Biographie

Otte, Waldemar

Vorschaubild
Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Domkapitular, Politiker, Publizist
* 29. Dezember 1879 in Leuber, Kr. Neustadt/Oberschlesien
† 9. Juli 1940 in Breslau

Als Sohn eines Tischlermeisters geboren, besuchte er die Volksschule und dann das Gymnasium in Neustadt, an dem er 1898 die Reifeprüfung ablegte. Es folgten das Studium der Philosophie, Theologie und Staatswissenschaften an der Universität Breslau, 1902 die Priesterweihe und 1903 die Promotion zum Dr. theol. aufgrund einer historischen Arbeit. Von 1907 bis 1917 wirkte er als Pfarrer in Greiffenberg, Kr. Löwenberg, wo er 1910 die Zentrumszeitung „Der Greif“ gründete und deren Schriftleitung übernahm. Der Priester wurde nun auch Journalist und Publizist, zeigte seine organisatorischen Talente und übernahm 1917 die seit dem Vorjahr nebenbei ausgeübte Funktion des schlesischen Landessekretärs des Volksvereins für das katholische Deutschland hauptamtlich. 1918 übernahm Otte für einige Monate die Schriftleitung des „Katholischen Sonntagsblattes für die Diöcese Breslau“, was den Bekanntheitsgrad des Breslauer Dombenefiziaten vergrößerte und seiner Kandidatur bei der am 19. Januar 1919 durchgeführten Wahl der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung nützte. Das vom Zentrum kaum Erhoffte gelang: Mit dem als beliebter Redner von Ort zu Ort eilenden Otte konnte erstmals ein Mitglied der Partei im Wahlkreis Liegnitz in die parlamentarische Vertretung des Deutschen Reiches einziehen, in der er allerdings nicht hervortrat. Als Lebensziel gab der damals Neununddreißigjährige an: „Christliche Wahrheit, wahre Freiheit, freies Recht im demokratischen Deutschland, heute und immerdar.“ In Übereinstimmung mit dem von ihm als politisches Arbeitsgebiet genannten Bereich Presse und Organisation schrieb er Broschüren, Aufsätze und Artikel über die politische Lage und die Entwicklung in der Zeit des Umbruches und des Neuanfanges, die aus dem Boden seiner christ-katholischen und nationalen Einstellung erwuchsen und dem Akzeptieren des Weimarer Staates dienen sollten.

Bemerkenswert für Ottes Haltung zu nationalen Fragen ist, daß er im Mai 1919 in der Breslauer Protestversammlung eine Rede gegen die Abtrennung Oberschlesiens von Deutschland hielt, in der er die prophetischen Worte sprach: „Ein Friede aber, wie ihn heute unsere Feinde planen, trägt den Keim neuer Kriege offensichtlich in sich.“ Otte war beides: katholischer Christ und deutscher Patriot. Im Jahre 1919 wurde Otte Direktor und Hauptschriftleiter der „Neisser Zeitung“, 1921 übernahm er die Leitung der Berglandgesellschaft für Volksbildung in Schweidnitz und das Amt des Hauptschriftleiters der von ihr herausgegebenen „Mittelschlesischen Zeitung“, 1924 übertrug ihm Kardinal Adolf Bertram die Pfarrei Liegnitz, und 1928 ernannte er ihn zum Ehrendomherrn der Breslauer Kathedralkirche. Im selben Jahre übernahm der Vielbeschäftigte die Leitung der Monatsschrift „Die Seelsorge“, eines auf die Seelsorgspraxis hin ausgerichteten schätzenswerten Organs, 1930 wurde er Erzpriester.

Otte gehörte zur Führungselite des Breslauer Bistumsklerus, besaß das Vertrauen seines Bischofs und wurde 1931 als residierender Domherr in das Metropolitankapitel zu Breslau berufen, dann auch um Domprediger ernannt und als General-Vikariats-Rat angestellt. Außer den kirchlichen Verpflichtungen hatte er sich auch politischen zu widmen, war er doch 1930 zum Bevollmächtigten der Provinz Niederschlesien im Reichsrat und im März 1931 als Nachfolger von Geheimrat Dr. Felix Porsch zum Vorsitzenden der Niederschlesischen Zentrumspartei gewählt worden. Als die politische Lage in Deutschland immer unstabiler wurde, kandidierte er im Wahlkreis Breslau als Spitzenkandidat des Zentrums und zog 1932 in den Preußischen Landtag ein, wo er den Ausschüssen für die Verkehrsinteressen und für Verfassungsfragen angehörte. Er gehörte auch dem im März 1933 gewählten Landtag an, mußte dann aber im Zeichen der unter starkem Druck vollzogenen Selbstauflösung des Zentrums und der von den  Nationalsozialisten erzwungenen Gleichschaltung aus der Politik ausscheiden, in der er sich noch 1933 als mutig gegenüber den neuen Machthabern erwies. Ihm war es auch zu verdanken, daß die Breslauer Ursulinen von ihrer anfänglichen positiven Bewertung des Umbruches abwichen. An Ämtern und Arbeit fehlte es auch jetzt nicht. Im Frühjahr 1938 war Otte residierender Domherr, General-Vikariats-Rat, Domprediger, Diözesan-Exerzitiendirektor, Diözesanpräses des Verbandes katholischer kaufmännischer Vereinigungen (K.K.V.), Vizekurator der Grauen Schwestern von der hl. Elisabeth, Synodal-Examinator und Schriftleiter des „Schlesischen Bonifatiusvereins-Blattes“. Das war anscheinend auch für einen so begabten, dynamischen und einsatzbereiten Mann wie ihn zu viel. Am 9. Juli 1940 beendete ein Herzschlag sein Leben. Drei Tage später erfolgte unter überaus großer Beteiligung von Klerus und Laien die Beerdigung. Domdechant Dr. Piontek zelebrierte im Dom das Requiem, Kardinal-Erzbischof Bertram hielt die Exequien. Die Beisetzung fand nach dem Wunsch des Verstorbenen nicht in der Domherrengruft, sondern auf dem Laurentiusfriedhof statt. In einem kurzen Nachruf— Otte wünschte keine Leichenrede – hieß es: „Nun ruht der Mann des Volkes mitten unter dem Volke“.

Dr. Waldemar Otte war Politiker, Verleger, Publizist, Journalist, Redner, Vereinssekretär, Organisator und anderes mehr. Vor allem aber blieb er immer Priester, dem Dienst Gottes und der Menschen geweiht. Diesem Berufe und dieser Berufung waren alle anderen von ihm übernommenen Aufgaben zugeordnet.

Werke: (u.a.): Die deutschen Katholiken und die neue Zeit, Breslau 1919. – Das Zentrum in der deutschen Nationalversammlung in Weimar, ebd., 1919. Quellen: Handbücher der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung und des Preußischen Landtages.

Lit.: Roman Reiße, Waldemar Otte zum Gedächtnis, in: Die Seelsorge, 18, 1940, S. 91-93; weitgehend nachgedruckt u. mit Zusätzen von J. Gottschalk versehen in: Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, hg. v. Joseph Gottschalk, Aalen 1967, S. 140-143; Hans-Ludwig Abmeier: Domkapitular Waldemar Otte (1879-1940): Priester, Politiker und Publizist, in: Oberschlesisches Jahrbuch, Bd. 5,1989 (ebd. weitere Lit.).