Biographie

Oberländer, Theodor

Beruf: Politiker
* 1. Mai 1905 in Meiningen/Thüringen
† 4. Mai 1998 in Bonn

Theodor Oberländer nahm in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine Sonderstellung ein. Einerseits gehörte er – zuerst als bayerischer Staatssekretär und danach als Bundesminister – zu den Politikern der ersten Stunde mit entscheidenden Verdiensten bei der Bewältigung der Eingliederung der Vertriebenen, andererseits aber wurde er, trotz aller gerichtlich bestätigten Gegenbeweise, immer wieder wegen angeblicher Beteiligung an Kriegsverbrechen belastet. Oberländer war der einzige deutsche Nachkriegspolitiker, der während der dreißig Jahre lang in mehr als 50 gewonnenen Verfahren einer gezielten Propaganda gegen ihn stand hielt. Längst haben Gerichte ihn rehabilitiert, die öffentliche Anerkennung für eine außerordentliche Lebensleistung aber läßt nach wie vor auf sich warten.

Theodor Oberländer ist geborener Meininger. Er studiert Agrarwissenschaft und Volkswirtschaft, promoviert in beiden Disziplinen und geht nach seiner Habilitation als Professor zuerst nach Danzig, danach nach Königsberg, später nach Greifswald und Prag. Durch längere Aufenthalte in Rußland, China, Japan, der Türkei, aber auch in den USA, Kanada und anderen Ländern, wird er im Laufe der Zeit einer der bedeutendsten Spezialisten für wirtschaftliche und politische Fragen Osteuropas.

Im Krieg nimmt Oberländer als Offizier am Rußland-Feldzug teil. Wegen seiner Kenntnisse der osteuropäischen Völker – er spricht u.a. russisch – wird er mit der Aufstellung einer Truppe beauftragt, die sich aus freiwilligen Angehörigen russischer Volksstämme zusammensetzt. Sechs Denkschriften, in denen er sich dezidiert gegen unwürdige Behandlung der osteuropäischen Bevölkerung in besetzten Gebieten wendet, veranlassen Himmler, ein Kriegsgerichtsverfahren gegen Oberländer zu fordern. Dank nachdrücklicher Unterstützung maßgeblicher Kreise bleibt es bei der Entlassung aus der Wehrmacht.

Sofort nach Kriegsende stellt sich Oberländer einer fast unlösbar erscheinenden Aufgabe. Als Vorsitzender der Vertriebenenpartei, als Bundestagsabgeordneter und als Minister hat er maßgeblichen Anteil an der historischen Leistung der Eingliederung von 12 Millionen die Bundesrepublik geflüchteten Menschen. Das Bundesvertriebenengesetz, der Lastenausgleich, die Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus ihrer osteuropäischen Heimat wie der Dokumentation der Kriegsgefangenen, viele Einzelinitiativen u.a. auf dem anders schwierigen Gebiet der Eingliederung ostdeutscher Bauern, die wirtschaftliche Förderung der Vertriebenen und vieles mehr sind nur einige der Bereiche dieser fast gigantischen Aufgabe, deren Lösung nicht zuletzt Voraussetzung für den Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland zu ihrer heutigen Bedeutung war.

Noch eine weitere politische Entscheidung von Rang, der historische Dimension zukommt, geht auf Oberländer zurück. Für den Beitritt zur NATO hätte Adenauer im Bundestag ohne die Stimmen Oberländers und seiner Partei keine Mehrheit erhalten. Die Sowjets wußten dies und setzten alles daran, um die entscheidenden Stimmen zu kaufen. Oberländer lehnte ab, die Bundesrepublik wurde NATO-Mitglied und erhielt damit ihre Souveränität. Dies hat die damalige sowjetische Führung Oberländer nicht verziehen. Eben auf diesen Sachverhalt – und auf nichts anderes – ist seitdem die gegen ihn gerichtete internationale Hetzkampagne zurückzuführen, von der sich maßgebliche Kreise selbst in Polen und Israel distanziert haben.

Lit.: Hermann Raschhofer, Political Assassination, Tübingen 1962; Hans von Herwarth, Zwischen Hitler und Stalin, Berlin 1985; Theodor Oberländer, Der Osten und die deutsche Wehrmacht, Asendorf 1987.