Biographie

Plener, Ernst von

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: österreichischer Finanzminister
* 18. Oktober 1841 in Eger/Böhmen
† 30. April 1923 in Wien

Ernst v. Plener verkörpert den letzten Ausläufer des Deutschliberalismus in der Habsburgermonarchie als regierende Partei. Als er 1895 als Finanzminister zurücktrat, stand auch der Parlamentarismus in Österreich vor einer Krise, von der er sich nie mehr ganz erholen sollte. Plener war eine tragische Gestalt, auf die damals das Wort gemünzt wurde, daß er eine große Zukunft hinter sich habe. Die Pleners waren ein Produkt der josephinischen Beamtentradition, der kultivierten Elite der altösterreichischen Bürokratie, der Vater Ignaz mehrfach österreichischer Minister in den sechziger Jahren, 1856 in den Adels-, 1906 in den Freiherrnstand erhoben. Vom Vater erbte er das Beharren auf einer soliden Finanzpolitik, die gouvernmentale Ausrichtung, ja selbst den Sitz im Parlament, das Mandat der Handelskammer von Eger, daser ihm 1873 überließ. (Ernsts Frau, eine geborene Eötvös, war übrigens die Tochter eines – ungarischen – Ministers der sechziger Jahre.) Während manche seiner späteren politischen Gegner 1866 klammheimlich den Sieg Preußens herbeiwünschten, saß der junge Diplomat in Paris und verwand Königgrätz nur schwer. Plener war und blieb ein Verfechter der Symbiose der österreichischen Deutschen mit dem habsburgischen Staat. Daß diese Prämisse von beiden Seiten her untergraben wurde, war der Fluch seiner Karriere. Als sich das Gros der Deutschliberalen unter der Führung von Eduard Herbst, von Bismarck die „Herbstzeitlosen“ geheißen, nach dem Berliner Kongreß aus Opposition gegen die Okkupation Bosniens – und deren Begleitumstände – 1878 von der Regierung lossagte, gehörte Plener zum rechten Flügel der Partei, der versuchte, zu retten, was zu retten war, den Bruch mit der Regierung und mit dem Kaiser nicht endgültig werden zu lassen. Erst nach dem Scheitern dieser Vermittlungsversuche ließ der Gegensatz zu dem Ministerpräsidenten Graf Taaffe Plener in die Rolle des Oppositionsführers hineinwachsen, die ihm im Grunde nicht lag. Taaffe, ein jovialer Kavalier, der sich im Reichsrat auf eine slawisch-klerikale Mehrheit stützte, den „Eisernen Ring“, und der verantwortungsbewußte, mit einem hervorragenden Gedächtnis begabte, doch leider humorlose Bildungsbürger, waren nicht bloß politisch ein Gegensatzpaar.

Seine Erbitterung über Taaffe machte Plener auch auf dem linken Flügel populär; der Niedergang Herbsts eröffnete ihm darüber hinaus Profilierungschancen in Deutschböhmen: 1886 schloß er sich dem Boykott des Prager Landtages an. Als sich die deutschliberale Opposition im Wiener Parlament 1888 noch einmal zu einer gemeinsamen Fraktion, der Vereinigten Deutschen Linken, zusammenschloß, spielte Plener dabei eine zentrale Rolle. Endlich schien auch die politische Großwetterlage seinen Plänen günstig: Der „Eiserne Ring“ zerfiel, Taaffe mußte Verhandlungen aufnehmen. Das Ergebnis war der größte politische Erfolg Pleners: Der Böhmische Ausgleich von 1890 – der Versuch einer Streitbeilegung zwischen Deutschen und Tschechen. Doch die Gegenseite zog ihre Zugeständnisse Schritt für Schritt zurück. Dieses Abschwenken der Tschechen zu einer unnachgiebigen Haltung führte mittelbar zum Sturz Taaffes, brachte die Deutschliberalen ein letztes Mal in und an die Regierung – doch dieser Erfolg war mit der Hypothek belastet, daß auch der „Böhmische Ausgleich“ auf der Strecke blieb.

1893 wurde Plener Minister in einer „Großen Koalition“: Das Kabinett Windischgraetz war ein Kabinett der staatstragenden Kräfte, bedrängt von den Radikalen aller Schattierungen. Der konservative Liberale Plener war ihr Mann, die Finanzen sein Ressort: Zusammen mit seinem Sektionschef Eugen Böhm v. Bawerk bereitete Plener die Einführung einer rationalen (und progressiven) Einkommenssteuer an Stelle des herrschenden kameralistischen Wirrwarrs vor. Erst unter seinem Nachfolger sollte diese Jahrhundertreform verabschiedet werden. Denn die Koalition der Gegensätze zerbrach nach weniger als zwei Jahren an ihren eigenen Widersprüchen: Den Anlaß dazu lieferte der berühmtberüchtigte Fall der slowenischen Parallelklassen am Gymnasium der untersteirischen deutschen Sprachinsel Cilli, der Deutsche und Slawen, Liberale und Klerikale gegeneinander aufbrachte. Im Juni 1895 kündigte die überwältigende Mehrheit der Liberalen – wie schon 1878 – dem Kabinett die Gefolgschaft auf – und damit auch Plener. Das Parteigetriebe war Plener nie kongenial gewesen; seine distanzierte Haltung galt schnell als Dünkelhaftigkeit. Auch von den Deutschböhmen hatte er sich zusehends entfernt: Die Deutschen in Böhmen sahen nach dem Scheitern der Hoffnungen des Jahres 1890 ihre Stellung aufs neue gefährdet und setzten auf eine immer weitergehende „nationale Autonomie“, auf die Zweiteilung Böhmens; Plener hielt am starren Zentralismus, an der Einheitlichkeit der Verwaltung fest. Irgendwann mußten sich die Wege trennen.

Plener zog sich 1895 auf den Posten eines Präsidenten des (Gemeinsamen) Rechnungshofes zurück, ab 1900 leistete er seinem Vater im Herrenhaus Gesellschaft, wo er sich seine Überzeugung nicht abkaufen ließ und 1906 einer der Wortführer gegen das allgemeine Wahlrecht war. Er erlebte noch den Fliegertod seines einzigen Sohnes im Krieg und bald danach den Untergang der Welt, die er gekannt hatte.

Nachlaß: Haus-, Hof-und Staatsarchiv Wien.

Lit.: Ernst Plener: Erinnerungen, 3 Bde. Stuttgart 1921. – Wilhelm Medinger: Ernst v. Plener, in Neue österreichische Biographie 2 (1925) S. 164-185. – Brigitte Klein: Emst v. Plener. Sein Weg zum Politiker. Phil. Diss. Wien 1980 (masch.). – Evelyn Werner: Die beiden Plener. Zwei Generationen des österreichischen Liberalismus. Phil. Diss. Wien 1980 (masch.).

Bild: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek Wien.