Pfohl wuchs in Elbogen an der Eger auf, wo er eine musikalische Kindheit und Schulzeit verlebte. Sein Vater war als höchster Verwaltungsbeamter des Städtchens auch ihr Chronist. Väterlicherseits entstammt Pfohl einer Lehrerfamilie, die bis ins 18. Jahrhundert im Isergebirge nachweisbar ist. Das Abitur legte er am Benediktinergymnasium im nordböhmischen Braunau ab, wo er eine humanistische Ausbildung genoss. Der Vater drängte ihn zum Studium der Rechte in Prag, das er widerwillig aufnahm. Nach ersten Opernbesuchen in Prag kam es 1883 beim Besuch der ersten Parsifal-Aufführung in Bayreuth nach Wagners Tod zu einer Art Erweckungserlebnis, das in ihm den tiefen Wunsch auslöste, sich ganz der Musik zu verschreiben.
Im Herbst 1885 siedelte er ohne das Einverständnis seiner Eltern nach Leipzig über, wo er fortan allein sein Auskommen suchen musste und sich an der philosophischen Fakultät einschrieb. Im Sommer 1887 gastierte in Leipzig die Weimarer Hofoper unter der Leitung des Liszt-Schülers Arthur Friedheim, dem Pfohl seine erste Orchesterkomposition vorlegte. Friedheim ließ das Werk mit dem Titel Die Apsarase unter Pfohls eigener Leitung im Konzert aufführen, woraufhin Oscar Paul auf ihn aufmerksam wurde und ihn als privaten Theorieschüler aufnahm. Paul, dem Pfohl seine finanziellen Nöte offenbarte, vermittelte ihm Aufträge als Rezensent von Chorkonzerten für das „Leipziger Tageblatt“. In den Folgejahren berichtete Pfohl auch über andere größere Konzerte bis hin zu den Gewandhauskonzerten und Opernaufführungen, konnte dadurch seine Honorare deutlich erhöhen und schrieb zudem für die „Kgl. Leipziger Zeitung“. Von 1889 bis 1914 leitete er die „Hausmusik“-Beilage der Familienzeitschrift „Daheim“. Leipzig war auch die Stadt, in der Pfohl die ersten festen Freundschaften zu großen Künstlern und Wissenschaftlern seiner Zeit knüpfte, darunter Ferruccio Busoni, Hans Sitt, Adolf Ruthardt, Wilhelm Rust, Hermann Kretzschmar und Edvard Grieg.
1892 fiel der Musikkritiker der „Hamburger Nachrichten“, Dr. Paul Mirsch, der Cholera zum Opfer. Auf Empfehlung Hans von Bülows wurde Pfohl sein Nachfolger und behielt diese Stellung für die folgenden 40 Jahre. Daraufhin wurde Pfohl einer der einflussreichsten Musikkritiker seiner Zeit – vergleichbar mit Eduard Hanslick in dessen Epoche. Er veröffentlichte in seinem Stammblatt rund 10.000 große Kritiken, besprach rund 100 neue Opern von rund 80 Komponisten und schrieb für zahlreiche andere Organe. Nahezu sämtliche durchreisenden Musiker machten in Hamburg bei Pfohl Station. Er stand in Korrespondenz mit den Größen des europäischen Musiklebens.
Ab 1908 war Pfohl Mitdirektor des Vogtschen Konservatoriums in Hamburg, von 1924 bis 1933 hielt er Vorträge im Hamburgischen Rundfunk. 1914 erhielt er den erstrebten Titel eines „Herzoglich Anhaltinischen Professors“ ehrenhalber. 1923 verlieh ihm die Universität Rostock überdies die Ehrendoktorwürde in Anerkennung seiner musikschriftstellerischen Verdienste.
