Biographie

Pauli, Franz

Wenn ein Leben früh endet, bleibt immer die Frage nach dem, was noch erlebbar, machbar gewesen wäre. Im Falle von Franz Pauli, der am Aschermittwoch 1970, dem 11. Februar, mit 42 Jahren starb, lässt sich doch mit gewisser Sicherheit sagen, dass er noch viele wunderbare Glasmalereien sowie innovative und eigenständige Kunst hinterlassen hätte.

In einer nur kurzen Schaffenszeit von 15 Jahren hat er für rund 120 Kirchen in Deutschland und im Ausland Glasfenster und Reliefs geschaffen, daneben ein umfangreiches Werk freier Kunst, das u.a. in Ausschnitten in der Ausstellung 1988 im Maternushaus in Köln sowie in weiteren Ausstellungen zu besichtigen gewesen ist. Druckgrafiken, Siebdrucke, Öl-Lackbilder und dreidimensionale Objekte gehören neben den Galafenstern zu seinen Werken. Verglasungen hat er auch für Privathäuser vorgenommen und auch Wände in diversen Gebäuden gestaltet. 1968 wurde Franz Pauli der Oberschlesische Förderpreis für Kultur verliehen. Er gilt heute als „Pionier kritischer deutscher Glasmalerei“.[1]

In seiner Kunst – gegenständlich bis abstrakt, konstruktivistisch und innovativ – ist er ein Künstler, der durchaus den ästhetischen Impulsen seiner Zeit folgend, aber doch in vielen Ausdrucksformen sehr individuell war, ein Künstler, der wusste, dass die Welt des 20. Jahrhunderts in den überkommenen Bildern nicht fassbar war. Seine Malerei sollte auf sich selbst verweisen. In geometrischen Elementen komponierte er seine Kunst, während er sich in den Glasfenstern durchaus bildlich und figural ausdrucken konnte. Seine Kunst ist eindrucksvoll in den Fenstern in der „Kirche Zum verklärten Christus“ in Bad Driburg dokumentiert, wo er das Thema „Vergeistigung der Materie und Vollendung des Kosmos durch Jesus Christus“ 1968 in einem Zyklus darstellte. Die Einleitung in das Thema erfolgte über Fenster, die aktuelle Geschehnisse dokumentieren, wie das als Titelseite der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ konzipierte Fenster oder das Fenster mit Ausschnitten aus Fotos, zum Beispiel ein Ausschnitt aus dem berühmtesten Kriegsfoto, den Eddie Adams 1968 in Saigon gemacht hatte, auf dem ein Mann in Zivil von einem Militär durch einen direkten Kopfschuss getötet wird.

Franz Pauli setzte sich in seiner Glasmalerei mit diversen biblischen Inhalten auseinander, sah in der Bergpredigt „das gigantischste und aktuellste Programm für die Menschheit“, das er „ganz konkret und unmißverständlich künstlerisch artikuliert“ wissen wollte.[2] So finden sich in den strukturellen, der Technik entnommenen Formen, ganz konkrete Bildaussagen, oder, wie er es selbst beschrieb: „Konkrete und abstrakte Aussageweisen verhalten sich zueinander wie die verschiedenen Schwingungsbögen eines modulierten Stromes, von dem wir bisher nur die einzelnen Überbögen kannten. So konnte der Eindruck entstehen, daß jeder Bogen ein Einzeldasein führt. In Wirklichkeit gehören Über- und Unterlängen zusammen und sielen im absoluten Zusammenhang miteinander.“[3]

Sein Werk ist auch angesichts der Kürze seines Lebens beeindruckend. Er war von der Technik fasziniert, sah jedoch auch ihren negativen Auswirkungen auf die Menschheit. Seine Kunst suchte nach einer ästhetischen Deutung der technischen Errungenschaften und ihrem Nutzen und Schaden für die Menschheit.

