Biographie

Oberth, Hermann

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Raumfahrtpionier
* 25. Juni 1894 in Hermannstadt/Siebenbürgen
† 28. Dezember 1989 in Nürnberg

Zwei Jahre nach der Geburt Oberths zogen dessen Eltern, der Chirurg Julius Oberth und seine Frau Valerie, die Tochter des Freidenkers Friedrich Krasser, nach Schäßburg. Dort, am Bischof-Teutsch-Gymnasium, begann der junge Hermann, nachdem er die Werke Jules Vernes gelesen hatte, bereits mit ersten Versuchen und Überlegungen zur Raketentechnik. Daß die von Jules Vernes beschriebene Beschleunigung mit 21. 000fachem Wert der Erdschleunigung unrealistisch war, das darin liegende Problem aber gelöst werden mußte, darin bestand Oberths Herausforderung. Das 1912 in München begonnene Medizinstudium unterbrach der Krieg, zu dem sich Oberth freiwillig meldete. In Klausenburg und (weil Siebenbürgen 1919 an Rumänien fiel) dann wiederum in München, wo man ihn aber als Nichtdeutschen bald auswies, sowie schließlich in Göttingen nahm Oberth jetzt das Studium der Physik auf. In Göttingen, wo er sich mit seiner Frau und dem gerade geborenen Sohn Julius niederließ, lernte er als Lehrer Hubert, Klein, Lenard und Wolf kennen. In diesen Jahren kamen ihm die Ideen zum Dreistufenprinzip. Die Heidelberger Universität, an welcher 1922 sein Studium mit einer Promotion abschließen wollte, nahm seine Arbeit Die Rakete zu den Planetenräumen jedoch nicht an. Die junge Familie kehrte nach Schäßburg zurück. Oberth wurde Mathematik- und Physikprofessor am dortigen Mädchenseminar und dann am Gymnasium, nachdem er 1923 in Klausenburg sein Staatsexamen bestanden hatte, für das er die ursprüngliche Dissertation als Diplomarbeit angerechnet erhielt.

Ebenfalls 1923 ließ Oberth in München Die Rakete zu den Planenräumen auf eigene Kosten drucken und machte die Bekanntschaft des russischen Raketenforschers K. E. Ziolkowski, der heute zusammen mit Oberth und dem Amerikaner R. H. Goddard zu den Pionieren zählt. 1927 gründete man in Breslau den Verein für Raumschiffahrt, zu dessen Vorsitzenden Oberth zwei Jahre darauf gewählt wurde. 1928 engagierte Fritz Lang, der bei der Ufa Berlin Die Frau im Mond drehte, Oberth als wissenschaftlichen Berater, was die Konstruktion einer wirklichen Flüssigkeitsrakete in den Ufa-Werkstätten ermöglichte. In dieser Zeit entdeckte Oberth die Selbstzerreißung der brennenden Tröpfchen und entwickelte die Kegeldüse. 1929 ließ er sich diese Erkenntnisse patentieren. Bei Versuchen auf dem Gelände der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin halfen Oberth einige Studenten, unter ihnen Wernher von Braun. 1930 schuf Rudolf Nebel, mit dem sich später überwarf, in Berlin-Tegel den ersten Raketenflugplatzder Welt. Angebote Moskaus und des bulgarischen Königs, in Rußland und Bulgarien zu arbeiten, schlug Oberth aus.

Oberts Bücher, deren Inhalte heftige Diskussionen entfachten, sowie der Entwurf einer ferngesteuerten Rakete brachten ihm 1938 Forschungsstipendium in Deutschland ein: Wien, Dresden und Peenemünde (1941), wo er die beste Teilung von Stufenaggregraten herausfinden sollte, waren die Stationen seines Wirkens. Am 4. Oktober 1942 startete, ohne direkte Beteiligung Oberths, nach drei Mißerfolgen die erste A-4(V-2)-Rakete mit einer Gipfelhöhe von 90 Kilometern und einer Flugweite von 290 Kilometern. 1943 kam Oberth nach Reinsdorf bei Wittenberg, wo die Entwicklung einer Stoffrakete geplant war. In diesem Jahr kaufte er das Pfinzing-Schloß in Feucht bei Nürnberg, in das er bei Kriegsende 1945 zu der Familie zog.

