Biographie

Oldenburg-Januschau, Elard von

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Kammerherr und Politiker
* 20. März 1855 in Beisleiden/Ostpr.
† 15. August 1937 in Marienwerder/Westpr.

Elard von Oldenburg-Januschau, der „alte Januschauer“, war zu seiner Zeit ein bekannter Politiker, der als sehr konservativ eingeschätzt wurde. Politisch aktiv war er in der Zeit der Monarchie vor dem Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik.

Am 30. Juni 1933 ritt der Achtundsiebzigjährige – Mitglied des Reichstages war er unmittelbar vor Ausbruch des „Tausendjährigen Reiches“ zuletzt noch einmal von 1930 bis 1933 gewesen – von seinem Gut Januschau im damaligen Ostpreußen nach dem benachbarten Neudeck zu seinem alten Freund, dem Reichspräsidenten von Hindenburg und offenbarte und erläuterte ihm die Ereignisse, die soeben in Berlin passiert waren, initiiert durch den neuen Reichskanzler, die „politische Primadonna“, wie er Hitler stets nannte.

Auf Befehl Hitlers waren ja soeben nicht nur Röhm und General von Schleicher umgebracht worden, auch der Vizekanzler, Franz von Papen, sollte liquidiert werden. Sein Büro in Berlin war allerdings nicht besetzt, als es von der SS gestürmt wurde. Papen war abwesend, dafür aber wurde der Oberregierungsrat von Bose erschossen. Wenigen gelang die Flucht während des Chaos, darunter war Wilhelm von Ketteler, der Elard von Oldenburg in Ostpreußen benachrichtigen konnte. Jener war einer der wenigen, der den greisen Reichspräsidenten, der abgeschirmt auf seinem Gut Neudeck weilte, noch erreichen konnte. Es gelang Oldenburg, zum Reichspräsidenten zu kommen. Nach dem Gespräch mit Hindenburg konnten noch einige der Verhafteten auf – in Berlin noch befolgten – Befehl des alten Reichspräsidenten wieder frei gelassen und damit gerettet werden.

Aber grundsätzliches Politisches konnte schon nicht mehr geändert werden; die nationalsozialistische Maschinerie, vor der Oldenburg, wie etwa auch der Konservative Ewald von Kleist-Schmenzin, von Beginn an geradezu hellseherisch und eindringlichst immer wieder die Öffentlichkeit und die maßgeblichen Politiker gewarnt haben, rollte unaufhaltsam.

Elard von Olderburg-Januschau war 1855 geboren worden und schließlich Besitzer des ererbten Gutes Januschau in Westpreußen, das nach der für Deutschland positiven Abstimmung 1919 zu Ostpreußen geschlagen wurde. Als Vertreter der ostelbischen Grundbesitzer und als Konservativer, Deutschnationaler und Mitglied des Reichstags war er zunächst von 1902 bis 1912, dann von 1930 bis 1933 politisch tätig.

Nach mehreren Jahren als aktiver Offizier in Potsdam, zwischenzeitlich kommunalpolitischer Arbeit und nachdem er auch Kammerherr geworden war, bewirtschaftete er seinen Besitz Januschau und lebte dort, wie es in der Presse hieß, zurückgezogen. So schrieb auch ironisch die Lokalpresse: „Dem Kammerherrn ist nun Wohl, er baut zu Hause seinen Kohl“.

Oldenburgs im Reichstag gehaltene Reden waren in ganz Deutschland berühmt berüchtigt, so etwa seine dort geäußerte Auffassung, daß der König von Preußen und deutsche Kaiser jeden Moment imstande sein müsse, zu einem Leutnant zu sagen: „Nehmen sie zehn Mann und schließen sie den Reichstag!“ Das trug ihm natürlich den Ruf ein, gleichsam die Inkarnation des militärischen und militaristischen Preußen zu sein. Daß seine Reichstagsrede in Deutschland mit großer Entrüstung aufgenommen wurde, scherte ihn wenig, gleichfalls das breite Missfallen, auf das seine den Kaiser verteidigende Rede im Reichstag als loyaler Monarchist bei der Presse stieß – nachdem Kaiser Wilhelm II. sich in nicht sehr geschickter Weise in Bezug auf den Feldzug der Engländer gegen die Buren geäußert hatte.

