Biographie

Parler, Wenzel

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Steinmetz, Dombaumeister
* 1. Januar 1357 in Prag
† 26. Juli 1404 in Wien

Wenzel Parler war der zweitälteste Sohn von Peter Parler, dem großen Dombaumeister aus Prag. Wenzel wurde um das Jahr 1357 in Prag geboren. Wie schon der Vater erlernte auch Wenzel zunächst den Beruf des Steinmetzen, den er nach Abschluss seiner Ausbildung seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts ausübte. So erscheint der Name Wazlaw bzw. Wenceslaus ohne weiteren Namenszusatz bereits im Jahre 1377 auf den Rechnungen der Prager Dombauhütte, auf denen er z.T. alleine, teilweise aber auch im Zusammenhang mit seinem jüngeren Bruder Johann erwähnt und entlohnt wird. Zwei aus den Jahren 1384 und 1388 stammende Urkunden beschreiben sowohl seine Tätigkeit als Steinmetz, als lathomus und lapicida, als auch seinen Aufenthalt in Prag. Vier Jahre später wird Wenzel urkundlich letztmalig in Prag genannt, während 1398 an dessen Stelle sein Bruder Johann als Prager Dombaumeister in den Annalen geführt wird.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt scheint Wenzel Prag den Rücken gekehrt zu haben. Man nimmt seine Beteiligung am Bau von St. Salvator in Nördlingen an. Nicht sicher ist die Identität Wenzels mit dem von Neuwirth noch Anfang des 15. Jahrhunderts in Prag nachgewiesenenWenzel zu den Sicheln. Nach Schock-Werner und Kletzl dürfte er aber mit dem gleichnamigen Erbauer und Dombaumeister des Wiener Stephansdomes identisch sein, da es den Gewohnheiten der Bauhütten entsprochen hätte, den Sohn eines dergestalt namhaften Baumeisters wie Peter Parler an die freiwerdende Baumeisterstelle in Wien zu berufen. Tatsächlich tauchte an St. Stephan ab 1400 auch ein Parlier Wenzel als Architekt auf, der im Jahre 1403 zum Dombaumeister ernannt wurde.

Ein vergleichbarer Vorgang ereignete sich wohl auch an der Mailänder Dombauhütte, denn die Gesandtschaft des Giangaleazzo Visconti empfahl einen Baumeister aus Prag in die Heimatstadt Mailand, der offenbar ihre Aufmerksamkeit erweckt hatte. So findet sich in den Annalen der Mailänder Dombauverwaltung am 4. November 1401 der Hinweis darauf, dass ein Ingegnero de Praga danach gefragt werden solle, ob er bereit sei, nach Mailand zu kommen. Allerdings war der entscheidende Bezugsort hierfür offenbar nicht Prag, sondern die Stadt Wien, da hier ein Schreiben ausgestellt wurde, in dem notiert ist, dass maestro Wenceslao einverstanden sei, von Wien nach Mailand zu kommen. Im April des Jahres 1403 erhielt Ingegnere Venceslao in Wien von der Mailänder Dombauverwaltung ein Schreiben, in dem die genannten Verhandlungen erwähnt und dem Wunsch Ausdruck verliehen wurde, dass jener in der nächsten Zeit in Mailand erwartet würde. Dieser Erwartungshaltung kam der Ingegnere aber offensichtlich nicht nach, da lediglich zwei weitere Briefe hinsichtlich des Dombaues vorliegen, nicht jedoch eine konkrete Zusage von der Seite des Dombaumeisters. Die folgenden Briefe des Baumeisters zum Bau des Domes scheinen die Mailänder Dombauverwaltung jedoch mit Skepsis hinsichtlich der beruflichen Fähigkeiten des Architekten erfüllt zu haben, denn sie bat den aus Florenz stammenden BaumeisterNiccolo de Selli um ein Gutachten über Wenceslao. Dieses scheint tatsächlich im März des Jahres 1404 abgegeben worden zu sein, fiel jedoch offenbar nicht sehr positiv aus. Ende Juli des Jahres 1404 ist Meister Wenzel dann in Wien verstorben.

Wenzel wird in den genannten und bekannten Urkunden und Quellen nicht mit dem Namen Parler bezeichnet, auch sind weder Siegel noch Meisterzeichen von ihm überliefert. In diesem Sinne ist die Identität des Wiener und Prager Dombaumeisters nicht eindeutig und restlos geklärt, denn der Name Wenzel taucht in der Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts häufiger im süddeutschen und böhmischen Raum auf. Immerhin spricht bereits die Tatsache, dass der Kirchenmeister Wenzel um 1400 in Wien erscheint, während Wenzel, der Sohn des Baumeisters Peter Parler, lediglich bis in die neunziger Jahre des 14. Jahrhunderts urkundlich als Prager Dombaumeister genannt wird, dafür, dass es sich um die selbe Person handelt. Darüber hinaus weisen sowohl das übereinstimmende Formenvokabular von St. Stephan in Wien und Veitsdom in Prag als auch die bauzeitliche Abfolge der beiden Großprojekte auf eine wahrscheinliche Identität der beiden Architekten hin. Stilistische Parallelen zeigen sich etwa in der Katharinenkapelle in St. Stephan in Wien wie auch dem südlichen Hauptturm in St. Stephan, dessen Formenapparat sich deutlich an das des Prager Südportals anlehnt.

In Anbetracht dieser Überlegungen lässt sich resümieren, dass Wenzel sehr wahrscheinlich am Bau des Prager Veitsdomes sowie am Bau des Stephansdomes in Wien mitgewirkt hat, während eine entsprechende Tätigkeit in Mailand nicht zustande kam. Neben seinem Vater Peter Parler repräsentierte er gleichwohl einen der bedeutendsten Dombaumeister und Bildhauer aus der Parler-Dynastie.

Lit.:Annali della Fabrica del Duomo di Milano dall’origine fino al Presente, Milano 1877. – Walther Buchowiecki, Die Wiener Dombauhütte zwischen 1380-1430. Der Hochturm von St. Stephan in Wien, in: Alte und moderne Kunst LVI-LVII, 1962, S. 4-9. – Ingeborg Dorchenas, Parler, Baumeister- und Bildhauerfamilie, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. VI, 1993, Spalten 1543-1554. – Johannes Jahn, Wörterbuch der Kunst, 1966, S. 519. – O. Kletzl, Zur Identität der Dombaumeister Wenzel Parler von Prag und Wenzel von Wien, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 9, 1934. – Lexikon der Kunst, Bd. IX, 1989, S. 85-91. – J. Neuwirth, Die Wochenrechnungen und der Betrieb des Prager Dombaues in den Jahren 1372-1378, Prag 1890. – J. Neuwirth, Peter Parler von Gmünd, Dombaumeister in Prag und seine Familie, Prag 1891. – Barbara Schock-Werner, Die Parler, in: Anton Legner (Hrsg.), Die Parler und der schöne Stil 1350-1400. Europäische Kunst unter den Luxemburgern. Ein Handbuch zur Ausstellung des Schnütgen-Museums in der Kunsthalle Köln, Köln 1978, S. 7ff. – H. Siebenhüner, Deutsche Künstler am Dom zu Mailand, München 1934. – Wikipedia, die freie Enzyklopädie, Wenzel Parler, 2007.

Bild:Zeichen der FamilieParler auf einem Ulmer Grabstein, Ende 14. Jh.