Biographie

Pechthol, Maria Josefa Rosl

Herkunft: Banat
Beruf: Germanistin, Hochschullehrerin, Forscherin
* 6. Oktober 1918 in Temeswar
† 25. Juli 2003 in Stuttgart

Maria Rosl Pechtols Vater, Dr. Josef Schütz, und die Mutter, Magdalena geb. Hess, stammten aus Mastort, einer Gemeinde im damals noch ungeteilten Banat, Teil der k. und k. Doppelmonarchie Österreich-Ungarn; heute gehört Mastort zu Serbien (Novi Kozarci). In Temeswar unterrichtete Josef Schütz in beeindruckender Bandbreite sprachliche Fächer, 1918-1936 am Deutschen Realgymnasium, ab 1926 auch am Deutschen römisch-katholischen (Knaben-)Lyzeum, dessen Direktor er war. 1942 wurde er durch das Berlin-hörige Schulamt in Kronstadt „aus diesem Amt entfernt“ (Anton Peter Petri). Sein Einfluss auf die heranwachsende deutsche Jugend war bedeutend und nachhaltig. Prägend für Maria Rosl war auch der enge Zusammenhalt innerhalb der großen Familie. Für deren Schulzeit – von der Grundschule bis zum Abitur – ist lediglich der Umstand zu erwähnen, dass sie nach Absolvieren des Untergymnasiums von den deutschen Einrichtungen des Notre-Dame-Klosters in das rumänische Notre-Dame-Lyzeum hinüberwechselte (1928-1936), weil es nur dort ein Obergymnasium für Mädchen gab.

Die 1930er Jahre waren ideologisch zunehmend vom Einfluss der nationalsozialistischen Erneuerungsbewegung bestimmt. Der Vater, damals noch erster Obmann des Deutschen Lehrerverbandes (seit 1930), sorgte dafür, dass seine beiden Töchter Meli und Maria Rosl in den Schuljahren 1935/36 bzw. 1936/37 in Schwäbisch Gmünd am Auslandsdeutschen Seminar von St. Loretto als Schülerinnen teilnahmen. Die Teilnehmerinnen des Seminars kamen u.a. aus dem rumänischen Banat, aus Jugoslawien (dem serbischen Banat und der Batschka), der Tschechoslowakei und Südtirol. Die dortigen Unterrichtsfächer, wie Volks- und Lebenskunde, Geschichte, Rassenkunde, Maschinenschreiben, Kurzschrift, Turnen, Volkstanz, Feier- und Festgestaltung in der Familie, im Leben der Pfarrgemeinde und Jugendgruppen, lassen erkennen, dass die Aktion einerseits dem Festhalten am angestammten Deutschtum diente, sich aber andererseits deutlich von den Fanatikern in der Erneuerungsbewegung absetzen wollte, gerade durch das Bekenntnis zum christlichen Glauben. Die Unterrichtsfächer zeigen auffallend ähnliche, geradezu parallel laufende Wege, auf denen die beiden Bewegungen ihre so anders gearteten Ziele zu erreichen trachteten. Die Teilnehmerinnen sollten so offensichtlich auch gegen den braunen Einfluss gerüstet werden.

Zurück in Temeswar, trat Maria Rosl 1937 ihre erste Stelle als Sekretärin in der Banatia an. In den Jahren 1941/44 studierte sie an der Universität in Wien Germanistik, Latein, Philosophie, Geschichte, Französisch und Rumänisch. Sie verteidigte 1944 ihre Dissertationsschrift Die Geschichte des Temeswarer deutschen Theaters im 18. und 19. Jahrhundert.

