Biographie

Petzinger, Karl von

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Homöopath
* 27. Januar 1903 in Königsberg i.Pr.
† 1. Januar 1996

In ihrer fast 200jährigen Geschichte hat sich die Homöopathie als ernst zu nehmende Alternative zur Schulmedizin behauptet, obwohl sie sich, verglichen mit dem rapiden Wandel wissenschaftlicher Medizin, in ihren Grundlagen kaum verändert hat. Nach dem Grund hierfür befragt, würde einer ihrer profiliertesten Vertreter, der Königsberger Dr. Karl von Petzinger, mit ostpreußischer Nüchternheit darauf hinweisen, daß die Homöopathie gar nicht so sehr Wissenschaft als vielmehr Heilkunst sein wolle. Seine bald 60jährige Tätigkeit als Arzt steht bis heute im Dienste dieses Prinzips.

Selbst Sohn eines Homöopathen, des Sanitätsrates Dr. Johann Friedrich von Petzinger, studierte er in Königsberg und Freiburg Medizin. Nach dem Examen erwarb er 1928 das Dispensierrecht für homöopathische Ärzte in Berlin. Er praktizierte bis zum Krieg in Königsberg. Als Stabsarzt und Chef eines Lazarettzuges erlebte er u.a. die Katastrophe von Stalingrad mit. Seiner 1944 in Königsberg ausgebombten und geflüchteten Familie folgte er nach Schleswig-Holstein, bevor er 1946 in Hameln/Weser seine bis heute bestehende Praxis eröffnete, die bald nicht nur von Hamelnern, sondern bis zu drei Vierteln von Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet aufgesucht wurde. – Schon 1947 mit dem Buch „Warum Homöopathie?“ an die Öffentlichkeit getreten, war er 1953-67 zweiter und dann bis 1972 erster Vorsitzender des Niedersächsischen Verbandes homöopathischer Ärzte, 1965-69 Vizepräsident und 1969-72 Präsident der Internationalen Liga homöopathischer Ärzte.

In seinen Werken ebenso wie in seinerärztlichen Praxis erweist sich v. P. als konsequenter Verfechter einer Medizin, deren oberstes Ziel stets die Heilung Kranker sein müsse. Die wirkliche Heilung kann nach homöopathischer Ansicht nur vom Organismus selbst geleistet werden; die Medizin hat lediglich die Aufgabe, die natürliche körpereigene Abwehr auszulösen und zu unterstützen, wofür gering dosierte Arznei-“reize“ ausreichen. Wiederholt warnte v. P. vor den gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen schulmedizinischer Chemotherapie, die mit hochkonzentrierten Wirkstoffen Symptome zwar direkt unterdrücken, Keime töten oder Schmerzen lindern könne, dafür aber dem Immunsystem nicht nur die Arbeit abnehme, sondern es sogar grundsätzlich schädige. Am Arzneimittelgesetz von 1976 bemängelte er in diesem Zusammenhang, daß es gerade jene Eigenschaft einer Arznei zum Prüfstein ihrer Wirksamkeit mache, die aus homöopathischer Sicht bereits eine schädlich hohe Konzentration voraussetzt: die nachweisbare Wirksamkeit am Gesunden. Damit würden homöopathische Medikamente, trotz ihrer (ausschließlichen) Heilwirkung am Kranken, als unwirksam degradiert. Provokativ stellte er in der Öffentlichkeit die Frage, ob medizinischer Fortschritt nicht in erster Linie an einer steigenden Zahl gesunder Menschen erkennbar sein müsse, und mit wieviel Recht ein solcher Fortschritt konstatiert werde, solange statt dessen Arzneimittelkonsum, Krankheitstage, vorzeitige Invalidisierungen und allgemeine Gesundheitskosten konstant in die Höhe gingen. – Als Vorsitzender des „Vereins selbstdispensierender homöopathischer Ärzte“ setzte v. P. sich für die Rückkehr des Dispensierrechtes (Recht zur Herstellung und Abgabe von homöopathischer Arznei an eigene Patienten) in die Hände des Arztes ein. Dieses „ärztliche Urrecht“ war den Homöopathen 1841 durch eine preußische Kabinettsordre zugestanden, jedoch seit 1933 nicht mehr neu verliehen worden, v. P. konnte erreichen, daß es wenigstens vorübergehend in den 60er Jahren noch einmal an knapp 50 seiner Kollegen verliehen wurde.

Der mit preußischem Pflichtgefühl und hoher Einfühlungsgabe begabte Arzt erhielt 1981 das Bundesverdienstkreuz und ist einer der ältesten noch praktizierenden homöopathischen Ärzte Deutschlands.

Werke (Auswahl): Warum Homöopathie? Hamburg 1947, 41971; „Das arcanische Prinzip in der Homöopathie“, Dt. Homöop. Monatsschr. 1953, 481; „Unser Weg“, ebd. 1954, 487; „Um das Dispensierrecht“, Zs. f. Klass. Homöop. 1958, 49; „Tuto, cito, iucunde“, ebd. 1958, 130; „Denkschrift zur Frage des Dispensierrechtes homöopathischer Ärzte“, ebd. 1960, 67; „Martini und die Homöopathie“, Dt. Homöop. Monatsschr. 1960, 219; „F. Hoff und die Homöopathie“, Zs. f. Klass. Homöop. 1962, 100; „Etwas über die Appetitlosigkeit“, Natürl. Heilweisen, Homöop. u. Lebenspflege 1963, 37; „Zur Aktualität der Homöopathie“, Zs. f. Klass. Homöop. 1966, 277; „Gedanken zum Jugendproblem“, Modernes Leben – Natürl. Heilen 1974,147; „Wert und Unwert einer Arzneimittelgesetzgebung“, ebd. 1976, 10; „Homöopathie und ärztliche Praxis“, Dt. Ärztebl. 1976, 1; „Homöopathie in der heutigen Zeit“, Monatsblätt. f. naturgem. Lebenspflege 1978, 259; „Gedanken zum Krebsproblem und zum ‚Fall Aristolochia‘“, ebd. 1982, 1; „Gedanken zum Heilungsproblem“, Niedersächs. Ärzteblatt 1985, 556; vgl. ebd. 871.