Biographie

Pezold, August Gerhard Wilhelm von

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Maler
* 25. Juli 1794 in Wesenberg/Estland
† 28. Februar 1859 in St. Petersburg

Als Ältester von fünf Geschwistern wuchs August auf dem väterlichen Gut Tamsal bei Wesenberg auf. Da er im Alter von acht Jahren seine Mutter (Catharina geb. Knack) und mit zehn seinen Vater (Dr. med. Johann v. Pezold) verlor, fand er im gräflich Rehbinderschen Haus auf dem benachbarten Gut Uddrich Aufnahme. Nach dem Besuch der Revaler Domschule seit 1808 studierte er, dem väterlichen Beruf folgend, 1812 bis 1814 Medizin an der Universität Dorpat, später Humanoria und Historie. Er wandte sich aber ganz der Kunst zu, obwohl sein Vormund Graf Rehbinder von seinem Entschluss nicht angetan war. Pezold ging 1814 mit Otto Friedrich Ignatius und Gustav Hippius nach Deutschland, wo sie gemeinsam bis 1815 an der Berliner Akademie u. a. bei Gottfried Schadow studierten und in dessen Haus verkehrten. Ende 1815 kamen die drei Malerfreunde in Wien an, um ihre Studien an der Akademie fortzusetzen. Zu ihnen gesellte sich noch ein Landsmann, der kurländische Maler Leberecht Eggink. Sie fanden anregende Gesellschaft bei dem der Wiener Akademie feindlich gegenüberstehenden Julius Schnorr von Carolsfeld, im Kreis der katholischen Wiener Romantik und im Salon der bekannten Schriftstellerin Caroline Pichler. 1817 machten sich Pezold und Ignatius nach Italien auf, Hippius und Eggink folgend, die bereits im September 1816 aufgebrochen waren. Die Reise ging über Triest, Venedig (Juli), Mantua, Padua und Florenz nach Rom, wo sie im Oktober 1817 eintrafen. Pezold zeichnete „auf der Akademie der Deutschen“ im Winter 1817 und verkehrte freundschaftlich mit einigen Nazarenern, wie Friedrich Overbeck, Carl Philipp Fohr, Theodor Rehbenitz sowie mit dem ihm aus Wien bekannten Julius Schnorr von Carolsfeld. April-Mai 1818 reiste er mit Hippius nach Neapel und Kalabrien. Pezold soll mit seinen Zeichnungen für Alben und Stammbücher der Reisenden auch in Neapel guten Absatz gefunden haben. In Rom fanden sich immer wieder neue Kreise mit Landsleuten, wie der Hegelianer Boris von Üxküll und der Liebhaberkomponist und spätere Gouverneur von Estland Johann v. Gruenewaldt, die zusammen mit Ignatius und Hippius sangen und als das Estländer Quartett bald über die römischen Künstlerkreise hinaus ein Begriff waren. Sprechende Dokumente der Freundschaft sind zwei Zeichnungen, welche die drei Malerfreunde vereinigen, jene von Carl Philipp Fohr, die nicht nur als Freundschaftsbild gedacht war, sondern als Studie für sein geplantes, großes Café Greco-Gruppenbildnis dienen sollte, welches durch den tragischen Tod des jungen Künstlers nicht zur Ausführung gelangte, sowie die Zeichnung Drei estländische Maler eines anderen Künstlers (Koch). 1820 hielt er sich, angeheuert als „Reisemarschall“ von dem Revaler Magnaten und Mäzen Martin Krause in Nizza auf, „ein schönes Jugendjahr, wohl unter Lust und süßer Qual“. Dort stellte er sich dem russischen Fürsten Naryschkin vor, bei dem sein Bruder Ernst Leibarzt gewesen war. Im Gefolge des Fürsten stand der junge Ludwig Richter als Reisezeichner, der in seinen Lebenserinnerungen berichtet: „Interessant war mir das Begegnen eines Malers Pezold, eines Livländers… Er kam aus Rom, und ich forschte nach den dortigen Kunstzuständen, die mir gänzlich unbekannt waren. Da hörte ich denn, zwar etwas ungläubig von dem Regen und Ringen einer neuen Kunstrichtung, deren Ziele mir fremd und unverständlich waren… Was Pezold von eigenen Arbeiten vorzeigen konnte, waren einige mit Bleistift scharf und genau gezeichnete Porträts“. Über Paris, Stuttgart und London kehrte Pezold Ende 1821 nach Estland zurück. Zunächst hielt er sich in Dorpat auf. 1825 verheiratete er sich auf Wilkenhof mit Gabriele Tiling und nahm eine Stelle als Zeichenlehrer am Smolny-Institut in St. Petersburg an. Es wurden bedrückende Jahre, der Tod von zwei Kindern und die Krankheit seiner Frau, aber auch die strenge Zensur der öffentlichen Meinung in Folge des Dekabristenaufstands 1825. Wohl auch unerfüllte berufliche Erwartungen ließen ihn 1830 in die baltische Heimat zurückkehren. Er suchte in Riga, Wenden, Fellin (1832) und Dorpat (1833) Fuß zu fassen und wandte sich dann wieder nach St. Petersburg, wo er am pädagogischen Marineinstitut unterrichtete. 1836 erhielt er eine Zeichenlehrerstelle am Revaler Gouvernements-Gymnasium. In diesem Jahr hatte er auch eine Reise nach München unternommen, wo er mit seinem Freund Theodor Rehbenitz Carl Rottmann bei dessen Hofgartenfresken half. In rascher Folge wurden vier Kinder geboren, von denen zwei, Leopold und Caroline, das künstlerische Talent ihres Vaters erbten. 1842 ließ er sich endgültig in St. Petersburg nieder, wo seine Schwester Sophie inzwischen Directrise der deutschen St. Annenschule geworden war. Am Pädagogischen Hauptinstitut, an der Universität und am Marineinstitut war Pezold als Zeichenlehrer tätig. 1854 wurde er zum Mitglied der Petersburger Akademie der Künste ernannt. Seit 1858 lehrte Pezold auch an der deutschen St. Petri-Schule. St. Petersburg, wo er 1859 verstarb, hatte ihm keinen wirtschaftlichen Erfolg ermöglicht. Er lebte, trotz vielseitiger Tätigkeit in bescheidenen Verhältnissen. Über 600 Tagebuchseiten, vorwiegend aus der St. Petersburger Zeit, haben sich im Familienbesitz und im Eta Ajaloo Instituut in Tallinn erhalten.