Nach mehreren Umzügen innerhalb Hamburgs ließ sich Pfohl 1937 endgültig im Stadtteil Bergedorf nieder, dem Geburtsort Johann Adolf Hasses und der Wirkungsstätte des Händel-Forschers Friedrich Chrysander. Pfohl engagierte sich zusammen mit anderen Musikerpersönlichkeiten für die Einrichtung einer Hasse-Gesellschaft, die schließlich 1910 gegründet wurde. 1926 trat er für den Bau eines Händel-Hasse-Festspielhauses ein, der aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse in den 1920er Jahren nicht zustande kam. Im Alter unterstützte er die Arbeit der noch heute florierenden Hasse-Gesellschaft tatkräftig mit Vorträgen und rezensierte deren Konzerte.
Bis an sein Lebensende behielt er seinen böhmischen Dialekt und Tonfall bei. Sein – in Hamburg auffälliges – Grußverhalten brachte ihm allseits den Spitznamen „Professor Grüß Gott“ ein.
Pfohl starb am 16. Dezember 1949.
Neben dem Tagesgeschäft schuf Pfohl zeitlebens weitere literarische Werke von Rang. Bereits 1895 wurde sein Führer Die moderne Oper veröffentlicht und avancierte bald nach Erscheinen zum Standardwerk. Seine Biographie über Richard Wagner von 1911 war nach denen von Carl Friedrich Glasenapp, Houston Stewart Chamberlain und Julius Kapp die vierte überhaupt und galt zu ihrer Zeit ebenfalls als Referenzwerk. Seine 1925 folgende Biographie über Arthur Nikisch ist die bislang einzige Monographie über den Dirigenten und Gewandhauskapellmeister. Weitere bedeutende musikalische Schriften waren die Bayreuther Fanfaren (1891) mit ihren Fortsetzungen Die Nibelungen in Bayreuth. Neue Bayreuther Fanfaren (1897) sowie Mein Theater-Album (o. J.). Daneben verfasste der geistreiche Schriftsteller teils kuriose Belletristik wie Höllenbreughel als Erzieher (1890), Quer durch Afrika. Wüsten- und Urwaldabenteuer eines Pianisten (1891) oder auch die Reisebeschreibung West-Oestliche Fahrten. An Bord der „Prinzessin Viktoria Luise“ (1901/02). Die posthum aufgekommene Kritik an der Mitwirkung des ansonsten politisch unauffälligen 70-Jährigen am Reichs-Brahmsfest 1933 konnte mittlerweile mehrfach entkräftet werden.
Pfohls kompositorisches Schaffen trat mit zunehmender schriftstellerischer Tätigkeit in den Hintergrund, wurde jedoch nie ganz aufgegeben. Zahlreiche briefliche Zeugnisse belegen, dass Pfohl sich zeitlebens als Künstler verstand und unter dem Mangel an kompositorischer Produktion litt. Dabei schuf er beachtliche Kompositionen, die die Fürsprache prominenter Zeitgenossen wie Gustav Mahler, Felix Mottl, Arthur Nikisch, Max Reger und José Eibenschütz erweckten. Seine fünfsätzige Meer-Symphonie, eine Umarbeitung seiner Klaviersuite Strandbilder op. 8 (1892), wurde in Karlsruhe unter Felix Mottl sowie in Leipzig aufgeführt und insbesondere wegen ihrer brillanten Instrumentation vielfach gelobt. Seine Ballettszene (1899, identisch mit Graziella) erklang mehrfach in Leipzig, Berlin und Hamburg und erfreut sich auch gegenwärtig steigender Beliebtheit. Die Rhapsodie Twardowsky für großes Orchester und Männerchor mit Mezzosopransolo op. 10 (1890) wurde mit großem Erfolg vom Widmungsträger, dem Leipziger Universitätschor „Paulus“, aufgeführt und erlebte Wiederholungen beim Musikfest in Bern sowie unter der Leitung von Max Reger und Hans Sitt.
Pfohls Liedkompositionen stellen die mit Abstand größte Gattung seines Schaffens dar. Unter ihnen treten insbesondere die Mondrondels op. 4 (1891), die Sirenenlieder op. 9 (1894) und die Turmballaden op. 14 (1901) hervor. Unter den Klavierwerken offenbart Hagbart. Nordische Rhapsodie (1882) noch starke Anklänge an den von Pfohl tief verehrten Edvard Grieg. Dagegen zeigt die späteste Klavierkomposition Suite élégiaque op. 11 (1894) eine sehr eigenständige kompositorische Sprache, die Pfohl als vereinzelten Vertreter eines nordischen Impressionismus ausweisen. Zahlreiche weitere Werke Pfohls gelten zurzeit als verschollen.
