Biographie

Pless, Hans Heinrich XI. Fürst von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Großgrundbesitzer, Großindustrieller, Politiker
* 10. September 1833 in Berlin
† 14. August 1907 in Meißen

Nur ein einziger Grundbesitzer in Deutschland konnte vor 1918 von sich behaupten, dass ihm fast die gesamte Fläche eines Landkreises gehörte. Es war Hans Heinrich XI. Graf von Hochberg, der sich nach dem betreffenden Landkreis Fürst v. Pless nannte. Neben dem Fürstentum Pless in Oberschlesien besaß er die freie Standesherrschaft Fürstenstein mit Waldenburg und Friedland in Niederschlesien, die allerdings „nur“ ein Viertel der Fläches des Fürstentums umfasste. Mit dem Besitz von 51.000 ha Land und einem auf 100 Millionen geschätzten Vermögen war der Fürst der größte Grundbesitzer Schlesiens und einer der reichsten Männer Deutschlands.

Hans Heinrich XI., der am 10. September 1833 in Berlin geboren wurde, erhielt seine Ausbildung an einer der berühmtesten deutschen Fürstenschulen, nämlich in Schulpforta bei Naumburg. Im Jahre 1850 trat er als 17-Jähriger in die Armee ein, aus der er nach der Tod des Vaters (1855) im Rang eines Offiziers der Garde du corps ausschied, um sich der Verwaltung seines umfangreichen Besitzes in den Kreisen Pless und Waldenburg zu widmen. Lange Bildungsreisen führten ihn quer durch Europa bis in den Orient. Die drei Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 machte er als Militärinspekteur der Johanniter-Krankenpflege mit. Überhaupt blieb er dem Johanniterorden, in dem er führende Posten bekleidete, zeitlebens eng verbunden.

Seine Hauptaufgabe sah Fürst Pless freilich im Ausbau des Wirtschaftsimperiums, das ihm sein Vater hinterlassen hatte. Unter seiner Leitung erlebte es einen ungeheuren Aufschwung, was längst nicht allein auf sein Verdienst, sondern auch auf die technischen Fortschritte, insbesondere die Eisenbahn, und die günstigen Zeitumstände zurückzuführen war. In ähnlicher Weise konnten nämlich die anderen schlesischen Magnaten ihren Reichtum vermehren. Das Hauptgewicht legte der Fürst auf die Erschließung der ungeheuren Steinkohlevorkommen sowohl im Kreis Pless als auch im Waldenburger Bergland. Mit dem Ausbau gewaltiger Industrieanlagen ging die Ansiedlung der dafür benötigten Arbeitskräfte Hand in Hand. Ohne Rücksicht auf die Infrastruktur entstanden monotone und unfreundliche Arbeiterkolonien und „Industriedörfer“. Die Einwohnerzahl von Waldenburg stieg von 4.000 im Jahre 1856 auf über 20.000 im Jahre 1918. Auch wenn der Fürst in beiden Revieren einige anerkennenswerte soziale Maßnahmen zur Linderung der Armut unternahm, blieb die Not der Proletarier bestehen. Waldenburg zählte im Kaiserreich zu den notleidendsten Städten Deutschlands und der Kreis Pless im Hungerjahr 1881 zu den Notstandsgebieten Oberschlesiens. Noch im Jahre 1929 wurde ein Streifen mit dem Titel „Hunger in Waldenburg“ gedreht, der zu den frühen Dokumentarfilmen mit sozialer Thematik gehört.

Im harten Gegensatz zu der Not der Arbeiter standen der Reichtum und der Glanz, mit dem sich Fürst Pless zeit seines Lebens umgab. Sein Stammsitz, das herrlich gelegene, traditionsreiche, großenteils barocke Schloss Fürstenstein, ein schlesisches Neuschwanstein, nur eben nicht so märchenhaft-kitschig wie dieses, baute er zu einem der schönsten Prachtbauten Schlesiens aus, während er in der Stadt Pless, seinem zweiten Wohnsitz, ein neues Schloss in neubarockem Stil errichtete. Ebenfalls neu baute er ein Palais in Berlin am Wilhelmsplatz neben dem Sitz des Reichskanzlers. Hier und in Fürstenstein fanden prunkvolle Feste statt, zu denen der Fürst führende Köpfe der hohen Gesellschaft, insbesondere des Adels, einlud.

