstakademie Breslau in der letzten großen Phase unter Oskar Moll war Gerhard Neumann, der zuvor in seiner Heimatstadt die Oberrealschule besucht hatte, einer der eigenwilligsten. Seine künstlerische Handschrift formte er zu eigenem Ausdruck aus den Anregungen, die er vor allem von seinen schlesischen Professoren Oskar Moll und Otto Mueller und von Fernand Leger in Paris bekommen hatte.

Sein Temperament, seine Intelligenz, seine Standfestigkeit trugen ihn durch die Jahre politischer Einengung der Kunst, durch Krieg und russische Kriegsgefangenschaft, Heimatverlust und über die Hürden des neuen Anfangs zu einem gefestigten künstlerischen Werk. Seine Welterfahrung, solide Schulung und Experimentierfreudigkeit machten ihn auch zu einem anregenden und ansprechenden Kunsterzieher (zuletzt Studiendirektor in Bad Godesberg) und zu einem streitbaren, aber mit sicherer Argumentation auftretenden Kollegen und Kunstbetrachter, der mit hintergründigem Humor Leben und Farbe in jedes Gespräch und jede Diskussion bringt.

Gerhard Neumanns Werk hat sich vor allem in der Malerei, der Graphik, der Illustration, der Kunst am Bau im profanen wie im kirchlichen Bereich (Glasfenster, Mosaiken, Wandbilder) entfaltet. An Anerkennungen und Auszeichnungen hat es nicht gefehlt. Schon der Neunzehnjährige hatte seine erste Einzelausstellung in einer Galerie in Oppeln. Die umfangreichste Überschau mit gewichtigem Katalog wurde 1982 in Bonn veranstaltet. Von der Akademie Breslau hatte er bereits den Kunstpreis erhalten. Es folgten u.a. der Schlesische Kunstpreis, der Oberschlesische Kulturpreis 1976, die Ehrengabe des Lovis-Corinth-Preises der Künstlergilde 1983.

Frühestes, kürzlich wieder aufgetauchtes und vom Künstler mit Rührung aufgenommenes Zeugnis des Lebenswerks ist eine kleine Arbeit des Zehnjährigen, „Park des Freiherrn von Rothschild“, entstanden während eines Aufenthalts bei Verwandten in Schillersdorf im Hultschiner Ländchen.

Wie sehr sich Neumann auch in der Welt umtat, wie sehr er sich in der Welt der Kunst umschaute, hat er doch vieles von seiner Herkunft in individualisierter und sublimierter Weise verarbeitet. So ist nicht von ungefähr eines seiner monumentalsten Bilder, als Dauerumschlag für die nun schon sechs Bände der Almanache „Oder“ verwendet, zu einem Sinn-Bild in tiefster Bedeutung geraten. Der Kölner Museumsdirektor Professor Hugo Borger bescheinigte ihm 1970: „Auch als er durch den Zwang der Verhältnisse die Umgebung wechseln mußte und als neue Lebensbühne das Rheinland gewann, hat er die Welt seines Herkommens nicht vergessen. Aus dieser Spannung: Hier zu Hause zu sein und eigentlich ganz woanders wieder zu Hause sein zu müssen, haben immer Künstler gelebt. Für Neumann kann man diese Spannung geradezu charakteristisch nennen, denn er hat sie gesucht, wie seine zahllosen Reisen in die Weite der Welt zeigen. Es hat ihn immer wieder gedrängt, die Prägung, die er durch seinen Geburtsort erhalten hatte, um die Facetten des Erlebens an anderen Orten, in anderen Teilen der Welt anzureichern. Er hat dabei von Beginn an die Auseinandersetzung mit der Erscheinungswelt der Formen gesucht und auf sein Panier geschrieben, die Vielfalt des Gesehenen, die sich in seinen Augen spiegelte, in eine eigene Ordnung zu bringen.“ Ohne je ganz in der Abstraktion aufzugehen, hat Gerhard Neumann in seinen Bildern Natur, Elemente, Grundstimmungen symbolkräftig in eine malerische Sprache von Farben und Formen gesetzt, die Elementares aussagt. Das Konstruktive, die zunächst scheinbar ganz grobe Teilung von Feldern und Farbklängen, gewinnt durch die Subtilität der Übergänge eine Qualität von besonderer Spannung. Da schwingt Romantisches mit, ohne eine Zeitflucht anzudeuten. Neumann hat sich der Gegenwart gestellt, sie aber zugleich mit malerischen Mitteln als eine Durchgangsepoche erkennen lassen.

Neumann hat eine ganz einfache Bildsprache gefunden. Seine Malerei ist ihm ein Mittel, ganz ungeschwätzig, großzügig auszusagen, was ihm Landschaft und Welt bedeuten.

Lit. (Auswahl): Gerhard Neumann in: La Revue Moderne, Paris 1930; Bildende Künstler im Lande Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen 1967; Hugo Borger: Abstraktion nach Seherfahrungen, in: Oder 1970, Höhr-Grenzhausen 1970; Margarethe Jochimsen, Dierk Stemmler, Günter Krüger, in: Katalog G. N., Bilder 1967 bis 1977, Stadt. Kunstmuseum Bonn, Bonner Kunstverein 1978; Günther Ott: Künstlerprofile, Bonn 1981; Nino Erné: Laudatio zum Lovis-Corinth-Preis 1983, in: Die Künstlergilde 1984.