Biographie

Ogoleit, Wilhelm

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Buchhändler, Goethesammler
* 1. Januar 1869 in Gut Kisseln, Stallupönen/Ostpr.
† 21. Mai 1953 in Bielefeld

Wilhelm Ogoleit wurde am 1. Januar 1869 auf dem Gut Kisseln bei Stallupönen in Ostpreußen geboren. Er erhielt zunächst – auch aus gesundheitlichen Gründen – Hausunterricht, besuchte dann bis 1888 Gymnasien in Gumbinnen und Königsberg. Während der Zeit in Gumbinnen erwachte seine Neigung zum Theater, er befaßte sich aber zunächst in einem Praktikum mit dem Beruf des Buchhändlers. Der Wunsch zur Ausbildung in der Schauspielkunst führte ihn nach Leipzig. Diese Ausbildung bei dem Regisseur Oskar Borchardt mußte er aber 1892 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. DerWeg führte Ogoleit nach Jena, dort arbeitete er in der Frommannschen Buchhandlung. Parallel dazu hörte er Vorlesungen an der Universität und besuchte die bedeutenden Orte der Umgebung, wie etwa Weimar.

In Jena lernte er neben anderen bedeutenden Buchhändlern auch seinen späteren Freund und Partner Johannes Scharf kennen. Beide beschlossen, sich gemeinsam selbständig zu machen, versuchten es zunächst in Halle, Leipzig, Zwickau. 1897 erwarben sie dann die Buchhandlung Fr. Schaeffer & Comp. in der Richtstraße 6 in Landsberg (Warthe). Inzwischen war 1895, kurz vor dem Tod des Vaters, das Ogoleit’sche Gut verkauft worden, so daß in der Familie flüssige Gelder zur Verfügung standen.1899 erwarben Scharf und Ogoleit nach Problemen mit dem Besitzer des Hauses Richstraße 6 das geräumige Nebenhaus Nr. 8, das sie zur Buchhandlung ausbauten. Im Hinterhaus errichteten sie eine ständige Ausstellung von Kunst und Kunstgewerbe. Dem Geschäft wurde eine Leihbücherei angegliedert. Der in Landsberg geborene Viktor Klemperer berichtet in seinen Memoiren, daß es schon vorher einen festen Kreis von Lesern gab, die, nachdem die Bücher die Runde gemacht hatten, die Möglichkeit nutzten, diese zu einem reduzierten Preis zu erwerben.

Wilhelm Ogoleit lebte also als Buchhändler und hoch geachteter Bürger in der Stadt Landsberg (Warthe). Er blieb auch beim Einmarsch der Russen am 31. Januar 1945 und wurde am 31. Oktober 1945 ausgewiesen. Über Berlin, Magdeburg, Weimar gelangte er zusammen mit seiner Schwester und dem Freunde Scharf – dem Vater des späteren Bischofs und Präses der evangelischen Kirche, Kurt Scharf – nach Bethel bei Bielefeld. Hier lebte Ogoleit in bescheidensten Verhältnissen bis zu seinem Tode am 21. Mai 1953. Er nutzte die Zeit, um seine schon im Jahre 1944 begonnenen Tagebücher zu vollenden und auch, um Nachrichten über die verstreuten Landsleute zu sammeln. Der Versuch, eine neue Goethesammlung aufzubauen, konnte nicht gelingen.

Ogoleits eigentlicher Lebensinhalt war die Goethesammlung, die er in seinem Wohnhaus zusammengetragen hatten. Sie entwickelte sich zur zweitgrößten Goethesammlung in Privatbesitz in Europa (neben der von Prof. Anton Kippenberg). Die Neigung zum Theater und zu Büchern war eine ideale Basis für eine Sammlung, die Erinnerungen an Goethe und seine Zeit umfaßte. Den Beginn bildeten möglicherweise zwei Medaillen, die Ogoleit in Weimar, bei einer Reise zu den Feiern von Goethes 150. Geburtstag am 28.8.1899, erwarb.

Die Sammlung umfaßte schließlich 8 800 Nummern. Bilder (Ölgemälde, Radierungen, Stiche) bildeten einen Schwerpunkt, einen weiteren die Literatur: Originalhandschriften, historisches und modernes Schrifttum, so z.B. Goethes Werke in besonders schönen Ausgaben. Die umfangreiche Medaillensammlung umfaßte fast 1000 Stücke, von denen allein 300 aus Goethes eigener Sammlung stammten. Hinzu kamen Plastiken, Gegenstände aus Goethes privatem Besitz, wie z.B. Goethes Puppentheater, Möbel aus dem Erbe der Ottilie von Goethe. Die Objekte bezogen sich nicht nur auf Goethe selbst, sondern auch auf seine Zeit und die Menschen, mit denen er in Berührung gekommen war: Schiller, Herder, die Herzogsfamilie, Freunde, Schauspieler.