Wie die meisten schlesischen Magnaten suchte auch Fürst Pless seine wirtschaftliche Macht auf die politische auszudehnen. Die Karriere auf diesem Gebiet begann 1857, als er sich in den Schlesischen Provinziallandtag wählen ließ. Nachdem der oberschlesische Graf Eduard v. Bethusy-Huc die Freikonservative Partei, die sich im Reichstag Deutsche Reichspartei nannte, gegründet hatte, schloss er sich ihr sogleich an. Es war eine Partei von Seinesgleichen, die der Großagrarier und Großindustriellen, anfangs überwiegend Schlesier wie der Herzog v. Ratibor, die Fürsten v. Hatzfeld, v. Lichnowskiy und v. Hohenlohe sowie die Grafen v. Frankenberg und Oppersdorff. Es schien beinahe standesüblich zu sein, dass zumindest ein Mitglied jener Magnatenfamilien dem Reichstag oder dem Preußischen Abgeordnetenhaus angehörte. In den Parlamenten selbst sind die hohen Adligen relativ selten hervorgetreten und eher Hinterbänkler geblieben.

Nachdem der Norddeutsche Bund geschaffen worden war, kandidierte Fürst Pless im Februar 1867 für den konstituierenden Reichstag im Wahlkreis Pless und im August desselben Jahres im Wahlkreis Waldenburg, dem er auch nach Schaffung des Deutschen Reichstags – im ganzen sechs Legislaturperioden hindurch – bis 1884 treu blieb. Es ist bezeichnend für die starke Arbeiterschaft im Waldenburger Steinkohlenrevier, dass der Fürst bei der Hauptwahl zum 3. Reichstag 1874 nicht mehr die absolute Mehrheit gewann, sondern sich erstmals einer Stichwahl gegen einen sozialdemokratischen Bewerber stellen musste, die er allerdings mit einem Vorsprung von über 1.800 Stimmen gewann. Während er dann bei den Wahlen der Jahre 1878 und 1881 doch gleich in der Hauptwahl siegte, unterlag er 1888, worauf er sich aus der Reichspolitik zurückzog.

Allerdings gehörte Fürst Pless weiterhin dem Schlesischen Provinziallandtag und dem Preußischen Herrenhaus an, in das er 1863 als erbliches Mitglied berufen worden war. In diesem Honoratiorenparlament hatte er immer wieder Gelegenheit, seine Verbindungen mit den führenden Köpfen Preußens, auch der Verwaltung und Wissenschaft, zu pflegen.

Kontakte mit dem Kaiser pflegte Hans Heinrich überwiegend bei der Jagd in seinen wildreichen oberschlesischen Wäldern. Kaum ein Jahr verging, dass sowohl Wilhelm I. als auch Wilhelm II. nicht Pless besuchte, wo der Fürst als leidenschaftlicher Jäger einen großen Wildbestand pflegte. Wilhelm I. ernannte ihn zum Oberstjägermeister und berief ihn damit in eine der höchsten Hofchargen. Von diesem Ehrenamt trat Hans Heinrich zurück, als auf Wunsch der Regierung der Mittellandkanal gebaut werden sollte, den er wie wohl alle schlesischen Großagrarier und Großindustriellen ablehnte. Doch währte die Verstimmung zwischen ihm und dem kaiserlichen Hof nur eine relativ kurze Zeit. Nach dem Tod des Fürsten Otto v. Stolberg-Wernigerode 1896 wurde Hans Heinrich zum Kanzler des Schwarzen Adler-Ordens gewählt. Im Jahre 1905 verlieh ihm Wilhelm II. den Herzogstitel.

Verheiratet war Fürst v. Pless in erster Ehe mit Marie Gräfin v. Kleist (1828-1883) und in zweiter Ehe mit Burggräfin und Gräfin Mathilde v. Dohna-Schlobitten (1861-1943). Sohn Hans Heinrich XV. (1861-1938) aus der ersten Ehe wurde sein Nachfolger. Er heiratete 1891 die 18-jährige Engländerin Daisy Cornwall-Wests, die nicht nur durch ihre Schönheit die Gunst des englischen Königs Eduard VII. und des deutschen Kaisers Wilhelm II. eroberte. Nach ihrer Übersiedlung nach Fürstenstein wurde dieses Schloss zu einem Treffpunkt auch des europäischen Adels. In ihren viel gelesenen Erinnerungen setzte sie ihrem Schwiegervater, dem Fürsten Hans Heinrich XI., der sich liebevoll um die landfremde Engländerin sorgte, ein schöneres Denkmal als ihrem Ehegatten, dem Fürsten Hans Heinrich XV.

Lit.: Helmut Neubach, Parteien und Politiker in Schlesien, Dortmund 1888. – Handbuch des Adels, fürstliche Häuser, Bd. XIV, 1991, S. 473-474. – W. John Koch, Schloss Fürstenstein, Würzburg 1989. – Ders., Daisy von Pless, fürstliche Rebellin, Franfkurt/Main 1991. Norbert Conrads, Fürsten von Pless, in: Neue deutsche Biographie 20, 2001, S. 532-533.

Bild: Kulturstiftung.