Biographie

Oeser, Adam Friedrich

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Direktor der Architektur Akademie Leipzig, Maler
* 17. Februar 1717 in Preßburg
† 18. März 1799 in Leipzig

Der Maler, Bildhauer, Zeichner und Radierer Adam Friedrich Oeser wurde am Tage nach seiner Geburt in der Pfarrkirche der evangelischen Gemeinde zu Preßburg auf die gleichen Namen wie sein Vater getauft. Dieser war ein aus Berlin eingewanderter Riemergeselle, die Mutter, Rosine Schwartzöhrl, entstammte einer Preßburger Handwerkerfamilie.

Nach dem Besuch des Lyzeums 1722 bis 1724, den Oeser wohl aufgrund finanzieller Probleme der Mutter, die seit dem 1718 erfolgten Tod des Vaters zunächst alleine für die Familie zu sorgen hatte, abbrechen mußte, absolvierte er eine vierjährige Konditor-Lehre, bevor er, nachdem seine künstlerischen Neigungen immer stärker hervorgetreten waren, als Schüler zum Preßburger Maler Ernst Friedrich Kamauf gelangte. Hier erhielt er seine künstlerische Grundausbildung, die sich freilich fast ausschließlich auf die Vermittlung bloß handwerksmäßiger Techniken beschränkte und den Knaben, der sich zudem von der Pedanterie und menschlichen Härte seines Meisters abgestoßen fühlte, nicht befriedigte. Er begab sich daher 1730 nach Wien, um seine Ausbildung an der dortigen Kunstakademie fortzusetzen. Mit einer zweijährigen Unterbrechung, wohl 1731 bis 1733, hielt sich Oeser bis 1739 in der Stadt an der Donau auf, verzichtete aber darauf, formal um Aufnahme in die Akademie nachzusuchen, sondern begnügte sich mit Privatunterricht bei ausgewählten akademischen und nichtakademischen Künstlern.

Im Bereich der Malerei wurde Oeser vom Akademie-Direktor Jacob van Schüppen, einem Anhänger des französischen Stils, und von Daniel Gran, einem Repräsentanten der italienischen Richtung, unterwiesen, empfing also schon früh direkte Impulse aus den beiden damals vorherrschenden Schulen des spätbarocken Kunstlebens, die später in seiner Person verschmelzen sollten. Bei Peter Martin von Meytens vervollkommnete Oeser seine handwerklichen Fähigkeiten und übte sich in Miniatur- und Emaille-Malerei, während ihn Guiseppe Galli da Bibiena die Regeln perspektivischen Zeichnens näherbrachte. Das zweijährige Intermezzo schließlich, das Oeser erneut in seiner Vaterstadt Preßburg sah, führte zur Begegnung mit dem Bildhauer Georg Raphael Donner, bei dem Oeser nicht nur die Grundzüge plastischen Gestaltens erlernte, sondern, bedingt durch Donners eklektizistische Einstellung, erstmals intensiver mit Gedanken in Berührung kam, die entscheidenden Einfluß auf seine eigene, später ausgeprägte, sich an der klassischen Antike orientierenden Kunstanschauung hatten. Insbesondere die dem Zeitgeschmack zuwiderlaufende Abneigung gegen das üppig-wuchernde barocke Ornament wurde in Donners Schule begründet.

In Wien stellten sich auch erste Erfolge für Oeser ein, besonders die Zuerkennung des ersten Preises der Akademie für Malerei im Jahre 1735 für das Ölgemälde “Die Opferung Isaaks”. Insgesamt gesehen blieben die Jahre dort aber im wesentlichen rezeptiv geprägte Lehrzeit. Oesers eigentliches Betätigungsfeld sollte das Kurfürstentum Sachsen werden, in dessen Haupt- und Residenzstadt Dresden er, angezogen vom Ruf der Stadt als Kulturmetropole Deutschlands, 1739 kam. Er ließ sich dort als freier Künstler nieder, der sich freilich durch seine 1745 erfolgte Heirat mit der einer Beamtenfamilie entstammenden Dresdnerin Rosine Elisabeth Hohburg wohl auch einen gewissen sozialen und ökonomischen Rückhalt schaffen wollte.

