Biographie

Ohnsorge, Paul

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler
* 26. Oktober 1915 in Sagan
† 13. September 1975 in Hambühren bei Celle

Im Geburtsjahr von Paul Ohnsorge wurde sein Vater, er war Oberlokomotivführer, von Breslau nach Sagan versetzt. Paul war das zweite von vier Kindern.

Schon zur Schulzeit wurde seine künstlerische Begabung erkannt und gefördert. 1928 durfte er sich bei der Jubiläumskunst­ausstellung zum 300-jäh­rigen Bestehen des Herzog-Fried­land-Gymnasiums Sagan beteiligen und wurde daraufhin für seine besonderen Leistungen ausgezeichnet. 1934 bis 1938 stu­dierte er an der Hochschule der bildenden Künste in Berlin bei Gerhard Ulrich und Ferdinand Spiegel. Es folgten 1936 erste Malerreisen an die Nordsee und nach Italien sowie 1937 nach Frankreich. 1938 wurde er zum Wehrdienst und 1939 zum Kriegs­dienst eingezogen, nach Polen, Dänemark und Norwegen. Seine Beziehungen zur Akademie konnte er aufrechterhalten und so hatte er in Urlaubszeiten ein Atelier in der Berliner Akademie zur Verfügung, auch beteiligte er sich 1941 bis 1943 an deren Ausstellungen.

Am 8. Mai 1945 kam er in der Tschechoslowakei in russische Gefangenschaft, aus der er erst 1949 entlassen wurde. Seine Frau Ruth, die er in Sagan kennen gelernt und 1943 geheiratet hatte, lebte in Berlin und war berufstätig. Dadurch konnte er sich wieder dem künstlerischen Bestreben widmen und bald Anschluss an die Berliner Kunstszene finden.

Zunächst schilderte Ohnsorge das zerstörte Berlin, doch alsbald wurde der Mensch auf der Bühne des Lebens zum wesentlichen Thema. Eine Orientierung in der Kontroverse zwischen gegenständlicher und ungegenständlicher Kunst für sein Schaffen zu finden, gelang ihm durch Künstler, welche ihm schon vor dem Krieg bekannt gewesen waren, wie Carl Hofer, Werner Heldt und Werner Gilles, aber auch durch die Kollegen der Künstlergemeinschaft „Der Ring“, welche er 1951 u.a. mit Hannah Höch, Peter Fischer und Karl Rössing mitbegründete. Er fasste im Berliner Kunstleben schnell Fuß und bereits 1950 konnte er an Ausstellungen teilnehmen und 1951 wurde er zur Großen Kunstausstellung in München eingeladen.

Seit 1952 wurde er in Berlin auch für Kunst am Bau beauftragt, mit Betonreliefs, Sgraffittos, Wandbildern und Stukkaturen, was für ihn eine wichtige Einnahmequelle bedeutete. „Als er es später nicht mehr nötig hat, aus wirtschaftlichen Gründen ‚Kunst am Bau‘ auszuführen, überlässt er diese Arbeit den Kollegen, die darauf angewiesen sind.“ (Homann S. 17).

Eine stärkere Affinität zur französischen Moderne à la Pablo Picasso und Georges Braque hatte für sein Werk Bedeutung gewonnen. Hafenszenen, Gartenbilder, Stilleben, Landschaften, und Clownerien sind häufige Themen, später auch Reisebilder. 1959 reiste er erstmals nach Portugal und Nordafrika. Das Licht des Südens hellte seine Palette auf und ließ sein Schaffen an Leuchtkraft gewinnen.

Öl, Aquarell und Gouache, später auch Tempera, waren die favorisierten Mittel seiner Kunst. Differenzierte Lichtwirkungen in Verschattung und aus der Farbe heraus, oftmals als vertikale Streifen oder Spiegelungen sind auszumachen. Von Bedeutung ist das Rhythmische, sei es vom Motivischen mit Darstellungen von Gerüsten, Gittern, Pfählen, Kranen, Fahnenstangen, von der Anordnung her auch bei der Darstellung von Menschen, als eine Voraussetzung der Beziehung, sowohl im Gemeinsamen, als auch im Trennenden, im Sprechenden und Verstummenden. Er bediente sich häufig kubistischer Formeln und er hat oft geometrische Lineaments aufgespannt, an welchen er Figuratives ausbalan­cieren ließ, woraus sich längliche Formate ergaben. Sein späteres Schaffen bewegte sich zum Ungegenständlichen hin, in einer gerundeteren Formen­sprache, strenge Strukturierung aufgebend, das Rhythmische aus dem Sta­tischen heraus in schwingende Bewegung versetzend. Größere Formate bevorzugte er bei den Ölbildern, die zunehmend von einer lebensfrohen Aus­strahlung sind, aber doch auch immer chiffrierend Geheimnisvolles bergen.