Mit seinem Ansatz, in den kirchlichen Raum eine ästhetische Deutung von Technik und Kybernetik zu bringen, sticht er hervor als ein Künstler, der in Auseinandersetzung mit der Moderne und ihren Ausprägungen, eine Freiheit suchte, die im wörtlich zu verstehenden „Sinn-Bild“[4] den Umgang des Menschen mit der Technik reflektierte. Seine Kirchenfenster sollten „durchsichtig sein für die nicht mehr sichtbare Wirklichkeit ‚hinter den Dingen‘“.[5] Daher besteht seine Leistung „in der Verknüpfung von aktuellem technischen Sinn-Bild und dem darin eingebundenen zeitgemäßen religiösen Sinn-Bild als zeitlos gültige, aber die konkrete Welterfahrung des heutigen Menschen umfassende Verkündigung der Frohbotschaft.“[6] Die Offenbarung des Johannes, das letzte Buch des Neuen Testaments, thematisierte er sehr oft in seinen Kirchenfenstern, nicht nur um die Verunsicherung des Menschen im 20. Jahrhundert darzustellen, sondern auch der tröstenden Hoffnung auf eine bessere Zukunft Ausdruck zu verleihen. Der künstlerische Ausdruck in den Kirchenfenstern ist breit, von streng abstrakten Formen bis hin zu Heiligendarstellungen. Seine Kirchenfenster sind teilweise geometrisch-konstruktivistisch; sie sind bunt und sie kommen ganz ohne Farbe aus. Immer aber hat der Künstler sich bemüht, die Gesamtarchitektur zu berücksichtigen und er scheute nicht die Mühe, die Kirchen, für die er Fenster schaffen sollte, vorher zu besichtigen. Auch eine künstlerische Fortentwicklung ist erkennbar.

Geboren wurde Franz Pauli am 6. Juli 1927 in Gleiwitz als Sohn der sozialdemokratisch orientierten Lehrer an der gewerblichen Berufsschule in den Klassen für schmückende Berufe Günther und Charlotte Pauli. In den Jahren 1933 bis 1944 besuchte er die Schule in Gleiwitz-Richtersdorf und anschließend das Gymnasium in Gleiwitz. Der Vater verfolgte die Machtübernahme der Nationalsozialisten mit Besorgnis und fürchtete um sein Lehramt. Paulis Eltern wollten verhindern, dass er in die Wehrmacht einberufen wurde, daher wurde eine Datierung des Geburtsjahres auf 1928 vorgenommen, die zuerst seine Einberufung verhinderte, danach eine selbst zugefügte Verletzung, durch die er lebensbedrohlich erkrankte. Die letzten Monate des Krieges verbrachte er an Sepsis (Folge eines Unfalls)[7] erkrankt im Lazarett, während sein Vater nach dem Einmarsch der Roten Armee in die Sowjetunion verschleppt wurde und 1947 auf dem Rücktransport in Frankfurt/Oder starb. Auch sein Bruder überlebte nicht.

Mit seiner Mutter flüchtete er im September 1945 aus Oberschlesien. Die beiden ließen sich in Dahl in der Nähe von Paderborn nieder, später in Paderborn, wo er 1949 am Gymnasium Theodorianum das Abitur machte. Schon in diesen Jahren begann er zu zeichnen und die Malerlehre beendete er 1951 vorzeitig, da er schon hier durch seine außergewöhnliche Begabung aufgefallen war. Pauli erhielt einen Studienplatz an den Kölner Werkschulen, wo er von 1951 bis 1953 in der Klasse von Professor Friedrich Vordemberge (1897 – 1981) lernte, der ihm die geometrische Abstraktion nahebrachte, danach, bis 1957, an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Otto Pankok (1893 – 1966), der sich auch schon mit gesellschaftlichen Themen künstlerisch auseinandersetzte, Otto Coester (1902 – 1990) und Robert Pudlich (1905 – 1962). In den Jahren 1956 und 1958 studierte er in Köln außerdem Biologie und Kunst und schloss dieses Lehramtsstudium auch erfolgreich ab. Nach dem Referendarjahr aber gab er den Schuldienst auf, um sich fortan allein der Kunst zu widmen. Seit 1962 wohnte er bis zu seinem Tod mit seiner Familie in Dansweiler (Pulheim) bei Köln.

Durch Aktivitäten in der Kölner Studentenschaft lernte er Pfarrer Wistuba kennen und erhielt durch ihn die erste Auftragsarbeit, ein Fenster für die Kapelle des Katholischen Studentenheims in der Bachemer Straße in Köln. Von da folgten in kürzester Zeit weitere Aufträge, etwa für die Herz-Jesu-Kirche in Köln vierzehn Stationen des Kreuzweges, aber auch Arbeiten für weitere große Kölner Kirchen, wie für St. Mariae Himmelfahrt und St. Maria im Kapitol. Auch in der näheren Umgebung, wie in Bonn, Erftstadt, Frechen, Hürth und Pulheim hat Franz Pauli in den Kirchen seine herrlichen Glasmalereien hinterlassen.