In Dresden konnte Oeser sein künstlerisches Können, insbesondere im Umgang mit dem Künstlerkreis um Christian Wilhelm Ernst Dietrich, Louis Silvestre und Steffano Torelli, vertiefen, zeigte sich aber auch Anregungen und Ideen des jungen Raphael Anton Mengs offen und trat mit eigenen Werken, meist Auftragsarbeiten, hervor. Ein Porträt des Grafen Bestuscheff, eines in Dresden weilenden Gesandten, führte auf dessen Vermittlung hin 1740 gar zur Berufung als Hofmaler nach St. Petersburg. Die Pläne zerschlugen sich dann aber durch den bald darauf erfolgten Tod der Regentin Anna Karlowna. So widmete sich Oeser weiter in Dresden seinen Aufgaben, es entstanden, besonders in der Anfangszeit, diverse Porträts in Öl und Miniatur, mehr und mehr kamen aber auch größere Auftragsarbeiten für den Hof hinzu, beispielsweise Kutschenschilder oder Bühnenbilder für die Oper. 1749 war Oeser an der dekorativen Ausgestaltung des Jagdschlosses Hubertusburg, 1751 der Dresdner Hofkirche beteiligt und schuf möglicherweise auch das Interimsbild für den Hochaltar, an dem 1767 die Himmelfahrt von Mengs Aufstellung fand. Daneben befaßte er sich auch mit teilweise großformatigen Ölgemälden im akademischen Stil der Historienmalerei, zu nennen wären etwa “Semiramis” und “Dido” als Pendants sowie das wohl bekannteste Werk aus dieser Zeit, “Saul vor der Hexe von Endor” aus dem Jahre 1750.

Wichtiger aber noch als das künstlerische Schaffen war Oesers Begegnung mit Johann Joachim Winckelmann, mit dem er erstmals 1752 im Kreis des kunstinteressierten Grafen Heinrich von Bünau zusammenkam, zu dem sich ein engeres Verhältnis aber erst von Dezember 1754 bis September 1755 entspann, als Winckelmann im Hause Oesers logierte. Ihren literarischen Niederschlag fand diese Zeit in Winckelmanns bahnbrechender Schrift Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst, die 1755 in Winckelmanns Wohnung bei Oeser entstand und in weiten Teilen als geistiges Eigentum Oesers zu werten ist. Insbesondere der vierte Abschnitt, der die Vorreiterrolle der Allegorie als Mittel zur Reinigung der Kunst von barocker Überwölbung thematisiert, ist “Oeser nach dem Munde geschrieben”, was sich im übrigen auch in der hervorragenden Rolle des Allegorischen in Oesers eigenem künstlerischen Oeuvre zeigt.

Oeser ist also, wenn schon nicht als Urheber, so doch als Impulsgeber des klassizistischen Gedankens in Deutschland anzusehen, der “edle Einfalt und stille Größe” als das in der klassischen Antike sich manifestierende Ideal der Kunst als erster erkannt hat und, nachdem er die Idee, die ihrerseits wieder auf Anregungen von Mengs in Dresden und vielleicht auch bereits auf Donner in Preßburg zurückgeht, in eigener Reflexion weiterentwickelt hatte, nicht nur selbst umzusetzen, sondern auch und gerade in Form künstlerischen und kunsttheoretischen Unterrichts weiter zu verbreiten bestrebt war.

Dazu hatte Oeser dann in Leipzig Gelegenheit, wohin er 1759 kam, nachdem er zuvor, vor dem Siebenjährigen Krieg aus der sächsischen Hauptstadt geflohen, beim Grafen von Bünau auf Schloß Dahlen Zuflucht gefunden hatte, und daselbst 1764 zum Direktor der neu gegründeten Kunstakademie, 1765 sogar noch zum kurfürstlich sächsischen Hofmaler ernannt worden war. In seiner Lehrtätigkeit wie auch den eigenen Werken bemühte sich Oeser, den akademischen Barockstil zu überwinden und bei Wegfall bloß schmückender Ornamente zu einer Einfachheit der Darstellung und Weichheit der Zeichnung zu gelangen. Entgegen der auf Effekte ausgerichteten, gefälligen, aber oft oberflächlichen zeitgenössischen Dekorationsmalerei vertrat Oeser zudem den Gedanken der Dominanz des Bildinhaltes vor der bloßen Form, der in den gesamten Bedeutungszusammenhang zu integrieren sei. Zwar entstanden auch in der Leipziger Zeit durchaus noch repräsentative Werke der ausschmückenden Kunst, so diverse Bühnendekorationen und der Vorhang sowie das Deckengemälde für das neue Theater der Stadt (1766), Plafondmalereien im Haus des Bürgermeisters Müller (1780) und des Gewandhauses (1781) sowie insbesondere der bildnerische Schmuck der Leipziger Nicolaikirche, an deren über dreißig Einzelstücken, darunter das Altargemälde mit Darstellung der Auferstehung Christi und sechs große Bilder an den Seitenwänden des Chores mit Szenen aus dem Leben Jesu der Künstler 1785 bis 1797 arbeitete und die als “Oesersche Bibel” bezeichnet werden, doch ist die Tendenz zur Allegorisierung des Inhaltes und der Reduktion und Simplifikation von Komposition und Ausführung deutlich zu erkennen.