Oldenburg war aber alles andere als politisch blind. Er selbst berichtete Fabian von Schlabrendorff von einem Hoffest vor 1914 in Berlin. Ein Bekannter Oldenburgs, es war der seinerzeit namhafte Politiker Kreth, habe damals geäußert: „Wenn Sie das hier sehen, so ist eines sicher. Es wird nicht lange dauern, unsern Kaiser holt der Teufel.“ Oldenburg antwortete. „Das wäre ja nicht so schade, aber schade ist eines. Der Teufel holt das ganze deutsche Volk mit.“ Monarchistische Loyalität gegenüber dem deutschen Kaiser und preußischen König schloß eben politischen Durchblick, der sich auch sarkastisch äußern konnte, nicht aus.

Oldenburg warnte nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, als Hindenburg Reichspräsident geworden war, diesen immer wieder vor Hitler und vor dem politischen Aufstieg der Nationalsozialisten. Doch Hindenburg fügte sich schließlich den politischen Forderungen vieler anderer Politiker und votierte doch für Hitler. Oldenburg meinte, er habe sich den Stimmen von Beratern gefügt, die auf die Mängel der Weimarer Verfassung verwiesen hätten und glaubten, man müsse unbedingt den Führer der stärksten Partei zum Reichskanzler wählen. Oldenburg hat dazu geäußert: „Die Weimarer Republik will sich selbst vernichten, sie treibt den demokratischen Gedanken auf die Spitze und wird dadurch den Mann zum Reichskanzler machen, der die Weimarer Republik aufhebt.“ Das war ein politischer Volltreffer, wie sich ja bald herausstellen sollte.

In seinem Buch „Begegnungen in fünf Jahrzehnten“ berichtet der Jurist und langjährige Richter am Bundesverfassungsgericht in der Bundesrepublik Deutschland, Fabian von Schlabrendorff, noch eine Geschichte vom alten „Januschauer“, die auch heute nicht an Aktualität eingebüßt hat: „Noch einmal hat der Januschauer als Reichstagsabgeordneter im Jahre 1930 das Wort ergriffen. Es ging damals um einen Erlaß des Reichswehrministers, durch den dieser jedem Soldaten eine Uhr versprochen hatte, wenn dieser in der Lage war, einen Kameraden als Verfassungsgegner anzuzeigen. Der Januschauer griff diesen Erlaß öffentlich an und meinte im Hinblick auf seine frühere Dienstzeit bei den 2. Garde-Ulanen: Wer ihm (einem Soldaten) aber für diese Meldung eine Uhr angeboten hätte … ich sage, kein einziger ist unter ihnen gewesen, der die Uhr dem Betreffenden nicht vor die Füße geworfen hätte.“

Freilich war Elard von Oldenburg-Januschau, wie jeder andere auch, ein „Kind seiner Zeit“, aber er war eben eine Persönlichkeit, wie nicht jeder andere, dessen Klugheit, Mut, Welt- und Menschenkenntnis zeitlos waren.

Oldenburg war der Auffassung, daß, wenn es auf der Erde zu einem schweren politischen Konflikt komme, derjenige siege, der über die Macht verfüge – und von ihr Gebrauch mache. Mit dieser nüchternen Erkenntnis befand sich Oldenburg durchaus in einer geistigen Tradition des „Newton der Politik“, des nüchternen Analytikers Machiavelli, oder auch eines so scharfen politischen Analytikers wie Toqueville, der in den 1840er Jahren die Auffassung vertrat, daß die Menschen in Demokratien freiwillig auf Freiheit verzichten werden um ihrer sozialen Sicherheit willen.