Biographie

Pitschak, Johann

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Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Forstmann, Erneuerer des rumänischen Forstwesens
† 1. Januar 1907 in Bukarest

Wer erinnert sich noch daran, dass vor 100 Jahren in Bukarest der k.u.k. Forstrat Johann Pitschak verstarb? Er gehört zu den zahlreichen deutsch-österreichischen Forstmännern, deren Pionierleistungen im Ost- und Südosteuropäischen Raum heute leider fast in Vergessenheit geraten sind, wie: E. L. Koller – Albanien; A. Stengel, F. Bernik, J. Krenmayer, O. Baigar, A. Hagmüller, F. Riedl, R. Cieslar – Griechenland; H. Veith – Türkei; A. Hohenstein, G. Paulensteiner, A. Cieslar – Russland, u.a.m.

Seine forstwissenschaftlichen und praktischen Fachkenntnisse erwarb sich Pitschak in der k.u.k. Monarchie, zu der bis 1919 das in Nordmähren gelegene Kuhländchen gehörte (heute Tschechische Republik). Leider verfügen wir heute über sehr spärliche biographische Daten zum Lebens- und Berufsgang des Modernisierers der Forstwirtschaft des damals noch jungen Königreiches Rumänien in dem zur Neige gehenden 19. Jahrhundert. Um diese Unvollständigkeit soweit möglich auszugleichen, wird die Geschichte des Forstwesens dieses Großraumes – auch nachträglich von Pitschak geprägt – etwas ausführlicher behandelt.

Geboren wurde J. Pitschak in Neutitschein (tschech. = Nový Jičin), Mittelpunkt des vom 11. Jh. bis 1945 deutschen Sprachgebietes, gelegen an der oberen Oder. Schon im 13. Jh. wurde seine Vaterstadt nach deutschem Recht an der Handelsstraße nach Polen gegründet. Leider konnte bisher sein Geburtsdatum nicht eruiert werden. Es ist anzunehmen, dass er hier die Schule besuchte, deren Abschluss ihn dann befugte, 1859 bis 1860 an der 1813 gegründeten Forstlehranstalt und Forstakademie Mariabrunn bei Wien (seit 1873 Hochschule für Bodenkultur Wien) zu studieren.

Pitschak dürfte im Alter um die 50 Jahre gestanden haben, als er – dank seiner Verdienste im österreichischen Staatsforstwesen – vom Griechisch-Orientalischen Religionsfond der Bukowina (Nordteil heute zur Ukraine, Südteil zu Rumänien gehörend) durch den damaligen Domänenminister Rumäniens P.P Carp 1890 abgeworben wurde und die Berufung nach Bukarest annahm. In Czernowitz (rum. Cernăuţi) war er u.a. 1881 gründendes Mitglied des Bukowinaer Forstvereins und einer der drei Vorsitzenden des Exekutivkomitees; zu erwähnen wäre, dass der Deutsche Forstverein achtzehn Jahre später, also 1899 ins Leben gerufen wurde.

Nach jahrhundertelanger türkischer Oberhoheit kam bekanntlich die Bukowina (Buchenland) 1775 zu Österreich und wurde 1849 Kronland. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es hier weder Waldschutz noch eine geregelte Waldbenutzung; die Bauern hatten freie Lignation (Holzberechtigung). Die Urwaldfläche dieses Großraumes gehörte fast gänzlich orthodoxen Klöstern; 1783 wurden diese säkularisiert und der Griechisch-Orientalische Religionsfond mit Sitz in Czernowitz gegründet. Österreichische Forstleute wie A. Böhm, V. Böhm, F. Charbula, E. Duchoslav, E. Guzman, L. Hauska, H. Kolck, Ch. Lippert, H. Lorenz-Liburnau, J. Opletal, K. Petraschek, J. Pitschak, H. Pichlmayer und L. Vorreiter bewirtschafteten diesen wahren Naturschatz vorbildlich, bis die Bukowina 1919 an Rumänien fiel. Der rumänische Forsthistoriker R. Ichim würdigte 1988 diese Erfolge mit den Worten: „Diese Wälder zählten zu den am besten eingerichteten und bewirtschafteten des Landes und sogar Europas.“ Ein Teil dieses Lobes gebührt J. Pitschak.

