Biographie

Pippel, Otto

Herkunft: Zentralpolen (Weichsel-Warthe)
Beruf: Maler
* 10. Februar 1878 in Lódz/Polen
† 16. Mai 1960 in Planegg bei München

Am 16. Mai 1960 ist der bedeutende Maler Otto Pippel 82-jährig gestorben. Bis zuletzt hat er, der allzeit Fleißige, gemalt. Als sein Pinsel ihm aus der Hand fiel, hörte auch sein Leben auf. Auf dem Münchener Ostfriedhof wurde das, was an ihm sterblich war, eingeäschert.Seine Bilder aber, sie hängen heute in Galerien und Kunstsammlungen, überall in der Welt.

Geboren ist Otto Pippel am 10. Februar 1878 in Lodz, als Sohn aus Westfalen eingewanderter deutscher Eltern. Lodz war damals russisch und es blieb unverkennbar, dass Otto Pippel seine Jugend im Reiche des Zaren verbracht hat, in jenem für das westliche Denken vielfach so unbegreiflichen Reich, in dem jeder leben konnte, wie er wollte, sofern er sich nur von der Politik fernhielt. Ein Bürger dieses damaligen Russlands hatte fast die natürliche Daseinsfreude und Genussfähigkeit, jenes unsentimentale Leben und Lebenlassen, das der „liberale“ Westen gerade dort nicht zu suchen pflegte.

Zwei große Begabungen hatte Otto Pippel mitgebracht: für Malerei und für Musik. Er entschied sich für die Malerei, ohne je die Musik zu vernachlässigen, die ihm sein Leben hindurch eine geliebte und tröstende Begleiterin geblieben ist.

Seinen künstlerischen Werdegang hat Otto Pippel einmal selbst wie folgt geschildert: „Mit vier Jahren habe ich die farbigen Bilder auf den Pralinenschachteln abgemalt. Mit Farbstiften. Der Lodzer Fabrikant Otto Geyer hat sie mir dann um ein paar Groschen abgekauft, damit ich wieder Stifte kaufen konnte. Ihm habe ich auch primär meinen Beruf zu verdanken. Er bewog meine Eltern, mich Maler werden zu lassen.Meine Kunstmäzenin von damals, die Lodzer Fabrikbesitzerin, Frau Paula Richter und der Bruder meiner Mäzenin, der Lodzer Industrielle, Gustav Biedermann, sorgten u.a. dafür dass ich – mit 14 Jahren – zu einem deutschen Dekorationsmaler in Lodz in die Lehre kam. Vier Jahre lang.Mit achtzehn Jahren ging ich an die Kunstschule in Straßburg. Nach Lodz zurückgekehrt, betätigte ich mich wieder als Dekorationsmaler. Es folgten vier Jahre Dienst beim russischen Militär. Nach dem Russisch-Japanischen Krieg und der Revolution von 1905 bezog ich die Akademie in Karlsruhe. Aktklasse bei Friedrich Fehr, dann später Tierklasse bei Julius Biedermann. Ein wenig erwischte ich dann noch von Victor Weißhaupt. Zwei Jahre lang kopierte ich darauf in Dresden. Dazwischen machte ich dort Naturstudien und studierte bei Gotthardt Kuehl.“

Ausgedehnte Studienreisen führten Otto Pippel nach der Krim, nach (Süd-)Italien, Frankreich.Bereits 1909 wurde Otto Pippel in Planegg bei München ansässig, wo er eine Villa in einem schönen parkähnlichen Garten bewohnte – nachdem er sich nach Abschluss seiner Lehrjahre längere Zeit in Paris aufgehalten hatte.

Hier in Paris vollzog sich bei ihm der entscheidende Durchbruch zum Impressionismus. Er lernte, dass und wie man die Sonne malen kann und der Lichtrausch, der ihn ergriff, blieb bis zum Ende seines Lebens das bestimmende Merkmal seiner Kunst. Unverkennbar übernahm Otto Pippel das impressionistische Erbe der Franzosen, die er in den 1920er Jahren in Paris bei Durand Ruel kennengelernt hatte. Das sonnendurchflutete Pleinaire, das Tempo der Motivauffassung, das Verschwimmen und Ineinandergleiten der Konturen sowie die Wahl des lebenden, sich ständig verändernden Motives bilden die Grundzüge seines – impressionistischen – Schaffens.Ihn deshalb als Nachahmer der großen Franzosen abzutun, wäre völlig falsch. Denn jeder Künstler lernte einmal von einem Vorbild.

Der Aufbau auf dem Geschauten und die Umwandlung in den persönlichen Stil, vereint mit dem unzweifelhaft vorhandenen Können, ließen ihn dann Bilder schaffen, die – auf ihre Art – seinen Vorbildern keineswegs nachstanden.Mit seiner jungen Kraft, mit Optimismus und einer seltenen Elastizität und Lebensfreude ging Otto Pippel ans Werk. Zwei Faktoren sind es, deren unbedingter Beherrschung Pippel seinen Ruhm und sein Ansehen verdankt! Fürs Erste war er ein brillanter Techniker der Farbe. Auch war der Künstler ein ausgezeichneter „Compositeur“ seiner Arbeiten.

Er schrieb dem Komponieren eines Bildes, der Zusammenstellung und dem Arrangement der Detailmotive eine große Bedeutung zu – ja, er bewertete sie höher als die Ausführung des Bildes selbst. Wie er auch in der Musik dem Arrangement – der Partitur – die Stellung über der Melodie einräumte.

Pippel entnahm seine Motive in der Hauptsache seiner bayerischen Heimat, doch auch der Gegend um den Gardasee, wo er lange in Arco wohnte, Süditalien und Frankreich. In den letzten Jahren seines Lebens flog er noch nach Sizilien und brachte eine Fülle von sonnigen Studien mit nach Hause.

Neben der Landschaft war es das Interieur, das festliche Interieur, das ihn in immer neuen Varianten begeisterte. Ob es nun ein einfacher Abend bei Bernhard Ette im Cafe Luitpold oder ein Besuch beim Gastspiel des Bolschoi-Ballettes im Deutschen Theater war, das Motiv ließ ihn nicht mehr los. Tags darauf entstanden dann im Atelier die Studien zu dem Gesehenen, gehüllt in gleißendes Licht und glänzend in festlichen, goldbraunen Tönen. Unzählige Male hat er München gemalt, belebte Straßen und Plätze, das Oktoberfest, lichtdurchflutete Biergärten und Serenaden im Brunnenhof der Residenz, Motive aus „seiner“ Stadt, wie er München nannte und in der er 82-jährig, ein reiches Œuvre hinterlassend, starb.

Otto Pippel war nicht nur Landschaftsmaler. Er war auch Porträtist. Seine Porträts wurden den besten Bildnisschöpfungen unserer Zeit an die Seite gestellt.

Mit Malern wie Ludwig Pietsch und Fritz von Uhde gehört Pippel in die Reihe der Münchener Impressionisten. Er war einer der letzten Münchener Künstler, die das Erbe des Impressionismus – der Eindruckskunst – übernommen und fruchtbar erweitert hatten.

Bild: Archiv der Deutschen aus Mittelpolen und Wolhynien, Herne.

Edmund Effenberger