Biographie

Ossowski, Leonie

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schriftstellerin
* 15. August 1925 in Ober-Röhrsddorf/ Niederschlesien
† 4. Februar 2019 in Berlin

Leonie Ossowski war Autorin zahlreicher Erfolgsromane und Drehbücher. In all ihren Romanen machte sie auf soziale und gesellschaftliche Themen in Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam. Sie wollte ihre Leser nicht nur unterhalten, sondern zum Nachdenken bringen.

Als Tochter eines ehemaligen Gutsbesitzers, die eigentlich Jolanthe von Brandenstein hieß, wurde Leonie Ossowski am 15. August 1925 im niederschlesischen Ober-Röhrsdorf, welches im heutigen Polen liegt, geboren. (Es gibt in Niederschlesien drei Ortschaften mit der Bezeichnung Röhrsdorf.) 1945 musste ihre Familie das Gut in Röhrsdorf (heute Osowa Sień) nach mehr als 700 Jahren aufgeben. Bei der Flucht aus dem Lebuser Land war die 19-jährige Jolanthe, die dann als Schriftstellerin ein Pseudo­nym annahm, mit dem ersten von sieben Kindern schwanger. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie nach Thüringen vertrieben und floh später von dort nach Oberschwaben. Wie so viele Mitmenschen erfuhr sie durch den Krieg das Leid schon in jungen Jahren. Selbst sagte sie einmal: „Plötzlich stand ich selbst auf der anderen Seite des Lebens, da schaut man die Dinge anders an.“

Ossowski verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Fabrikarbei­terin, Sprechstundenhilfe eines Landarztes, als Fotolaborantin und Verkäuferin. Nebenbei schrieb sie Kurzgeschichten. Jahrelang war sie Sozialarbeiterin und Bewährungshelferin gewesen, leitete eine Jugendgruppe im Gefängnis und gründete in den 1970er Jahren in Mannheim das legendäre Jugendzentrum „Die Kippe“.

Anfang der 1950er Jahre bekam Ossowski von der DDR-Film­gesellschaft DEFA Aufträge für Filmdrehbücher. Dabei ent­stand auch eines ihrer bekanntesten Werke: Stern ohne Himmel (1956) über die letzten Kriegstage im Internat einer mitteldeutschen Kleinstadt. Das Stück wurde jedoch letztlich nicht verfilmt, sondern kam als Roman auf den Markt. Als Mutter von sieben Kindern schrieb sie zahlreiche Romane, Stücke, Dreh- und Jugendbücher, ihre Veröffentlichungen waren alle aus dem wirklichen Leben gegriffen, zeitlebens hat sie sich auf die Seite der Schwachen gestellt, in ihren Romanen von Obdachlosen und Heimkindern, misshandelten Frauen und Zwangsarbeiterinnen.

Das soziale Engagement war ihr besonders wichtig. Sie selbst betonte: „Ich habe Unterhaltungsliteratur geschrieben, aber meine Texte gehören nicht zu den Verdummungsromanen“. Besonders wichtig war ihr deswegen auch ihre mehrfach ausgezeichnete Schlesien-Trilogie, die nach einem Besuch in ihrem schlesischen Geburts- und Heimatort Röhrsdorf entstand. In der dreiteiligen Veröffentlichung Weichselkirschen (1976), Wolfs­beeren (1987) und Holunderzeit (1991) schildert sie die dortige Kriegs- und Nachkriegsgeschichte mit viel Empathie für die polnische Seite, was ihr große und heftige Kritik der Vertriebenen-Verbände einbrachte. Zwei Jahre zuvor hatte sie sich zur Recherche in ihren Geburtsort aufgemacht, als es noch kaum Heimwehtouristen gab. Wie ihre Hauptfigur Anna wandelte sie sich dabei von der misstrauisch beäugten ehema­ligen Schlossbesitzerin zu einer gern gesehenen Freundin, die Heimat nicht als Besitz betrachtet. Ein Bestseller wurde der einfühlsame Jugendroman Die große Flatter, der 1979 mit Richy Müller als preisgekrönter Dreiteiler im Fernsehen zu sehen war. Seit 1980 lebte sie in Berlin in einer Altersresidenz, hielt sich mit Yoga, Gymnastik und Hometrainer fit. Mit ihren Texten habe sie immer etwas bewegen wollen. „Sie sollten spannend sein, aber – etwas altmodisch ausgedrückt – auch aufklärerisch.“ „Mein größter Wunsch wäre, dass unsere Gesellschaft nicht nur Geld und Kapital in den Vordergrund stellt, sondern vor allem die Menschen“, hatte Leonie Ossowski mal in einem Gespräch gesagt. „Meine Kinder und ich werden das wohl nicht mehr erleben, aber vielleicht meine Enkel und Urenkel.“

„Leider bin ich fast blind und kann nicht mehr schreiben und lesen, das fehlt mir sehr“, hatte die Autorin der Deutschen Pres­se-Agentur noch zu ihrem 90. Geburtstag gesagt. Ausgezeichnet unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis (1980), dem Schiller-Preis der Stadt Mannheim (1982), der Hermann-Kesten-Medaille des PEN-Zentrums (2006) und dem Andreas-Gryphius-Preis (2014) hat sie sich mit ihren Romanen als „Dichterin der Menschlichkeit“ einen Namen gemacht. Trotz Kritik der Vertriebenenverbände wurde sie 1981 mit Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen für ihr Werk Weichselkirschen ausgezeichnet.

Leonie Ossowski wurde auf Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin neben Otto-Leo von Tiedemann (1906-1989) beigesetzt. Möge sie mit ihren Veröffentlichungen der Menschheit in Erinnerung bleiben.

Weblink: https://de.wikipedia.org/wiki/Leonie_Ossowski

Bild: Cover Leonie Ossowski, Mein Lesebuch, Fischer-Taschenbuch 1986.

Michael Ferber