Wie hatte sich das Forstwesen Rumäniens bis zur Ankunft Pitschaks entwickelt? In den beiden Fürstentümern Moldau und Walachei (vereinigt 1861 unter dem Namen Rumänien) unterstand das Forstwesen bis 1842 keiner Regel; es herrschte eine freie Waldwirtschaft wie diese in allen Nachfolgestaaten des ehemaligen Osmanischen Reiches typisch war, so z.B. in Albanien, Griechenland etc. 1843 wurden in der Moldau, bzw. 1847 in der Walachei, die ersten Verordnungen zum Schutze des Waldes herausgegeben (das Regulament Organic). Wegen Mangel an entsprechendem Personal blieb diese sog. Parkettordnung nach französischem Muster ohne sichtbaren Erfolg. Auch die drei französischen Forstleute Richmond, Richhomme und Patras, die 1851 berufen wurden, um das Forstwesen zu organisieren und eine Forstschule aufzubauen, erzielten nicht die erwünschten Ergebnisse und verließen schon 1853 das Land.

1881 wurden Rumänien Königreich und Karl von Hohenzollern-Sigmaringen vom Fürsten zum König (Carol I.) erhoben. Nun gab man die erste Forstgesetzgebung Rumäniens (den sog. Cod silvic) heraus, dem das österreichische Reichsforstgesetz von 1852 als Vorbild diente, dessen praktische Ergebnisse im benachbarten Buchenland und in Siebenbürgen (zu Ungarn gehörend) sichtbar waren. Unter dem Domänenminister Petru Carp (1837-1918) und mit den Plänen Pitschaks zu einer Neuordnung des rumänischen Forstwesens begann ab 1890 ein bemerkenswerter Aufschwung dieses bedeutsamen Wirtschaftszweiges nach mitteleuropäischem Maße. Bis zu diesem Zeitpunkt trug die gesamte Einrichtung des rumänischen Forstwesens französischen Charakter, wobei der beträchtliche Einfluss des französischen Forstwesens darauf zurück zu führen war, dass zahlreiche Absolventen der rumänischen Forstschulen ihr Studium an ausländischen Forstlehranstalten, bevorzugt in Nancy (Frankreich), vervollkommneten. Unter dem Einfluss von P. Carp – er hatte in Heidelberg studiert –, J. Pitschak und P.A. Grunau (1860-1936), Absolvent der Forstakademie Tharandt, Direktor der Forstschule Brăneşti bei Bukarest, besuchten die rumänischen Studenten nun überwiegend Lehranstalten des deutschen Sprachraumes, wie München, Tharandt und Wien.

Nach dem Beispiel der Bukowina wurden als Erstes für das Verwaltungspersonal (Oberförster, Unterförster und Waldhüter) Dienstwohnungen gebaut, um deren soziale Stellung zu stärken. Bekanntlich waren während der rund 400-jährigen Herrschaft der Türken auf dem Balkan die großen Eichenwälder sowie teilweise auch die Karpatenfichtenwälder der Vasallenstaaten Moldau und Walachei fast gänzlich verwüstet worden, hatte man doch das Holz neben Schiffbau auch zum Pflastern der Straßen türkischer Städte verwendet. Pitschaks Hauptaufgabe bestand u.a. darin, die devastierten Waldungen zu meliorieren. Nach der damals für Mitteleuropa charakteristischen waldbaulichen Betriebsform führte Pitschak in den Gebirgswaldungen den Kahlschlagbetrieb mit künstlicher Wiederbestockung (70% Nadelholz und 30% Laubholz) ein. Man war dabei bestrebt, die großen Kahlflächen in eine wirtschaftlich gerechte Bestockung zu bringen. Weitere von Pitschak angegangene Aufgaben waren:

– Die durch Waldweide und Holznutzung verlichteten Bestände und ihre Blößen durch künstliche Verjüngung in geschlossene Bestockung zu bringen.

– Unverjüngte, alte Schläge sowie sonstige Ödflächen im Wald aufzuforsten.

– Devastierte Ausschlagwälder durch Aufforstung umzuwandeln.