Etwa 400 Werktitel sind dem Biographen Bernd Koch bekannt, die Hälfte davon sind Bleistiftzeichnungen. Dominant in seinem Schaffen sind Porträts, sodann Landschaften (Bleistift und Aquarell), Militärdarstellungen, Genrebilder, Milieustudien. Auch seine mit hartem Bleistift gezeichneten Freundschaftsbildnisse, im Umkreis der Nazarener entstanden, lassen schon eine Tendenz zur Abkehr von der Romantik erkennen, um früh zu einem Realismus zu gelangen, der schon aus seinen italienischen Milieustudien spricht. Pezold ist nicht nur ein beachtenswerter Künstler für die deutschbaltische und russische Kunst seiner Zeit, sondern hat auch wesentliche Bedeutung für die Entwicklung der estnische Kunst- und Geistesgeschichte. Besonderes Interesse wandte er den Darstellungen des Volkslebens seiner estländischen Heimat zu. Diese Arbeiten haben, abgesehen von der künstlerischen Ausführung, auch großen volkskundlichen Wert. Seine estnischen Kostümbilder, in welchen er die malerischen, farbenfrohen Trachten festhielt, sind populär geworden. Sie wurden oft kopiert, sogar als Ladenschilder zum Anlocken estnischer Kundschaft. Pezold sprach gerne estnisch und so lag es nahe, dass er 1842 Mitbegründer der Estländischen Literärischen Gesellschaft in Reval war, die zum Volkserwachen der Esten beigetragen hat. 1846 wurde er von der Russischen Geographischen Gesellschaft beauftragt, eine Reise zur Erforschung und zeichnerischen Aufnahme altlivländischer Volkskultur in der Gegend von Dondangen in Kurland zu unternehmen. Dies entsprach nicht nur seiner Reiselust, sondern auch seinen volkskundlichen Interessen. Bei diesem Aufenthalt in Livland entstanden zahlreiche Aquarelle von Landschaften, Burgen und Städten. Landschaften in Öl sind in seinem Werk nicht nachweisbar. Pezold hat auch Altarbilder geschaffen, für welche er estnische Volkstypen verwendete. Dies war eine besondere künstlerische Voraussetzung für den jungen Estländer Eduard von Gebhardt, der dann als Professor der Düsseldorfer Akademie zu einem Hauptvertreter der protestantischen Malerei in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Gebhardt hat als Schüler 1854-56 im Hause Pezold in St. Petersburg gewohnt.