Seit 1966 hatte er sich zunehmend mit dem Thema „Technik“ auseinander gesetzt, etwa in der Arbeit mit Betonglas durch den Auftrag für St.-Elisabeth- Kirche in Ahlen und bei der Gestaltung von Kirchenfenstern wie in Bad Driburg, aber auch in Meinerzhagen, in Bad Münstereifel und Stromberg. Die Beziehung von Technik und Mensch wollte er weiter untersuchen und gründete 1969 gemeinsam mit dem Mathematiker und Kybernetiker Dr. Roland Fuchshuber das Studio „man-machine-interface“. In dem „Studio für Kunst und Kybernetik“ führten die beiden Experimente und öffentliche Performances durch. In den hier erarbeiteten Aktionen „multiplexing“ konnte Pauli krankheitsbedingt nur bei den ersten zwei mitwirken. Auch die Veröffentlichung eines Buches mit dem Titel „Kunst und Kybernetik“ blieb ein Plan.

In seinem letzten Lebensjahr arbeitete er in Spitztechnik mit Autolack auf Aluminium und Plexiglas, vorgestellt in der Ausstellung 1988, hier schon ganz in Auseinandersetzung mit der Kybernetik und Mikroelektronik. Auch widmete er sich in Vorträgen und Aufsätzen immer stärker dem technischen Aspekt, etwa in der Frage ob „technische Symbole zu einer Neuformulierung christlicher Zeichen betragen“ können oder dem Verhältnis von Kunst und Kybernetik und der Computerkunst.[8] Gerade mit dieser Thematik bleibt Franz Pauli bis heute, auch angesichts der sich seit 1970 gewandeten und immer weiter wandelnden Welt der Technik und der Computer bis hin zur Künstlichen Intelligenz, höchst modern.

Sein Grab findet sich in Pulheim-Brauweiler, wo auch eine Straße nach ihm benannt ist. In der Abteikirche St. Nikolaus finden sich vierzehn von ihm gestaltete Fenster, die Szenen aus dem Alten Testament oder Heilige und die Hl. Familie darstellen.

Evelyne A. Adenauer

 

[1] Hoffmann-Goswin, Ulrike: Sakrale Glasmalerei der 1960er bis 1980er Jahre in Deutschland, Bildthemen, Gestaltung und Funktion, Regensburg 2019, S. 178.

[2] Zitiert nach: Hofmann, Friedhelm: Einleitung zum Katalog anlässlich einer Ausstellung der Künstler-Union-Köln zum Aschermittwoch der Künstler 1988, Maternushaus Köln, 1988, S. 6.

[3] Zitiert nach: Ebd., S. 6f.

[4] Ebd., S. 5.

[5] Ebd., S. 6.

[6] Ebd. S. 7.

[7] Katholische Pfarrgemeinde St. Maria (Hg.): Kirchenführungen zur Gegenwartskunst, St. Christophorus, Hannover-Stöcken, o.O. 2013, S. 15.

[8] Schilling, Sabine Maja: Aufstellung der Schriften, in: Hofmann, Friedhelm: Einleitung zum Katalog anlässlich einer Ausstellung der Künstler-Union-Köln zum Aschermittwoch der Künstler 1988, Maternushaus Köln, 1988, S. 12f.

Bild: Landsmannschaft der Oberschlesier

Ausgewählte Literatur: Fuchsberger, Roland / Pauli, Franz: Studien zum man-machine-interface, Köln 1968; Franz Pauli, Eine Ausstellung der Künstler-Union-Köln zum Aschermittwoch der Künstler, Köln 1988; Wolff-Wintrich, Brigitte: Franz Pauli – Seine geometrischen Abstraktionen in St. Barbara Köln-Ehrenfeld 1965/66, in: Nestler, Iris (Hg.); Meisterwerke der Glasmalerei des 20. Jahrhunderts in den Rheinlanden, Bd. 2, Mönchengladbach 2017, S. 158 – 160; Führer, Patrick: Die Fenster Franz Paulis in der Abteikirche St. Nikolaus und Medardus in Pulheim-Brauweiler: Entstehung und Konzeption, in: Denkmalpflege im Rheinland 2 (2017), S. 49 – 61; Hoffmann-Goswin, Ulrike: Sakrale Glasmalerei der 1960er bis 1980er Jahre in Deutschland, Bildthemen, Gestaltung und Funktion, Regensburg 2019.

Weblinks: Fotos der Glasfenster von Franz Paul bei Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e.V.: www.glasmalerei-ev.net/pages/k9148.shtml

Evelyne A. Adenauer