Stärker tritt dieser wohl am besten mit “Proto-Klassizismus” zu bezeichnende Stil aber in der Historienmalerei mit ihren teils mythologischen Sujets wie etwa “Daphnis und Chloe” (1773), einem “Gigantensturz” (1775) oder dem “Raub der Europa” (1780), teils biblischen Szenen wie “Loth und seine Töchter” (1771), “Christus, Kranke heilend” (1775) oder der “Geburt Christi” von 1780, aber auch zusehends in den Porträts zutage. Im plastischen Schaffen, dessen praktische Ausführung Oeser aber, nach genauen Entwürfen, Schülern oder befreundeten Künstlern überließ, ist die Verbundenheit mit dem präklassizistischen Zopfstil dann unverkennbar, man betrachte etwa die Denkmäler für Gellert und den Kurfürsten Friedrich August III. von Sachen in Leipzig oder die Erinnerungsmale für die Königin Mathilde von Dänemark in Celle oder den Prinzen Leopold von Braunschweig im Park von Schloß Tiefurt bei Weimar.

Beim Unterricht an der Akademie, die er zu einem Zentrum des klassizistischen Gedankens in Deutschland machte, führte Oeser nicht nur neue Methoden der Unterweisung ein, etwa die Ersetzung von Kupferstichen durch Handzeichnungen Alter Meister als Vorlage beim Zeichenunterricht oder eine stärkere Akzentuierung der Studien an Abgüssen antiker Plastik – durch die Verknüpfung mit der Universität gelang ihm auch eine bedeutsame Ausstrahlung auf die gebildeten Kreise. Beispielhaft sei nur Goethe erwähnt, der von 1766 bis 1768 Oesers Zeichenschüler war und dessen gesamte Kunstanschauung bis zu den Eindrücken des direkten Erlebens antiker Kunst auf der Italienischen Reise 1786 bis 1788 durch Oesers Vorstellungen geprägt war. Bis zu Oesers Tod infolge eines Schlaganfalls hielt der Dichter seinem Lehrer, dessen Gedanken dem reifen Klassiker dann freilich als noch reichlich unausgegoren vorkommen mußten, sowohl menschlich als auch in Ansehen seiner Verdienste als Impulsgeber die Treue.

Adam Friedrich Oeser muß, ähnlich wie Johann Gottfried von Herder auf dem Felde der Literatur, als eine Gestalt des Umbruchs und des Übergangs gesehen werden. Als Künstler universal begabt, gelang ihm in der Aufbrechung des erstarrten Formenkanons des Spätbarock eine glückliche Symbiose antikisierender Bildkompositionen und Formen mit einer weichen, luftigen Zeichnung. Die Neigung zu Flüchtigkeit und Skizzenhaftigkeit bei Vernachlässigung technisch-handwerklicher Details schmälerte allerdings seinen Ruhm bereits zu Lebzeiten und brachte ihm den Ruf eines “Nebulisten” ein. Größere Bedeutung kommt daher wohl dem Kunstlehrer und–theoretiker Oeser zu, der die Kunst der klassischen Antike als anzustrebendes Ideal propagiert und in Sanftheit und Einfachheit deren konstituierende Grundprinzipien ausgemacht hat. Durch die Aufwertung des Bildinhaltes gegenüber Form und Kolorit und des Allegorischen im Bedeutungskontext insgesamt leistete er einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung rein dekorativen Schaffens und zur Vertiefung des Verstehens eines Kunstwerkes vorrangig als Produkt menschlichen Geistes und menschlicher Kreativität. So kann Oeser, weit mehr als der “Zeichenlehrer Goethes”, als bedeutender Anreger und Initiator, weniger schon als Repräsentant eines neuen, modernen Kunstverständnisses gelten.

Lit.: Alphons Dürr: Adam Friedrich Oeser. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts, Diss. Leipzig 1879. – Max Kunze (Hg.): Adam Friedrich Oeser. Freund und Lehrer Winckelmanns und Goethes. Ausstellung des Goethe-Nationalmuseums Weimar im Winckelmann-Museum Stendal Oktober 1976 bis Januar 1977 (= Beiträge der Winckelmann-Gesellschaft Stendal, Band 6) [Ausstellungskatalog], Stendal 1976. – Max Kunze (Hg.): Johann Joachim Winckelmann und Adam Friedrich Oeser. Eine Aufsatzsammlung (= Beiträge der Winckelmann-Gesellschaft Stendal, Band 7), Stendal 1977. – Arthur Rümann: Adam Friedrich Oeser. Bibliographie (= Berliner Bibliographien, Band 2), Berlin 1931. – Paul F. Schmidt: Oeser, Adam Friedrich, in: Vollmer, Hans (Hg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker, 25. Band Leipzig o.J. [= 1931], S. 571-573. – Friedrich Schulze: Adam Friedrich Oeser. Der Vorläufer des Klassizismus, Leipzig o.J. [=1940]. – Joseph Eduard Wessely: Adam Friedrich Oeser, in: Historische Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften (Hg.): Allgemeine Deutsche Biographie, 24. Band, Leipzig 1887, S. 468-469.

Bild: Alphons Dürr: Adam Friedrich Oeser. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts, Diss. Leipzig 1879, Frontispiz.

 

  Bernhard Mundt