Fortan erhielt Oberth in der Schweiz und in Italien Aufträge, betreffend die Entwicklung von Feststoffraketen. Seit 1953 beschäftigte er sich mit der Nutzung der Sonnenenergie, dann lebte er einige Jahre in den USA, wo er in Huntsville unter Wernher von Braun beim amerikanischen Raumfahrtprojekt mitwirkte, um dach im Jahre 1959 die Selbstbiographie Dichtung und Wahrheit zuverfassen und 1961 eine Vortragsreise durch die Bundesrepublik Deutschland zu unternehmen, bei der ihn viele seiner späteren Verehrer persönlich kennenlernten.

1963 beschloß die Deutsche Raketen-Gesellschaft, sich in „Hermann-Oberth-Gesellschaft“ umzubenennen. Acht Jahre später errichtete die Gesellschaft in Feucht das Hermann-Oberth-Museum. Einen Antrag Wernher von Brauns um Bezuschussung eines derartigen Museums hatte der Forschungsminister im Kabinett Adenauers, wie Oberths Biograph H. Barth schreibt, mit den Worten „Für solche Dummheiten haben wir kein Geld“ beschieden. 1977 noch befaßte sich Oberth in der Schrift Das Drachenkraftwerk (Feucht 1977) mit einer neuen Methode der Windkraftnutzung. 1989 trug man Oberth zu Grabe; das Denkmal im Feuchter Stadtpark sowie der Grabstein waren schon mehrere Jahre zuvor fertiggestellt.

Im Museum, das im Todesjahr Oberths ein neues Gebäude durch die Marktgemeinde Feucht erhielt, sind das Leben, die Entwürfe und die Projekte des „deutschen Vaters der Raumfahrt“ dokumentiert. Zu den herausragendsten Ausstellungsstücken zählen gegewärtig das Modell der Kegeldüse, die dritte Stufe der Europa-Trägerrakete, ein originaler sowjetischer Raumanzug, der Bordanzug des deutschen Astronauten E. Messerschmid, die „Speisen“ der Raumfahrer und die unzähligen Auszeichnungen und Berichte.

Neben seinen theoretischen Arbeiten und technologischen Erfindungen zum Raketenflug, deren Auswirkungen wir alle kennen, dürfte die mitreißende Überzeugung von der Möglichkeit Raumfluges das Bedeutendste an Oberths Leben gewesen sein. Daß er aufgrund seines Wesens jedem einerseits respekteinflößend gegenübertrat, aber dann doch wieder ganz nah war, den einseitig technisch Interessierten bei den Museumsführungen auch Perspektiven jenseits der Fachgrenzen eröffnete, insbesondere hinsichtlich der gesellschaftlichen Verhältnisse und ihrer Verbesserung, gehört zu den Erlebnissen jener, die ihm persönlich begegnen durften. Zu der Tatsache, daß Oberth seitens deutscher Stellen verhältnismäßig selten geehrt wurde, schrieb Eugen Sänger, eine Ehrenrührung sei das nicht für das Genie, sondern für den verantwortlichen Teil der Gesellschaft.

Weitere Werke: Wege zur Raumschiffahrt, München 1929. – Über die beste Teilung von Stufenaggregaten, Peenemünde 1941. – Menschen im Weltraum, Düsseldorf 1954. – Die Kakokratie, Nürnberg 1976. – Wählerfibel für ein Weltparlament, Feucht 1984.

Lit.: Barth, Hans: Hermann Oberth, Feucht 1991. – Bergel, Hans: Der mythische Traum vom Fliegen, Innsbruck 1985. – Fritz, A.: Der Weltraumprofessor, Reutlingen 1969. – Harl, H.: Hermann Oberth, Hannover 1958. – Walteres, H.: Hermann Oberth, New York 1962.