Seit 1993 setzt sich die Pfohl-Woyrsch-Gesellschaft e.V. mit Sitz in Hamburg für das Wirken Pfohls und des Komponisten Felix Woyrschs (1860-1944) ein. Der Komponist Andreas Willscher veröffentlichte 2001 eine Monographie über Pfohl, die Leben und Werk Pfohls erstmals umfassend erschloss. Willscher arbeitete auch diverse Werke Pfohls u.a. für Orgel um. 2019 veröffentlichte die Bonner Pianistin Jamina Gerl, Preisträgerin des Sudetendeutschen Förderpreises für darstellende und ausübende Kunst 2015, eine CD mit Klavierwerken Pfohls (Naxos Grand Piano 784), die in drei Kategorien für den Opus Klassik 2020 nominiert wurde.
Werke: Ausführliche Verzeichnisse der musikalischen und literarischen Werke Pfohls sind auf der Homepage der Pfohl-Woyrsch-Gesellschaft e.V. zu finden: www.p-w-g.de.
Lit.: Udo Bermbach, Richard Wagner in Deutschland, Stuttgart 2011, S. 22-25 (Besprechung von Pfohls Wagner-Biographie). – Martin Branuschik, „Ferdinand Pfohl – 70. Todestag“, in: Braunauer Rundbrief, Nr. 6 (2019). – Helmut Brenner/ Reinhold Kubik, Mahlers Menschen. Freunde und Weggefährten, St. Pölten 2014, S. 180-183. – Helmut Brenner, Musikkritik am Ende des 19. Jahrhunderts am Beispiel Ferdinand Pfohls und seines Verhältnisses zu Gustav Mahler, in: Studien zum 250. Todestag Johann Matthesons. Musikschriftstellerei und -journalismus in Hamburg, hrsg. von Simon Kannenberg, Berlin 22017 (Musik und. Neue Folge, 12), S. 193-206. – Simon Kannenberg, Ferdinand Pfohl: Strandbilder op. 8, Suite élégiaque op. 11 & Hagbart. Nordische Rhapsodie, Naxos Grand Piano – GP784, Booklettext, 2019. – Wilhelm Leonhardt, Prof. Dr. Ferdinand Pfohl zum Gedenken, in: Lichtwark-Heft Nr. 24 (Dezember 1962), hrsg. Lichtwark-Ausschuß Bergedorf, Hamburg-Bergedorf. – Ferdinand Pfohl, Wie ich Musikkritiker wurde, in: ZfM Bd. 99 (1932), S. 959-961. – Ferdinand Pfohl, Leben und Schaffen. Autobiographische Skizze und kleine Erinnerungen, in: ZfM Bd. 109 (1942), S. 445-450. – Rudolf H. Pfohl, Ferdinand Pfohl – ein ‚Leib- und Seeleneigener der Musik’, in: Mitteilungen der Pfohl-Woyrsch-Gesellschaft Hamburg 1999, S. 6-36. – Das „Reichs-Brahmsfest“ 1933 in Hamburg. Rekonstruktion und Dokumentation, hrsg. Arbeitsgruppe Exilmusik am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg, Hamburg 1997. – Kurt Stephenson, Ferdinand Pfohl zum 75. Geburtstag. Vier lebende Bilder mit Prolog und Nachbesinnung, in: ZfM (1937), S. 1103–1105. – Andreas Willscher, Ferdinand Pfohl. Ein Böhme in Hamburg, Prag 2001. – Andreas Willscher, Art. „Pfohl, Ferdinand“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Ludwig Finscher, Personenteil 13, Kassel u. a. 22005, Sp. 496f.
Weblink: https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Pfohl
Bild: Pfohl-Woyrsch-Gesellschaft e.V.
Simon Kannenberg