Zwei Monate nach dem Umschwenken Rumäniens (23. August 1944), dem gemeinsamen Vormarsch der sowjetischen und rumänischen Truppen Richtung Westen, gehörte auch sie zu den nach „Russland“ zu Aufbauarbeiten deportierten Deutschen aus Rumänien. Über die im Lager Zeleni Gorod/ Kriwojrog verbrachten fünf Jahre der „Verschleppung“ hat sie geschwiegen. Es gibt immerhin einen kurzen, lesenswerten Bericht von ihr, erschienen im Buch Die Deportation der Schäßburger in die UdSSR (Herausgegeben von der Schäßburger Nachbarschaft, Heilbronn, o. J.).

Einen Monat nach ihrer Heimkehr aus der Sowjetunion, mitten im Schuljahr, im Februar 1950, trat Maria Schütz ihre erste Stelle als Lehrerin an. An der Temeswarer Deutschen Pädagogischen Lehrerbildungsanstalt [DPL] musste sie anfangs als Mädchen für alles einspringen, doch während der folgenden drei Schuljahre (1951/52, 1952/53) konnte sie sich mit vollem Elan dem Fach Deutsch widmen. Sie unterrichtete hauptsächlich in den zahlenmäßig starken Jahrgängen I und II A der Abteilung für die Ausbildung von Lehrern/innen und II-III der K[inder­gärt­ne­rinnen]-Klassen.

In ihrer Lehrerlaufbahn hat sie einen frühen, herben Einschnitt hinnehmen müssen: Zu Beginn des Schuljahres 1953/54 wurde sie aus dem Lehramt entlassen. Sie war damals nicht die einzige Lehrkraft, der dies widerfuhr. Die Mitteilung war denkbar knapp und eindeutig: Ohne einen Grund zu benennen, wird ihr die Versetzung ab sofort an einen (nicht genannten) neuen Wirkungsort in Siebenbürgen eröffnet. Falls diese Anordnung nicht binnen fünf Tagen durchgeführt sei, bedeute dies die Auflösung des Arbeitsvertrags mit dem Unterrichtsministerium. Vergebens konnte sie auf einen ernsten Hinderungsgrund hinweisen: drei alte Leute im gemeinsamen Haushalt, die auf sie angewiesen waren. Prompt wurde sie entlassen. Bald darauf trat sie eine Stelle in der Buchhaltung des Industrieunternehmens Tehnometal an, wo sie zum Haupt-Rechnungsführer aufsteigen konnte. Sie selbst vermutete hinter der verordneten Strafversetzung und Entlassung die Denunziation einer Kollegin – beruhend auf Missgunst und nicht gerechtfertigter, kleinlicher Eifersucht. Anzeigen solcher Art bedurften jedenfalls eines geeigneten politischen Klimas, um wirksam zu werden. Die vielen politischen Prozesse während der 1950er Jahre, die ständige Suche der Regierung und ihrer Helfershelfer nach möglichen Klassenfeinden, spiegeln die unsicheren Verhältnisse, waren typisch für die herrschende Diktatur. Die Versetzung „unzuverlässiger“ Lehrkräfte aus grenznahen Ortschaften ins Landesinnere war eine der Aktionen, die der Umerziehung dienen sollten.

Ab Januar 1958 begann ihre Laufbahn als Hochschullehrerin. Am Germanistiklehrstuhl der Universität Temeswar sollte sie bis zu ihrer Pensionierung 1973 bleiben. Zur Universität erhoben wurde die seit 1948 bestehende Pädagogische Hochschule (Institutul Pedagogic) mit den Fakultäten Mathematik-Physik (seit 1948) und Philologie (seit 1956) im Oktober 1962. Maria Schütz, inzwischen verheiratet mit Erwin Pechtol (19.09.1912- 27.10.1988), gehörte zu den Hochschullehrern der Gründungsjahre. Sie trug wesentlich zur starken Gewichtung der sprachwissenschaftlichen Ausbildung an der Temeswarer Germanistik bei. Sie widersprach allerdings Meinungen, die die Temeswarer Germanistik auf eine solche Profilierung festlegen (gemeint: reduzieren) wollen: „Grammatik und Literatur wird so vorgetragen, dass der Student von allem ein solides Gerüst mitbekommt, das er dann in der Schule oder auf einem anderen Posten, als Verlagslektor, Journalist, Übersetzer usw., ausbauen kann.“ (Sonderseite UNIVERSITAS der Neuen Banater Zeitung [NBZ], erschienen im Mai 1971).