Besonders bedeutsam wurde für die Sammlung die Verbindung Ogoleits zu Professor Karl Bauer, München (1868-1942), dessen Radierungen bedeutender Persönlichkeiten Ogoleit besaß. Bauer war, wie Ogoleit, ein großer Verehrer Geothes; er stellte ihn auf zahlreichen Radierungen dar. Außerdem malte Bauer auf Ogoleits Veranlassung die Ölgemälde „Jugendlicher Goethe“ und „Goethe im Alter“, die in Ogoleits Sammlung eingingen.

Bemerkenswert war, daß Wilhelm Ogoleits Sammlung kein Museum war, sondern daß er seit seinem 1908 erfolgten Einzug in die Wohnung im 1. Stock des Hauses Richtstraße 8 in ihr lebte. Die Wände der acht Räume waren voll von Bildern; in Schränken und Vitrinen war die Sammlung ausgestellt. Ogoleit empfing hier Gäste, veranstaltete Führungen, rezitierte vor Publikum aus Goethes Werken. „Alte Landsberger erinnern sich an das einzigartige Museum im Brennpunkt Landsbergs, das Wilhelm Ogoleit in seiner Wohnung in der Richtstraße, Ecke Friedrichstraße, geschaffen hatte. Die an wertvollstem Erinnerungsgut an Goethe und den Kreis derer, die ihm zu Lebzeiten nahestanden, reiche Sammlung hatte weit über die märkischen Grenzen hin einen bedeutenden Ruf. So geschah es nicht selten, daß auswärtige Experten auf dem Gebiet der Goetheforschung sich brieflich oder persönlich an Ogoleit wandten, um sein Urteil oder eine Auskunft von ihm zu erbitten (vgl. W. Heidenreich).

1933 wurde Ogoleit für seine Verdienste um die Goetheforschung vom Reichspräsidenten Hindenburg die Goethe-Medaille verliehen.

Ogoleit beabsichtigte, seine Sammlung der Stadt Straßburg zu übergeben, wo sie in dem Haus, in dem Goethe gelebt hatte, ausgestellt werden sollte. Ein im Museum für Landsberg (Warthe) und die Neumark aufbewahrter Brief Ogoleits vom Oktober 1942 belegt diesen Plan. Leider wünschte Ogoleit aber, die Sammlung bis zu seinem Lebensende in Landsberg zu behalten, so daß sie sich beim Einmarsch der Russen noch an ihrem Platze befand. Nur der wertvollste Teil war im Tresor der Sparkasse gesichert. Nach der Besetzung Landsbergs durch die sowjetische Armee am 31. Januar 1945 wurde die Sammlung geplündert, im Juli auch das Haus Richtstraße 8 durch Brandstiftung zerstört. Inzwischen hatten aber Mitarbeiter der polnischen Verwaltung (seit dem 28.3.1945) einen Teil der Sammlung sichergestellt. Bei seiner Vertreibung im Oktober 1945 konnte Ogoleit nur das kleine Goethe-Gästebuch und eine Medaille in der Manteltasche mitnehmen. Der Schwerpunkt der Sammlung, bestehend aus den in Gorzów geretteten und wieder zusammengetragenen Einzelteilen, befindet sich heute im „Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta“ in Gorzów Wlkp.Ogoleits Erbe, Präses Dr. Kurt Scharf, verfügte in seinem Testament, daß die Sammlung an dem Ort verbleiben solle, an dem sie entstanden sei. Sie wurde inzwischen restauriert und ausgestellt.

Lit.: Willy Heidenreich: Die Goethe-Sammlung von Wilhelm Ogoleit, in: Hans Beske/Ernst Handke: Landsberg an der Warthe 1247-1945- 1978. Kultur und Gesellschaft im Spiegel der Jahrhunderte. Bielefeld 1978. – Kurt Scharf: Brücken und Breschen. Hrsg. von Kurt Zimmermann, Berlin 1977. – Swiat Goethego i Schillera w zbiorach Willhelma Ogoleita 1869-1953 (Welt von Goethe und Schiller in der Sammlung von Wilhelm Ogoleit), Ausstellungskatalog, Muzeum Lubuskie, Gorzów Wlkp 2000.

Bild: Museum für Landsberg (Warthe) und die Neumark, Herford.

Ursula Hasse-Dresing