Nebst seinem engeren Landsmann Alfred Roller ist Emil Pirchan der bedeutendste Bühnenbildner aus dem Sudetenraum und einer der in Therorie und Praxis maßgeblichsten Bühnenausstatter des 20. Jahrhunderts. Der Sohn des aus Südmähren stammenden Malers Emil Pirchan und der aus einem kunstfreudigen mährischen Adelsgeschlecht stammenden Karoline Edle von Sternischtie-Karlsheim hat konsequent in Ausbildung und Tätigkeit seinen Weg eingeschlagen. Er kam als Absolvent der Deutschen Technischen Hochschule Brunn an die Akademie der Bildenden Künste nach Wien und wurde Meisterschüler des Architekten Otto Wagner. Nach kurzer Tätigkeit als Professor in Brunn eröffnete er 1908 ein eigenes Atelier für Architektur, Graphik und Bühnenkunst und gründete eine private Kunstschule in München. Dort entwarf er eine Reihe von Einfamilienhäusern, entwickelte sich als Innenarchitekt und Entwerfer für Textilien. Nach dem Ersten Weltkrieg fand er zu seiner eigentlichen Laufbahn.
Die Hauptstationen sind: ab 1919 Ausstattungsdirektor der Staatstheater München, ab 1922 Ausstattungschef der Staatstheater Berlin und Dozent für Bühnenbild und Kostümlehre an der Staatlichen Hochschule Berlin, ab 1932 Ausstattungschef der Deutschen Theater in Prag und schließlich ab 1936 Bühnenbildner am Burgtheater in Wien, Professor an der Akademie der Bildenden Künste Wien, Leiter der Meisterschule für Bühnenbild und Festgestaltung an dieser Akademie. Hier konnte er seine Erfahrungen einer großen Zahl von Schülern vermitteln, in Fortsetzung seiner bereits in Prag an der Deutschen Akademie für Musik und Darstellende Kunst ausgeübten Professur. Zahlreiche sudetendeutsche Bühnenbildner sind von ihm in ihr Fach eingewiesen worden. Pirchans Lebenswerk als Bühnenausstatter umfaßt über 700 Inszenierungen für Oper, Schauspiel, Ballett und Film. Neben seinen Ausstattungen an den Staatstheatern in München, am Staatlichen Schauspielhaus und der Staatsoper, dem Theater an der Stresemannstraße, dem Lessingtheater und dem Admiralspalast in Berlin, dem Landestheater in Prag, der Staatsoper in Wien, dem Thalia-Theater in Hamburg sind Ausstattungen für die Salzburger Festspiele, für Zürich, Helsinki, New York und andere Bühnen anzuführen. Er hat nicht nur in breiter Streuung Bühnenbilder und zahllose Figurinen entworfen, sondern auch immer wieder in Praxis und Theorie zur modernen Entwicklung der Bühnentechnik beigetragen. Pirchans Nachlaß in Wien ist heute eine wichtige Quelle für Lehre und Forschung. Einige markante Beispiele seiner Bühnenentwürfe hat er dem ostdeutschen Theater-Archiv der Künstlergilde Esslingen zur Verfügung gestellt. Für den Fachmann und den Laien bietet sich aus der Rückschau ein bleibender Gewinn seines Lebenswerkes in einer Reihe von Büchern, die der hochbegabte Schriftsteller hinterlassen hat. Da sind zunächst die unmittelbar mit seinem praktischen und noch mehr mit seinem theoretischen Schaffen verbundenen Bände „Kostümkunde. Die Bekleidung aus fünf Jahrhunderten“, „Bühnenmalerei. Das Malen von Theaterdekorationen“, „Maskenmachen und Schminken. Anleitung zur Ausführung von Maskierungen“. Von den Werken zur Theatergeschichte seien erwähnt seine Überschau „Zweitausendjahre Bühnenbild“, „Dreihundertjahre Wiener Oper“, „Bühnenbrevier. Theatergeschichten, Kulissengeheimnisse, Kunstkuriosa aus alten Zeiten und Zonen“ und die Monographien über den Tänzer „Harald Kreutzberg. Sein Leben und seine Tänze“, die Tänzerin „Fanny Elßler. Eine Wienerin tanzt um die Welt“, „Therese Krones, die Theaterkönigin Altwiens“ (die aus Freudenthal in Sudetenschlesien stammende, in Wien geradezu mythisch verehrte Schauspielerin, die eine Reihe von Hauptrollen Ferdinand Raimunds, darunter seine „Jugend“, aus der Taufe hob), die Monographie über die Schauspielerin „Henriette Sontag“, das amüsante Buch „Die lachende Maske. Bühnen-Witze und Bühnen-Blitze“. Unter seinen 35 Büchern rangieren nicht zuletzt die Monographien über die Maler Hans Makart und Gustav Klimt, über seinen Lehrer, den Architekten Otto Wagner, Essays, Romane, darunter der Feuerbach-Roman „Titanensturz der Liebe“.
Dem auf vielfältige Weise weiterwirkenden Künstler und Schriftsteller wurden zahlreiche Ehrungen zuteil, darunter die „Goldene Medaille“ auf der Weltaustellung in Barcelona.