Biographie

Penkert, Brigitte

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Rotkreuzschwester
* 26. September 1911 in Berlin
† 24. September 1986 in Stauffenberg/Hessen

„Das Gesetz, nach dem du angetreten …“ – es enthüllte sich für Brigitte Penkert im Zuge der abgelebten Zeitereignisse jener inzwischen ausgestorbenen Weltkriegsgenerationen und machte sie als jungverheiratete Frau und Mutter einer kleinen Tochter unerwartet zu einer wichtigen Zeitzeugin. Ihre Briefe einer Rotkreuzschwester von der Ostfront, herausgegeben von Jens Ebert und Sibylle Penkert im Wallstein-Verlag, Göttingen 2006, sind die bisher einzige zuverlässige persönliche Quelle zur militärhistorischen Frauenforschung des Zweiten Weltkriegs. Die Dokumente und der gesamte Nach­lass von Brigitte Penkert wurden dem Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden von ihrer Tochter übergeben und harren einer geplanten Sonderausstellung.

Brigitte Penkert ist diese „Episode“ auf ihrem Lebensweg vielleicht vorgezeichnet gewesen. Geboren am 26.9.1911 in Berlin-Charlottenburg als erstes Kind des Bergbauingenieurs Al­fred Bosse (1882-1949) und seiner Ehefrau Eva, geb. Pachaly (1885-1983) aus der Familie des bekannten sächischen Reformers Schulze-Deltizsch, aufgewachsen in Kattowitz und Glei­witz/OS war Brigitte Penkerts Lebensziel Familie und großbürgerliche Repräsentation. Dr. phil. Waldemar Penkert (1900-1963), den sie 1930 kaum neunzehnjährig ohne irgendeine Berufsausbildung heiratete, war Reichswirtschaftskommissar für Ostoberschlesien bis 1938 und wechselte dann als kaufmän­nischer Direktor zu den Mannesmann Röhrenwerken nach Düsseldorf. Er entging damit einer Kriegs- und NS-Karriere im Osten und war u.k.-gestellt. In der Ehe stellte sich der zahlreich erwünschte Nachwuchs bis 1935 nicht ein. Brigitte schloss sich mit ihren zahlreichen Begabungen und deutschnationalen Interessen, die sich damals für eine unausgefüllte Ehefrau anboten, stattdessen 1936 dem Vaterländischen Frauenverein an, der bald darauf NS-umfunk­ti­o­niert wurde.

Der Vater von Brigitte Penkert hatte nach seiner Pensionierung Oberschlesien nur ungern verlassen, wo er bei den Freicorps-Kämpfen 1920/21 die Bergwerke des Fürsten Pless gegen die Insurgenten bewaffnet verteidigte und dafür von der Weimarer Republik mit dem Schlesischen Adler ausgezeichnet wor­den war.

Das preußische Element und Engagement in Brigitte Penkerts Wesen stammte aus der Geschichte Schlesiens und der Verehrung für Friedrich d.Gr., der es einst 1744ff. Österreich entrissen und zu einer der prosperierendsten Provinzen in Preußen gemacht hatte. Noch Hitler verstand sich in dieser Nachfolge seit dem Tag von Potsdam 1934 bis zu seinem Ende unter dem Porträt des Preußenkönigs im Keller der Reichskanzlei (pervertiert) stilisiert.

Bei Kriegsausbruch ließ sich Brigitte Penkert zur DRK-Hilfs­schwester ausbilden und gab das Kleinkind zu ihren Eltern, die nach Breslau gegangen waren. 1941 meldete sie sich freiwillig zum Einsatz an der Ostfront. Ausschließlich dort wollte sie Dienst tun; sie suchte diese Herausforderung und verweigerte sich strikt der üblichen Zwischenverlegung nach Frankreich. In ihren Briefen, in denen sich Vormarsch und Niederlage der Wehrmacht (Heeresgruppe Mitte) an der Ostfront spiegeln, fehlt (der Sprachreglung entsprechend) der Holocaust völlig, obwohl die Fronturlauber-Bahnlinie Nord-Ost direkt an Treblinka vorbeiführte und sich das größte deutsche Lazarett in nächsten Nähe befand. In Oberschlesien waren Juden bis 1938 durch eine Sonderregelung des Völkerbundes besser geschützt. Die Eltern von Brigitte Penkert hatten einer befreundeten Jüdin „Tante Lohse“ falsche Papiere besorgt (Schreibschrift Bosse und Lohse, damals in Sütterlin leicht zu fälschen), und Waldemar Pen­kert konnte seinem Freund Hans Schlesinger 1938 noch das Vermögen ohne „Reichsfluchtsteuer“ retten. Dessen ungeachtet sind die bekannten rassistischen Vor­urteile gegen die slawische Bevölkerung bei Brigitte Pen­kerts Briefen aus Russland unübersehbar, für eine Krankenschwester von der Propaganda her seinerzeit aus Hygienevorschriften (nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs) na­türlich auch vorgeschrieben. Alle Briefe spiegeln die tiefe Ver­wurzelung von Bri­gitte Penkert im völkerrechtlich umstrittenen oberschlesischen Raum als äußere und innere seelische Heimat wider. Am 19. Januar 1945 fuhr sie nach einem Kurzurlaub zurück an die in schweren Abwehrkämpfen stehende Ostfront.

Sie entkam bei Kriegsende als „letzte Schwester der Armee“ (im Zeugnis so auch genannt) mit einem Lazarettschiff dem Ostpreußenkessel (Hela/Kopenhagen/Flensburg) und wurde Mitte 1945 aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Eine kurze Nachkriegskarriere, nach Absolvierung des großen Krankenpflegeexamens, als Leitende Werksfürsorgerin der Dortmunder Hütten-Union 1953-1956, folgte, bis sie kriegsfolgenbedingt invalid und verarmt 1986 verstarb. Der Grabstein (ursprünglich Keitum/Sylt) befindet sich heute im Park-Lapi­darium von Haus Schlesien in Königswinter.

Lit.: Brigitte Penkert: Briefe einer Rotkreuzschwester von der Ostfront. Hrsg. v. Jens Ebert und Sibylle Penkert, Göttingen: Wallstein 2006.

Bild: Privatarchiv der Autorin.

Sibylle Penkert