Der Stoff, den Maria Pechtol vermittelte, war der anspruchvollste, schwierigste, der während der höheren Semester im Lehrplan stand. Schwerpunkte waren: Vergleichende Grammatik der germanischen Sprachen und Geschichte der deutschen Sprache, unter Miteinbeziehung der indoeuropäischen Grundlagen und der späteren Interferenzen zwischen den lebenden (modernen) Sprachen. Von Wien brachte sie beste Voraussetzungen mit, dieses Fach zu unterrichten, das durchaus auch auf solide Kenntnis der deutschen Literatur von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert zurückgreifen musste.

Da die Universitätsbibliothek damals, insbesondere hinsichtlich der sehr jungen philologischen Fakultät, überaus schwach bestückt war, sahen sich die Lehrkräfte dazu genötigt, Lösungen zu finden. So verfasste sie zusammen mit Dr. Hans Weresch und Dr. Stefan Binder eine in zwei Bänden herausgebrachte Auswahl deutscher Texte von den ältesten Zeiten bis ins 17. Jahrhundert (Timisoara: Universitätsdruckerei, 1958 – Bd. I., 119 S., Bd. II. 109 S., lithographiert). Die Sammlung war ein zwingend notwendiges Behelfsmaterial, einsetzbar sowohl im sprachwissenschaftlichen als auch im literaturgeschichtlichen Bereich. Ihre Vergleichende Grammatik der germanischen Sprachen (Timisoara, Universitätsdruckerei, 1974, 116 S.) ist erst nach ihrer Pensionierung erschienen.

Einen gewichtigen Anteil an den sprachwissenschaftlichen Vorhaben des Lehrstuhls hatten von Anfang an die Erfassung und Erforschung der Banater deutschen Mundarten. Ziele waren: die Erarbeitung eines Wörterbuchs und eines Sprachatlas des Banatschwäbischen, sodann eines Wörterbuchs deutscher Entlehnungen im Wortschatz des Rumänischen, überhaupt der Interferenz-Erscheinungen unter Berücksichtigung des Ungarischen, Französischen und slawischer Sprachen. Ein unendlich weites, größtenteils unbeackertes Land, das auf seine Erschließung zu warten schien.

Die schon erwähnten Lehrer hatten Konzepte und praktische Richtlinien bereitzustellen und vor allem Studenten für den Einsatz in den Heimatgemeinden zu gewinnen. Die erste Anlaufstelle war der Arbeitskreis für Mundartforschung. Maria Pechtol entwarf einen Fragebogen zur Konjugation des Verbs, der zusammen mit Peter Kottler, Assistent am Lehrstuhl, erweitert wurde zu einer Grammatik der deutschen Mund­arten des Banats. Von dieser Mundartgrammatik wünschte sie sich, dass sie „weiteren Kreisen von Lehrern auf dem Lande zugänglich gemacht würde, im Dienste des Unterrichts in der Hochsprache“ (UNIVERSITAS-Interview).

Von vielen Interessierten gedrängt, veröffentlichte sie ihre Dissertation. Leicht gekürzt, aber durch wichtiges Bildmaterial erweitert, erschien sie unter dem Titel Thalia in Temeswar. Die Geschichte des Temeswarer deutschen Theaters im 18. und 19. Jahrhundert (Bukarest: Kriterion Verlag 1972, 220 S. + 11 Bilder). Die Neue Banater Zeitung/ [NBZ, Temeswar] hatte in mehreren Folgen einen Vorabdruck gebracht (1970). Im gleichen Jahr war ebenda aus Anlass von Beethovens 200. Geburtstag der Artikel Fidelio in Temeswar erschienen. Abgesehen von einer späten, auszugsweisen Bearbeitung (1981, München, im Sammelband Tausend Jahre Nachbarschaft. Deutsche in Südosteuropa …/Lv), war für sie 1972 dieses Thema abgeschlossen, doch ihre Arbeit diente und dient – über die im Titel angegebene Begrenzung auf Temeswar hinausreichend – als wichtige Forschungsgrundlage zur Wiener Theater- und Kulturgeschichte, bezogen auf Wien und die Zentren der sogenannten „Nebenländer“ des Vielvölkerstaates Österreich.

