Biographie

Paul, Johannes

Herkunft: Pommern
Beruf: Historiker
* 12. Mai 1891 in Leipzig
† 31. Mai 1990 in Hamburg

Der Sohn eines Reichsgerichtsrats wurde von seinem evangelischen Elternhaus und später von dem Geist des weltberühmten Thomasgymnasiums seiner Vaterstadt geprägt, an dem er Ostern 1910 die Reifeprüfung bestand. Singen freilich konnte dieser Thomaner nie! Hingegen waren Sprachen seine Stärke, und noch bis zu seinem Tode konnte er eine Rede in Latein aus dem Stegreif halten. So studierte er zunächst Deutsch und Englisch, dann sein Lieblingsfach Geschichte, in München, Uppsala, Edinburg und Leipzig, wo er 1914 bei Erich Brandenburg mit einer Arbeit über Lübeck und die Wasa im 16. Jahrhundert promoviert wurde (Druck 1920). Als Studentenverbindung wählte Paul den national eingestellten „Verein Deutscher Studenten“ (VDSt), und 1917 wurde er Alter Herr des VDSt Leipzig, später auch des VDSt Greifswald, welchen Bünden er unverbrüchlich die Treue hielt! – In Uppsala hatte er bei Harald Hjärne gehört, dem einflußreichsten, bekanntesten und universalsten schwedischen Historiker seiner Zeit. – Schon als Schüler hatte Paul Schweden kennen und lieben gelernt, und 1921 heiratete er in Kalmar Astrid Brundström. Der sehr glücklichen Ehe wurden ein Sohn und eine Tochter geschenkt. Den Ersten Weltkrieg machte Johannes Paul als Kriegsfreiwilliger mit, wurde vor Verdun schwer verwundet, dann Adjutant des deutschen Militärbevollmächtigten in Schweden, und schließlich verteidigte er sein bedrohtes Vaterland als Freikorpskämpfer. – 1919, als Zivilist, legte er in Leipzig das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab, und schon nach nur zwei Jahren Schuldienst habilitierte er sich in Greifswald 1921 mit einer Schrift über den Unternehmer Engelbreckt Engelbrecktson und das Ende der Kalmarer Union. Am 1. April desselben Jahres wurde Paul Assistent am neugegründeten Nordischen Insitut der Greifswalder Alma Mater. – Dissertation und Habilitationsschrift zeigten, wohin des jungen Gelehrten Weg gehen sollte: hin zur nordischen Geschichte und zu der des Ostseeraums. In Greifswald erhielt er dann auch einen Lehrauftrag zur Geschichte Skandinaviens, und wurde er dort beamteter Extraordinarius. 1930 folgte er einem Ruf auf eine ordentliche Professur an die deutschsprachige Universität Riga (Herder-Institut). 1933 kehrte er nach Greifswald zurück und gründete in demselben Jahr dort das Schwedische Institut. 1934 wurde er geschäftsführender Direktor der fünf Nordischen Auslands-Institute der Universität Greifswald und 1935 als Nachfolger des umstrittenen Hans Glagau Ordinarius für Mittlere und Neuere Geschichte auf dem Lehrstuhl, den einst Ernst Moritz Arndt innehatte, dessen Biograph Paul noch werden sollte. Zuvor war er schon 1932 am 300. Jahrestag der Schlachten bei Breitenfeld und Lützen Ehrendoktor der Ev. Theologischen Fakultät der Universität Greifswald geworden. In den Jahren 1927 bis 1932 war seine dreibändige monumentale Biographie über Gustav II. Adolf von Schweden erschienen. (Eine gekürzte, einbändige Ausgabe erschien Göttingen 1964.) Daneben veröffentlichte er Arbeiten zur Geschichte der Reformation und der Gegenreformation (1931/1932). Seit 1934 gab er u.a. das Periodicum Pommern einst und jetzt heraus.

Johannes Paul machte den Zweiten Weltkrieg wiederum als Soldat mit und geriet noch am 5. Mai 1945 auf der Insel Rügen in die Gefangenschaft der Sowjets, die zehn lange Jahre dauern und ihn in die schrecklichen Lager Sibiriens führen sollte. Im dortigen Grauen bewies sich seine charakterliche Stärke, und der unerschütterliche christliche Glaube ließ ihn nicht zugrunde gehen. Mit einem schweren Augenleiden behaftet, das zum Glück geheilt werden konnte, kehrte Johannes Paul 1955 in die Heimat zurück und erhielt, kurz vor seiner Emeritierung, eine Professur an der Universität Hamburg. Wie selbstverständlich aber hielt er seine Lehrtätigkeit auch nach seiner Entpflichtung noch für viele Jahre aufrecht, wobei er sich neben dem europäischen Norden insbesondere seiner Wahlheimat Pommern verpflichtet wußte. Johannes Paul wurden aufgrund seines langen und überaus reichen Gelehrtenlebens viele Ehrungen zuteil. Er war Träger der goldenen Ehrennadel der Pommerschen Landsmannschaft, seit 1973 Träger ihres Kulturpreises, und 1978 wurde er mit der Großen Ernst-Moritz-Arndt-Medaille ausgezeichnet. „Leben heißt dienen“ war ein Wahlspruch dieses vorbildlichen Mannes und Gelehrten. Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein, Wahrheitsstreben, Gerechtigkeitssinn und Vaterlandsliebe zeichneten Johannes Pauls Leben aus. Dabei war er immer ein ungewöhnlich heiterer und fröhlicher Mensch, voller Witz und Humor; er war stets zu Scherzworten, ja zu Streichen aufgelegt. Noch als 95jähriger lief er in Hamburg auf der zugefrorenen Alster Schlittschuh, auch der Rollstuhl konnte ihm seine Heiterkeit nicht nehmen, weil er wußte, daß auch sein Leben mit Christo in Gott geborgen ist. – Als Wissenschaftler war er in einem ganz besonderen Sinn einzigartig; er hat bis heute keinen Nachfolger gefunden, der in Forschung und Lehre hier in Deutschland so wie er die nordische Geschichte und die des gesamten Ostseeraumes verträte. Auf seine Initiative geht die Gründung der Ostseegesellschaft zurück, die jetzt ihren Sitz in der schönen Ostsee-Akademie, dem Pommern-Zentrum, in Lübeck-Travemünde hat und der der Gelehrte seine umfangreiche Bibliothek schenkte, die alle Wirren überdauert hat. Die Gründung der international angesehenen Zeitschrift Mare Balticum, die die Ostseegesellschaft seit 1965 zur Geschichte, Kultur, Geographie, Wirtschafts- und Geistesleben der Ostsee-Anrainerstaaten herausgibt, wurde ebenfalls von Johannes Paul angeregt.

Lit.: Zu Leben und Werk von Johannes Paul siehe Siegfried Droese: Johannes Paul. Der Mensch und sein Werk. Glückstadt/Elbe 1971. – Ders.: Professor Johannes Paul 93 Jahre alt, in: Mare Balticum 1984, S. 108. – Ludwig Biewer: Johannes Paul 90 Jahre alt, in: Akademische Blätter 83 (1981), S. 189f.

Bild: Privatarchiv des Verfassers.