Biographie

Notke, Bernt

Herkunft: Pommern
Beruf: Maler, Bildschnitzer
* 1. Januar 1336 in Lassan/Pommern?
† 1. Januar 1509 in Lübeck?

Gesicherte Lebensdaten von Bernt Notke sind rar. Es deutet einiges darauf hin, dass er aus Lassan/ Pommern stammt, denn 1467 wurde vom Rat der Stadt Lübeck ein von der Stadt Lassan besiegelter Geburtsbrief anerkannt, der allerdings kein Geburtsdatum nennt, sondern nur die ehrbare Herkunft bescheinigt. Offensichtlich hatte Bernt Notke auch Verwandtschaft in Reval. Vielleicht war Michael Notke, einer der führenden Flandernfahrer und Reeder in Reval, Bernts Vater. Ebenso wenig belegt wie die Geburt ist die Ausbildung des Künstlers. Ausgehend von den beiden Frühwerken, den Totentänzen in Lübeck und Reval, scheint eine Ausbildung in Tournai in der Großwerkstatt für Webtapeten im Monumentalformat des Unternehmers Pasquier Grenier wahrscheinlich. Wann sich Bernt Notke in Lübeck niedergelassen hat, ist ungewiss.

Vermutlich durch die Vikare an der Marienkirche in Lübeck wurde 1463 der Lübecker Totentanz bestellt. Dieser war in Eitempera und Öl lasierend auf Leinwand gemalt mit einer Breite von 193 cm und einer Länge von 28-32 m. Im Hintergrund war eine Ansicht von Lübeck zu sehen und im lateinischen Schlussvers die Datierung 15. August 1463. 1588 wurde der Lübecker Totentanz durch Sylvester von Zwolle restauriert, 1701 ging das Original verloren und wurde durch eine Kopie von Anton Wortmann ersetzt, die 1942 beim Angriff auf Lübeck verbrannte. Ob Notke bereits in Lübeck eine Werkstatt hatte und ob das Werk überhaupt in Lübeck entstand, ist nicht zu belegen. 1467 ist Bernt Notke erstmals urkundlich in Lübeck nachzuweisen.

Die Verhandlungen über den Auftrag und die Finanzierung des Revaler Totentanzes liefen 1467 über den Lübecker Rat. Bestimmt war das Werk für die Matthias-Kapelle in St. Nikolai in Reval. Der Revaler Totentanz wurde in Öltempera auf Leinwand gemalt mit einer Breite von 163 cm und einer Länge von ca. 26-30 m. Erhalten sind 7,56 m. Nach Renovierungen 1622 und 1667 wurde der Revaler Totentanz 1879 neu aufgezogen und 1898 übermalt. 1962-65 wurde er in Moskauer Werkstätten restauriert. Obwohl der Leinwandgrund stark nachgedunkelt ist, überrascht das Werk durch seine progressive Malerei und Farbgebung. Für die Kirche des Heiliggeisthospitals in Frankfurt a. M. lieferte Bernt Notke 1471-72 den Agnesaltar, der seit 1840 verschollen ist. Der St. Eriksaltar im Dom zu Uppsala wurde 1702 durch Brand vernichtet. 1781/85 tauchte eine Bildnisstatuette des schwedischen Königs Karl Knutsson Bonde auf, die möglicherweise aus dem St. Eriksaltar stammt. 1470 erhielt Bernt Notke den Auftrag für einTriumphkreuz im Lübecker Dom. Auftraggeber war Bischof Albert Krummedyk. Es ist ein monumentales Werk mit ursprünglich ca. 80 Figuren und einer Gesamthöhe von 17 m. Während die Lettnerfiguren knapp lebensgroß sind, hat die Figur des Christus am Kreuz eine Höhe von 3,55 m. In der Johannesfigur fand man einen Pergamentstreifen, auf dem vermerkt ist, dass Bernt Notke die Figur in seiner Werkstatt geschaffen hat. 1477 wurde das Werk erstmals geweiht. Während die Ikonograhie den Triumphkreuzen des Mittelalters, etwa denen von Halberstadt oder Wechselburg, folgt, überraschen die Figuren. Sie sind grob geschnitzt, jedoch von einer sehr dicken, sorgfältig ausmodellierten Fassung überzogen. Die farbige Gestaltung lässt sie lebendig erscheinen, übermittelt ihre Emotionen. 1775 überzog man diese Figuren mit einer grauen Übermalung, 1894 wurden sie polychrom übermalt. Nach den Brandbeschädigungen von 1942 legte man 1949 die ursprüngliche Fassung frei. 1977 wurden das Triumphkreuz und der Altar nach mehreren Restaurierungskampagnen wieder aufgestellt.