Ihre mit Leidenschaft betriebene Erforschung der gesprochenen deutschen Sprache im Banat erfuhr damit keine bemerkbare Unterbrechung. Beiträge von Maria Pechtol zu Fragen sprachlicher Korrektheit und der Banater Mundarten wurden Ende der 1960er/ Anfang der 1970er Jahre veröffentlicht – neben solchen anderer Autoren hauptsächlich in der NBZ und im Neuen Weg/ Bukarest, selten in der Zeitschrift Volk und Kultur/ Hermannstadt. Hans Gehl, der ihre Leistungen am ausführlichsten gewürdigt hat, lieferte eine Übersicht dieser Veröffentlichungen, die nicht den Anspruch erhebt, vollständig zu sein:

  • Artikel zum richtigen Sprachgebrauch und zur Sprachpflege in der deutschen Umgangssprache, Kommentare einschließlich des Forschens nach den Fehlerquellen. Zu bemerken ist hierbei, dass es zu einem sich ergänzenden In­ein­andergreifen der Bemühungen von Siebenbürger und Banater Kollegen gekommen war. Sie sahen sich gemeinsam in der Verantwortung, einem Abgleiten der bedrohten Muttersprache ins Klischeehafte, ins Mangelhafte, ins Altertümliche (Konservensprache!) entgegen zu wirken. Der Neue Weg diente als gemeinsame Plattform.
  • Thematische Aufarbeitung der beim Lehrstuhl vorhandenen Sammlung mit Blick auf das Vorhaben: Schwäbisches Wörterbuch [NBZ, 1971-1973]. Das Ergebnis der Sammeltätigkeit ist beachtlich gewesen, das Banater Mundartarchiv war angewachsen. Individuell und in Gruppen wurde „durch systematische Feldforschung im gesamten Banat am Lehrstuhl ein Wörterbucharchiv von 330.000 karteimäßig erfassten Dialektaufnahmen erstellt.“ (Hans Gehl) – Gestützt auf diese Fülle schrieb Maria Pechtol mehrere Reihen vorbildlicher Beiträge zu Mundart und Volkskunde: Aus dem Schatz der Banater deutschen Mundarten; Lexikalische Entlehnungen, kommentiert (bereits 1970): Was die Schwowe parliere. Französisches Wortgut in den Banater Mundarten“ (mit Hinweisen auf französische Siedler im 18. Jahrhundert); Rumänische Lehnwörter (in sechs Folgen); Ungarisches Lehngut in den Banater Mundarten seit Mitte des 19. Jahrhunderts (zwölf Folgen); weniger ergiebig die Untersuchung zum serbischen Lehngut (zwei Folgen).
  • Betrachtung älterer Wortformen mit Einordnung in eine soziologisch-ethnographisch definierte Kulturlandschaft, eben­falls thematisch gebündelt und kommentiert. Beispiel: Krankheitsbezeichnungen, Hintergründe mancher Krankheiten, empirische Heilmedizin, einschließlich des Brauchens.
  • Untersuchungen zu Synonymen bzw. zu den Wortfeldern aus dem Grundwortschatz unserer Mundarten; dies im Hinblick auf den zu erstellenden Sprachatlas.