Diese waldwirtschaftlichen Aufgaben verband Pitschak mit ökonomischen Zielen, nämlich der Belieferung des Marktes mit den als Nutzholz benötigten Nadelhölzern. In dieser Zeit wurden Forstgärten in unmittelbarer Nähe der Oberförstereien angelegt, so wie es auch heute noch praktiziert wird. Auch das forstliche Schulwesen erfuhr in dieser Zeit einen bis dahin kaum gekannten Aufschwung.

1895 wurde Minister P. Carp abgesetzt und 12 Jahre darauf (1907) starb J. Pitschak – ein Pionier des Forstwesens Südosteuropas – in Bukarest. Nach dem schwungvollen Aufblühen des rumänischen Forstwesens in der kurzen Zeitspanne von 1890 bis 1907 trat ein ebenso schneller Rückgang ein, der bis nach dem Ersten Weltkrieg andauern sollte.

Abschließend sei Dr. E. Fischer (1855-1921) zitiert, ein in Bukarest lebender Zeitgenosse Pitschaks, der in seinem 1911 erschienenen Buch Die Kulturarbeit des Deutschtums in Rumänien, diesen mit folgenden Worten würdigt: „Zur Reorganisation des ganzen Forstdienstes (unter P. P. Carp) wurde von Österreich der gewiegte Fachmann Forstrat Pitschak aus der Bukowina (trotz des slawischen Namens ein Deutscher) für eine Reihe von Jahren nach Rumänien beurlaubt. Was er geleistet hat, wird in den eingeweihten Kreisen unvergesslich bleiben.“

Lit.:(Chr.) Adolph, Entstehung und Entwicklung des Rumänischen Forstwesens, in: Allg. Forst- u. Jagd-Ztg., 43. Jg., 1917, S.120-136. – J. Anhauch, Forstwirtschaft und Holzindustrie in der Bukowina, Berlin, 1913, 95 S. – E. Fischer, Die Kulturarbeit des Deutschtums in Rumänien, Hermannstadt 1911, 398 S. – C.C. Giurescu, Istoria pădurii româneşti (Die Geschichte des rumänischen Waldes), Bukarest 1975, 388 S. –V. Giurgiu et al., Pădurile virgine din România (Die Urwälder Rumäniens), Louvain-la-Neuve, Belgien, 2002, 204 S. – D. Ivănescu, Din istoria silviculturii româneşti (Aus der Geschichte des rumänischen Forstwesens), Bukarest 1972, 324 S. – H. Killian, Mariabrunner Trilogie.Mitt. d. Forstl. Bundes-Versuchsanstalt Wien, 80, 1968, 302 S. – Gh. Nedici u. C.G. Zotta, Tratat de drept silvic român (Handbuch des rumänischen Forstrechts), Bukarest 1935, 256 S. – E.G. Negulescu u. G.C. Ciumac, Silvicultură (Waldbau), Bukarest 1959, 885 S. – R. Rösler, Zur Geschichte der Forstgesetzgebung in Siebenbürgen, in: Zeitschr. f. Siebenb. Landeskunde, 82. Jg., 1, 1988, Köln-Wien, S. 61-71. – R. Rösler, Dem Vergessen entreissen: südostdeutsche Forstleute. Für ein forstbiographisches Lexikon Siebenbürgens und der angrenzenden Gebiete, in: Südostdt. Viertelj.-Blätter, 45. Jg., 1, München 1996, S. 49-53. – R. Rösler, Zur Forstgeschichte Rumäniens.News of Forest History 28, 1999, Wien, S. 37. – R. Rösler, Johann Pitschak.Erinnerung an den Erneuerer des rumänischen Forstwesens, in: Kaindl-Archiv 39, 1999, S. 112-114. – R. Rösler, History of Large Scale Deforestation in the Balkan Region, in: Forest History of the Mountain Regions of the World, Nainital, Indien, 2001, S. 49-56. – R. Rösler, Verdienstvolle Aschaffenburger „Forstpolacken“ jenseits der weiß-blauen Grenze, in: Aschaffenburger Jahrb. f. Geschichte 25, 2006, S. 123-127. – E. Zierau, Aus meiner Forsteinrichtungspraxis in Rumänien, in: Tharandter Forstl. Jahrb., 1930, S. 466-481.