Bedeutsam wurde das druckgraphische Œuvre (Linolschnitt, Radierung, Sieb­druck), welches zum Teil bei der Hamburger Griffelkunst erschien. Ein weite­res Arbeitsgebiet waren vor allem Fenster und Ausstattungen für Kirchen, u.a. in der Herz-Jesu-Kirche Berlin-Tegel (Tabernakel), in Maria Frieden Marien­dorf, in der Dorfkirche Berlin-Tempelhof, in Mater Dolorosa Berlin-Lank­witz. Seine Bekanntheit als Glasmaler führte auch zu Aufträgen außerhalb Berlins.

Seit Ende der 1960er Jahre konnte er auf Ausstellungsbeteiligungen verzichten. Zwar blieb sein Hauptwohnsitz Berlin, doch erfolgte 1968 der Umzug in ein neu gebautes Haus mit geräumigen Arbeitsräumen in Hambühren bei Celle. Unter der Arbeit für eine Ausstattung des Altarraums und die Glasfenster für St. Richard in Neukölln – er hatte sich vorgenommen, dann keine derartigen Aufträge mehr zu übernehmen – ist er plötzlich kurz vor seinem 60. Geburtstag verstorben. Die Kulmination eines Alterswerks war ihm nicht beschieden.

Sein Schaffen aus der Zeit vor 1945 ist im alliierten Bombenhagel auf Berlin untergegangen und bei der Vertreibung seiner Eltern aus Sagan zurückgelassen worden. So haben sich nur wenige Vorkriegsarbeiten erhalten, wie das Aquarell Sagan vom Bismarckturm (um 1935) oder eine Straßenszene Trient von 1936. Weiterer größerer Werkverlust war dann noch nach seinem Tod durch einen Wasserschaden zu beklagen.

Paul Ohnsorge war zeitweise Mitorganisator bei den Ausstellungen „Der Ring“ und der Großen Berliner Kunstausstellung. 1961 wurde ihm von Willy Brandt bei der Eröffnungsveranstaltung der Großen Berliner Kunstausstellung der Große Preis verliehen. Er war Mitglied der Künstlergilde Esslingen, an deren Ausstellungen er sich öfter beteiligt hatte, auch bei der großen Ausstellung „Zeitgenössische Kunst des deutschen Os­tens“ in Göttingen 1954 sowie 1960 in Düsseldorf und Ludwigshafen. Ebenso waren seine Werke zwischen 1951 und 1965 auf der Großen Kunstausstellung München sowie 1954 bei der bedeutsamen Ausstellung des Deutschen Künstlerbunds in Frankfurt/M. vertreten. Ein großes Ereignis war die Ausstellung „aufbruch zur modernen kunst“ 1958 zur 800jahrfeier Münchens, die von dem schlesischen Kunst­historiker Siegfried Wichmann kuratiert wurde. Ohnsorge war mit zwei Werken in der Sektion der Münchner Secession vertreten. Drei Werke waren bei der repräsentativen Ausstellung „Schlesische Malerei vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart“ im Kunstamt Schöneberg 1964 zu sehen. Wiedergaben seiner Werke fanden sich in mehreren Zeitschriften wie Von Atelier zu Atelier, Die Kunst und das Schöne Heim, Weltkunst.

Das zu Lebzeiten erfolgreiche Schaffen von Paul Ohnsorge fand nach seinem Tod kaum mehr Beachtung. Nur in wenigen Sammlungen war er präsent. Seit der ver­dienstvollen Retrospektive im Albert-Königs-Museum Unterlüß im Jahre 2004, zu welcher ein informativer Katalog erschien, ist wieder eine zuneh­mende Wertschätzung auszumachen, die durch Internet-Präsenz, aber auch bei Auktio­nen zu bemerken ist. Paul Ohn­sorge hat ein wesentliches Werk geschaffen, als ein Repräsentant der Berliner Kunstszene und der modernen Kunst in Deutsch­land der 1950er und 1960er Jahre.

Mit seiner Herkunft bestätigte er nochmals im 3. Viertel des 20. Jahrhunderts den nicht unerheblichen schöpferischen Beitrag Schlesiens für Berlin, jene Stadt, von der gesagt wurde, jeder zweite Berliner stamme aus Schlesien.

Lit.: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, hrsg. von Hans Vollmer, Leipzig 1953, Bd. 6 (Nachtrag), S. 315. – Im Text genannte Kunstkataloge. – Klaus Homann, Paul Ohnsorge – Leben und Werk. 38. Veröffentlichung Albert-König-Museum, Unterlüß 2004. – Helmut Scheunchen, Zu Leben und Werk des Malers Paul Ohnsorge, in: Schlesischer Kulturspiegel, 43. Jg. 2008, H. 1, S. 1f.

Bild: 1950er Jahre, aus K. Homann s.a.O.

Helmut Scheunchen, 2017