Mundartliche Themen wurden zu Diplomarbeiten/ Examensarbeiten ausgebaut. Sofern es um Wortschatzthemen ging, waren immer auch die volks- und heimatkundlichen Aspekte herauszustreichen und zu erläutern. Anders geartet waren die Arbeiten, die Fragen der Lautung und Grammatik behandelten. Die Mundartarbeiten gehören – neben Literaturarbeiten, die sich mit dem kulturellen Erbe des Banater Deutschtums befassen – zu den wertvollsten der in Temeswar erstellten Abschlussarbeiten. Dr. Hans Gehl liefert Zahlen: Zwischen 1961 (dem Jahr der ersten Absolventen) und 2006 (fünfzig Jahre seit Bestehen der Germanistik in Temeswar) liegen für diesen Bereich 200 Arbeiten vor. Vergleichsweise dazu: nahezu 300 zur rumäniendeutschen Literatur. Maria Pechtol hat davon (bis einschließlich 1974) 39 dieser Arbeiten betreut.

Insgesamt ist allerdings zu beklagen, dass das Unterrichtsministerium dem Lehrstuhl in all den Jahrzehnten keinen hauptamtlich eingesetzten Mundartforscher zugebilligt hat, und das zum Teil leidenschaftlich angegangene Projekt nur „nebenbei“, d.h. neben der Vollzeitbeschäftigung und der vielerlei anfallenden Aufgaben, betrieben werden konnte. Angesichts des nahezu vierzig Jahre hindurch vorhanden gewesenen großen Potentials an einsatzfreudigen Lehrern, an Mundart sprechenden Studenten und größtenteils noch kompakt bestehender deutscher Dorfgemeinschaften sind diese durchaus schwierigen Forschungsbedingungen als schwerwiegendes und nun – da diese Gemeinschaften so nicht mehr bestehen – nicht mehr korrigierbares Versäumnis einzustufen.

In Tübingen hat indes Dr. Hans Gehl am Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde [IdGL] ein Archiv und Forschungszentrum für donauschwäbische Dialektologie und Volkskunde aufbauen können und hat mit der ihm eigenen Energie, Arbeitsdisziplin und mit Weitblick die Aufarbeitung vorangetrieben (zwischen 1987 und 2004). Die Vorhaben in Temeswar werden voraussichtlich Torso bleiben.

Von den Mundartforschern der Temeswarer Universität, Lehrern, Studenten, Absolventen, ist als bleibendes Verdienst ein Ansporn ausgegangen, wie er in dem Ausmaß nicht vorauszusehen war, denn viele fühlten sich zum Mitmachen angesprochen, zum Sammeln und Veröffentlichen angeeifert, auch solche, die im Alltag verschiedensten Berufen nachgingen. Im Banat war eine erstaunliche Bewegung ins Rollen gekommen, an deren Zustandekommen Maria Pechtol bedeutenden Anteil hatte. Vor allem die Lehrer in den „schwäbischen“ Gemeinden hatten sich eingereiht und viele ihrer Schüler. Nicht zu übersehen ist die Flut neuer Mundartgedichte und die große Beliebtheit der NBZ-Sonderseite Die Pipatsch. Manche Sparten waren so ergiebig, dass sie in Buchform herausgebracht wurden. Etwas später erstreckte sich das Interesse etlicher Leser auch auf das Gebiet von Literatur; spannend gestalteten sich insbesondere die Stellungnahmen zu moderner Lyrik. Neues trat auf, forderte und bekam Beachtung. Einige dieser jungen Dichter wurden später zur „Aktionsgruppe“ erklärt.

Während dieser Rückbesinnung auf ihr Leben und ihr nachhaltiges Wirken trat unwillkürlich Maria Pechtol selbst wieder in Erscheinung: Sie war ungemein fleißig und ordentlich, Anteil nehmend, zuweilen mit spitzer Zunge, aber ohne zu beleidigen, weil Humor zu ihrem Umgang mit Menschen gehörte; wohltuend locker, hilfsbereit und bescheiden, gewissenhaft, politisch zurückhaltend; sie war praktisch veranlagt, gern mit dem Fahrrad oder ihrem Moped unterwegs. Ihr fehlendes politisches Engagement kostete sie jedenfalls den Aufstieg auf der Karriereleiter. Sie ging als Lektor in Rente. Sie lebte vor, was sie von ihren Schülern und Studenten an Leistung einforderte, an Haltung erwartete.