1477-79 entstand der Hochaltar im Dom zu Århus. Gestiftet wurde er von Bischof Jens Iversen Lange. Es ist ein doppelflügeliger Wandelaltar mit Plastiken im Korpus und Tafelmalerei an den Flügeln und an der Predella. Der Altar hat eine Höhe von 12 m. Auf den Standplatten der Figuren des Mittelkorpus ist zu lesen: „Bernhardus … fecit me“ Damit hat der Altar eine unzweifelhafte Signatur und weist Bernt Notke als Urheber aus. Zudem gab es einen dokumentierten Rechtsstreit um die Überweisung der Kosten von 800 Goldmark, der sogar den Nordischen Reichsrat beschäftigte. Der Hochaltar von Århus zeigt Notkes Handschrift. Die Farbigkeit besticht, wobei Bernt Notke nicht mit Vergoldungen sparte, der Ausdruck und die Individualität der Gesichter sind variantenreich herausgearbeitet, die Plastiken gewinnen durch die modellierte Fassung und die Fassmalerei ihre Lebendigkeit, die Tafelmalerei der Flügel ist gekonnt und spielt mit der Bildräumlichkeit. Restaurierungen erfolgten um 1780, 1888-89, 1968-69 und 1978-81.

Vom Altar der Schonenfahrer im St. Annen-Museum Lübeck ist nur ein Flügelpaar erhalten, je 201×71 cm groß. Trotz des schlechten Erhaltungszustands lässt sich erkennen, dass Notke durch die Farbgebung ein neues Raumkonzept erreichte.

Der Altarschrein in der Heiligengeistkirche in Reval weist die Datierung 1483 auf. Dass Bernt Notke den Auftrag zu diesem Altar erhielt, ist dokumentiert. Es ist ein Triptychon ohne Predella, mit einem Oberschrein in dem die Marienkrönung zu sehen ist. Die Gesamthöhe beträgt 363 cm, die Breite 364 cm. Auffallend ist die große Tiefe des Mittelkorpus in dem das Pfingstwunder dargestellt ist. In zwei Ringen sind um die thronende Madonna vollplastische Apostel-Figuren angeordnet, wobei die Figuren im Vordergrund etwas größer sind als die im Hintergrund. Durch diese Staffelung erreicht Notke Raumtiefe. Auch auf den delikat gemalten Flügeln ist Notkes Bemühen um eine neue Bildräumlichkeit zu beobachten.

Das spektakulärste Werk Bernt Notkes ist die St. Jürgens­gruppe in Stockholm. 1483 und 1484 war Notke in Stockholm. Ob er dabei schon über den Auftrag zur St. Jürgensgruppe verhandelte, bleibt ungewiss. Überliefert ist das Weihedatum: 1489. Auftraggeber war der Reichsverwesen Sten Sture. Die Gruppe besteht aus dem Kampf des hl. Georgs mit dem Drachen, dem Standbild der Prinzessin, der Burg und Schrankenreliefs. Heute steht die 3,75 m hohe Hauptgruppe auf einem Sockel, der 1932 aus den Schrankenreliefs (72×69 cm) konstruiert wurde. Die Prinzessin, 174 cm groß, wurde 1932 auf die Plattform der Burg versetzt. Bernd Notke beteiligte seine Werkstatt bei der Ausführung, insbesondere Tönnies Hermensson und Hendrik Wylsynck. Der Korpus ist aus Eichenholz, teilweise angestückt. Die für Notke charakteristische, relativ dicke Fassung ermöglichte die Verwendung eines Elchgeweihs, von Haaren, Schnüren und dem vergoldeten Schweif des Pferdes. Geschickt nutzte Notke Details der Szene, um die Standsicherheit der Gruppe zu garantieren: die Pranke des Drachen, die er in den Bauch des Pferdes schlägt, die Lanze und eine Eisenstange, die die Last von Reiter und Pferd abfangen. Die Gruppe wirkt leicht, bewegt, da die Oberfläche von Pferd und Reiter mit üppiger Dekoration bedeckt ist und die Schuppen des Drachens in der bizarren Ausformung den Leib zurücktreten lassen. Dabei ist nicht alles schön. Totenschädel, ein abgetrenntes Bein, die Büste eines Opfers bilden einen auffalligen Kontrast zu der goldenen Rüstung und dem entschlossenen Blick des hl. Georgs. Brutaler Realismus und monumentale Idealisierung treffen sich. In der Gestalt der Prinzessin ist ein Kontrast zwischen dem klaren, glatten Gesicht und der durchbrochenen Krone, dem faltenreichen Kleid gesucht.