Ausstellungen: Immer wieder wurden in Ausstellungen Werke von Pezold gezeigt, zu seinen Lebzeiten in St. Petersburg 1842, 1846, 1850, 1852, in Reval 1850 und 1842 in der „Ersten Gemäldeausstellung inländischer Künstler“ in Riga. Außerdem war er vertreten: Reval 1918 (Kunstausstellung aus Revaler Privatbesitz), Kiel 1986 (Estnische Malerei des frühen 19. Jahrhunderts), Riga 1992 (Rigaer Geschichts- u. Schiffahrtsmuseum/ Domus Rigensis), Tallinn 1992 (Deutsches Kulturinstitut), Tallinn 1993 (Eesti Kunstimuuseum), Lüneburg 1993 sowie eine Präsentation aus Familienbesitz 1999 in Ottawa/ Kanada.

Lit.: Thieme-Becker – Leopold Pezold, Aus den Wanderjahren dreier estländischer Maler, in: Baltische Monatsschrift 1890 Bd. 36, S. 708-747, Bd. 37, S. 32-49, 107-130. – Wilhelm Neumann, Baltische Maler und Bildhauer des XIX. Jahrhunderts, Riga 1902, S. 26ff. – Willhelm Neumann, Lexikon Baltischer Künstler, Riga 1908, ND Hannover-Döhren 1972, S. 118f. – Hans Geller, Die Bildnisse der deutschen Künstler in Rom 1800-1830, Berlin 1952, S. 87f, 137, Nr. 45, 176, 361-364. – Deutsch-Baltisches biographisches Lexikon, hrsg. Wilhelm Lenz, Köln usw. 1970, S. 589. – Voldemar Vaga, Kunst Tartus XIX Sajandil, Tallin 1971 (dtsch. u. russ. Zusammenfassung), div. S., Abb. – Voldemar Vaga, Kunst Tallinnas XIX Sajandil, Tallin 1976 (dtsch. u. russ. Zusammenfassung), div. S., Abb. – Katalog Estnische Malerei des frühen 19. Jahrhunderts, Kieler Stadtmuseum, Kiel 1986, Nr. 39. – Katalog Die Zeichenschule der Universität Dorpat. Unter der Leitung von Karl August Senff von 1803-1838. Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg 1993/1994, Husum 1993, S. 59f. – Katalog Baltisaksa portreekunst Eestis 1750-1900 (Deutschbaltische Porträtkunst Estlands), Eesti Kunstmuuseum 1999, div. S. – Bernd Koch, Der Maler August Pezold aus Estland, in: Jahrb. d. Baltischen Deutschtums, Bd. XLVII, 2000, S. 134-155.

Bild: Porträt Pezolds von Gustav A. Hippius, Abb. 361, in: Die Bildnisse der deutschen Künstler in Rom.

Helmut Scheunchen