Ihre Aussiedlung erfolgte 1978, herausgekauft von der Familie ihrer einstigen Jugendfreundin aus Mastort, auch Leidendgenossin während der „Russlandjahre“. Bei ihnen, in Herrenberg, fanden Maria Rosl und ihr Ehemann Erwin Pechtol ein neues Zuhause. Auch wenn sie sich von den landsmannschaftlich organisierten Kulturtagungen fernhielt, fand ihre aktive Natur genug zu tun, nicht zuletzt im Garten. Sie war eine gute Hausfrau, hatte Freude am Backen und hielt genügend Kontakte zu einstigen Weggefährten lebendig; zudem hatte sie einen lebensfrohen Mann an ihrer Seite. Sie empfanden sich nicht als einsam. Nach dem Tod ihres Mannes fand sie – alten Neigungen und Überzeugungen folgend – in wiederholter klösterlicher Einkehr seelisches Gleichgewicht und inneren Frieden.

Nach einigen Jahren entschloss sie sich zum Umzug in das Stuttgarter Alten- und Pflegeheim Haus Martinus, in der Trägerschaft des Caritas-Verbandes. Dort wohnte sie ab Anfang 1997 bis zu ihrem Tod am 25. Juli 2003. Beigesetzt wurde sie auf dem Herrenberger Waldfriedhof. Einige ihrer einstigen Freunde, Kollegen und Studenten nahmen hier Abschied von ihr.

Lit. (Auswahl): Anton Peter Petri, Biographisches Lexikon des Banater Deutschtums, Marquartstein 1992, Sp. 1774. – Helmut Kelp, Germanistische Linguistik in Rumänien. 1945-1985. Bibliographie, München 1990, S. 194f. – Horst Fassel [nicht gez.], Maria Pechtol 75, in: Banatica. Beiträge zur deutschen Kultur, Freiburg i. Br. X (1993), Heft 4, S. 54f. – Hans Gehl, Fünfzig Jahre Temeswarer Germanistiklehrstuhl und Hochschullehrer der Pionierzeit [Broschüre, S. 120], hrsg. Dieter Michelbach, Tübingen/ Regensburg 2006, S. 65-69. – Hans Gehl, [Nachruf], Vorzüglicher Mensch und tüchtige Hochschullehrerin, in: Banater Post, 2003/ Nr.16 vom 20.08., S. 7; Überarbeitete Varianten in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, hrsg. von Hans Bergel und Johann Adam Stupp, München 2003, Heft 3, S. 245-248; Mathias Egler u.a., Der Absolventenjahrgang 1954 der Deutschen Pädagogischen Lehrerbildungsanstalt Temeschburg, Karlsruhe, 2006, S. 74-75. Darin sind an mehreren Stellen dankbare Erinnerungen an ihren Unterricht und ihre Persönlichkeit anzutreffen.

Quellen aus dem Nachlass, erstmals ausgewertet: Maria Rosl Pechtol hat der Autorin dieses Beitrags vieles bei ihrem Umzug ins Seniorenheim übergeben; seit 2011 befinden sich diese Dokumente im „Haus der Donauschwaben“/ Sindelfingen, im Archiv: Zeugnisse und Doktordiplom der Wiener Universität, das Arbeitsbuch mit allen beglaubigten Eintragungen, alte Fotoalben, handschriftliche Aufzeichnungen, der Entlassungsschein am Ende der fünf „Russlandjahre“ u.a.m. Anderes, Gegenständliches, wird im „Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm“ aufbewahrt.

Radegunde Täuber