Biographie

Pöschl, Thomas

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Priester und Chiliast
* 2. März 1769 in Höritz/ Böhmen
† 15. November 1837 in Wien

Höritz (Hořice) im Böhmerwald, unweit des Moldau-Stausees, ist durch seine Passionsspiele bekannt. Es wurde aber in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts oft genannt, weil dort 1769 Thomas Pöschl geboren war, der Urheber einer Sekte, die man nach ihm „Pöschlianer“ nannte. Pöschl ist heute fast vergessen, aber im Hausruckviertel, wo er zahlreiche Anhänger hatte, soll „Pösche­lana“ noch ein Schimpfwort sein, mit dem gegnerische Fußballmannschaften beschimpft werden, auch wenn man nicht mehr weiß, woher der Schimpfname kommt. Thomas Pöschl wurde von seiner Mutter streng religiös erzogen und studierte nach seiner Matura in Linz Theologie in Linz und Wien. 1796 wurde er zum Priester geweiht und wurde Kooperator in Braunau am Inn, dann Hilfsgeistlicher in anderen Orten und 1804 wieder Seelsorger und Katechet in Braunau. Es herrschte bereits die lange Zeit der Napoleonischen Kriege, und Pöschl betreute viele verwun­dete österreichische, bayerische und französische Soldaten. Als Priester musste er am 26. August 1806 den evangelischen Nürnberger Buchhändler Johann Philipp Palm zur Hinrichtung begleiten, da es in Braunau keinen evangelischen Geistlichen gab. Palm hatte eine anonyme antifranzösische Flugschrift drucken lassen und weigerte sich, den Autor zu benennen. Deshalb ließ ihn Napoleon im damals bayerischen Braunau erschießen. Die Hinrichtung artete zu einem tragischen Tumult aus, da Palm nicht sofort tot war. Diese Hinrichtungsszene änderte Pöschls Wesen völlig. Er sah nicht nur das Unrecht der Verurteilung zum Tode, sondern das ganze Unrecht, das Napoleon verursachte. Für ihn war Napoleon ein Teufel, gegen den er predigen wollte. Die grausame Hinrichtung war dabei der Auslöser, aber auch die Kriege und Schlachten Napoleons mit Hunderttausenden von Toten und dem Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation 1806. Manche deutsche Fürsten verrieten damals das Reich und schlossen sich Napoleon an. Dafür wurden sie wie die Herrscher Bayerns und Württembergs mit der Königskrone von Napoleon Gnaden belohnt.

Bei seinen Gläubigen war Pöschl beliebt, aber es erfolgten immer wieder Anzeigen der Behörden gegen ihn, und so wurde er von der kirchlichen Obrigkeit nach Ampflwang versetzt, wo er seine Teufelspredigten fortsetzte und sogar mit der Schwester seines Vorgängerpfarrers, die Visionen hatte, eine eigene Kirche ins Leben rief. Diese Maria Sickinger sah in ihren Visionen einer „Neuen Offenbarung“ Pöschl als Bußprediger und Reformer durch eine neue jüdisch-katholische Kirche zur Bekehrung der Juden. Pöschl fühlte sich dazu berufen und erlebte, dass viele Einwohner von Ampflwang und in den Nachbardörfern Mitglieder seiner neuen Kirche wurden. Pöschl hatte nachweislich Kontakt mit schwäbischen Mystikern wie Martin Boos, Ignaz Lindl und Johannes Evangelista Goßner, die Erweckungsbewe­gungen gründeten, Ignaz Lindl sogar in Bessarabien.

Am 27. März 1814 wurde Pöschl von der Polizei in das Priesterhaus in Salzburg gebracht, wo er suspendiert wurde und das Ordinariat versuchte, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Als das nicht gelang, wollten ihn die bayerischen Behörden in seinen böhmischen Geburtsort Höritz bringen, wo ihn aber die österreichische Polizei abwies. So kam Pöschl nach Salzburg zurück, das Napoleon den Bayern überlassen hatte. Im Erzstift St. Peter strömten ihm neue Anhänger zu, weil der Prior ihn großzügig behandelte, bis ihn 1815 die Polizei ins Gefängnis überführte, wo Pöschl am offenen Fenster sang und betete. Am 15. November 1815 wurde er exkommuniziert. Das spaltete seine Anhänger. Die Gebetsgemeinschaft „Brüder und Schwestern von Sion“ wandte sich von ihm ab, andere standen treu zu ihm und scharten sich um den Bauern Johann Haas, der sich zum Stellvertreter Pöschls und zum Apostel erklärte. Es kam zu krankhaften Auswüchsen bei „Reinigungen“ und Teufelsaustreibungen und sogar zu einem grausamen Ritualmord in Ampfl­wang am Palmsonntag 1817. Die Polizei musste einschreiten, und es gab Verletzte und einen weiteren Toten. Die Pöschlianer versuchten einen Exodus nach Prag, der aber im Schneetreiben endete. Pöschl wurde nach Wien gebracht, wo er seine Lebensgeschichte niederschrieb. Er durfte ohne Gläubige wieder allein Messe lesen, blieb aber interniert und starb im Priesterhaus in Wien am 15. November 1837. Pöschls Anhänger lebten noch eine Generation fort, und zwar in Böhmen, Franken, Baden und Hessen. Pöschlianer gab es auch unter Ausgewan­derten in Louisiana. 2012 hat der österreichische Filmemacher Cajetan Jakob in seinem Kinofilm Das falsche Herz Ereignisse aus dem Leben Pöschls eingearbeitet, mit Hannes Liebmann als Thomas Pöschl.

Lit.: BLKÖ, Bd. 23, Wien 1872, S.19-23. – ADB, Bd. 26, Leipzig 1888, S. 454f. – BBKL, Bd. 7, Herzberg 1994, S. 775.

Bild: Wikipedia gemeinfrei.

Rudolf Grulich