1491-96 war Bernt Notke Reichsmünzmeister in Stockholm. In dieser Zeit dürfte der Altarschrein der Kirche von Skelleteå entstanden sein. Die Heiligenfiguren in dem sehr traditionellen Schrein beeindrucken durch ihre Individualität in Haltung, Ausdruck und Farbigkeit.

Um 1490 ist das Kruzifix in der Stockholmer Nikolaikirche zu datieren, das einen auffällig realistisch modellierten Körper zeigt. Diese Entwicklung legt nahe, auch den Barbaraaltar in der Danziger Marienkirche, trotz der Nähe zu Memling, Bernt Notke zuzuschreiben. 1499 kehrte Notke wieder nach Lübeck zurück. Es entstand das 250 x 357 cm große Gemälde in Öltempera auf Eichenholz, die Messe Papst Gregors. Das Bild verbrannte 1942 als Kriegsverlust. Die noch vorhandenen Fotografien zeigen ein raffiniert komponiertes Gruppenbild mit zwei verschiedenen Fluchtpunkten. Prächtige Gewänder bilden die Folie für ausdrucksstarke Gesichter. Es war eine Malerei von höchster Qualität, ein Meisterwerk.

Als letztes Werk des Künstlers muss noch das Triumphkreuz in St. Peter zu Löwen genannt werden. Es ist eine monumentale Plastikgruppe, das Kruzifix annähernd 205 x 201 cm, Maria 180 cm, Johannes 178 cm groß. Der Künstler nahm sensibel auf die räumliche Situation Rücksicht, komponierte das Kruzifix in den Raum und beachtete, dass der Betrachter zu dem Tri­umphkreuz aufblicken musste. 1501 verfasste Bernt Notke sein Testament zu Gunsten seiner Tochter Anneke. 1505 übernahm er das Amt eines Werkmeisters am Ziegelhof der Lübecker St. Petrikirche. Im Mai 1509 wurde er als verstorben erwähnt.

Bernt Notke verstand es, die neuesten künstlerischen Tendenzen in seinen Werken zu realisieren. Dabei schuf er höchst qualitätvolle Arbeiten basierend auf seinem Können als Zeichner und Maler. Er nutzte die Fassung, um individuelle Gesichter zu schaffen. Ein Spiel mit der Bildräumlichkeit ist zu beobachten. Sicherlich beteiligte Bernt Notke seine Werkstatt, die wohl nicht groß war, an der Ausführung der Werke. Die Ideen zu den Arbeiten aber sind so eigenständig, dass sie nur von einer Künstlerpersönlichkeit kommen konnten, von Bernt Notke.

Lit.: Umfassendes Literaturverzeichnis in: Gerhard Eimer, Bernt Notke – Das Wirken eines niederdeutschen Künstlers im Ostseeraum, Bonn 1985. – Kerstin Petermann, Bernt Notke, Hamburg 2000. – Peter Tängeberg, Wahrheit und Mythos – Bernt Notke und die Stockholmer St.-Georgs-Gruppe, Leipzig 2009.

Bild: Bernt Notke – vermutetes Selbstporträt in der zerstörten Gre­gorsmesse