Biographie

Pohl, Gerhart

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schriftsteller
* 9. Juli 1902 in Trachenberg/Schlesien
† 15. August 1966 in Berlin

Gerhart Pohl, Sohn eines Sägewerkbesitzers, der zu seinen Vorfahren den Barockdichter Martin Opitz (1597-1639) und den Spätromantiker Carl Weisflog (1770-1828) zählt, besuchte das Gymnasium und studierte in Breslau und München Germanistik (Doktor der Philosophie). Er wurde in Berlin Verlagslektor und gab von 1923 bis 1930 die einflußreiche kulturpolitische Zeitschrift Die neue Bücherschau heraus. Nach Reisen in Europa und Kleinasien lebte er in Wolfshau im Riesengebirge. Wahrend der Zeit des Nationalsozialismus hatte er zeitweise Schreibverbot; seine vor 1933 publizierten Schriften waren verboten und wurden in die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ aufgenommen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er in Wolfshau zum kommissarischen Bürgermeister bestelltund kam 1946 anläßlich der Überführung des verstorbenen Gerhart Hauptmann, zu dessen Freundeskreis er gehörte, nach Ost-Berlin. Über diese Zeit berichtet er in dem Buch Bin ich noch in meinem Haus? Die letzen Tage Gerhart Hauptmanns (1953). Bis 1950 war er Lektor im Aufbau-Verlag und Redakteur an der Zeitschrift Aufbau in Ost-Berlin; danach lebte er im Westteil der Stadt. Er war Präsident der Vereinigung der deutschen Schriftstellerverbände, Vizepräsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Mitglied des Deutschen PEN-Zentrums und der (West-)Berliner Akademie der Künste. Pohl begann seine schriftstellerische Arbeit mit Fragolfs Kreuzweg (1921), einer expressionistisch beeinflußten Novelle, für die eine Ehrengabe des Rilke-Bundes erhielt. Einen ersten durchschlagenden Erfolg erzielte er mit dem Zeit- und Lebensroman Brüder Wagemann (1936), die als Angehörige der um 1900 geborenen Generation die Anfange der Jugendbewegung miterleben und dann wahrend der Kriegs- und Nachkriegsjahre heranreifen. Sein erfolgreichstes Werk, der humorvolle Roman Der verrückte Ferdinand(1939), behandelt in Form einer Rahmenerzählung den Aufstieg eines Bauernsohnes vom Zimmermannsgesellen zum reichen Industriellen und spiegelt in dem Helden, der zugleich und Spekulant heimlicher Herrscher des Landes ist, und in seinem abenteuerlichen Leben das Volkstum Schlesiens. Um dieses kreisen auch die Schlesischen Geschichten (1942), die zu der Sammlung Zwischen gestern und morgen (1948) erweitert und wiederum ergänzt in der Sammlung Wieviel Mörder gibt es heute (1953) bzw. Engelsmasken (1954). Ebenso Schlesien gewidmet ist der mit autobiografischen Zügen ausgestattete Roman Fluchtburg (1955), einem dichterischen Zeugnis des Zeitalters der „entfesselten Dämonien“ 1933-1945 und der „modernen Krankheit der Gottesferne des ichsüchtigen Intellekts“. In die gestaltenreiche Handlung, in deren Mittelpunkt ein bildender Künstler steht, dessen Landhaus in Krumenau (für Krumhübel) eine „Fluchtburg“ für Verfolgte ist, sind, wenn auch verschlüsselt, Schilderungen der Widerstandsbewegung des Kreisauer Kreises, von den letzten Tagen Gerhart Hauptmanns und der Überführung seiner sterblichen Reste, der Besetzung Schlesiens durch die Rote Armee und der Vertreibung der Ostdeutschen aus ihrer Heimat enthalten. Dieses Buch wurde mit dem Ostdeutschen Literaturpreis ausgezeichnet. Einen Höhepunkt erreichte Pohl mit der Erzählung Die Blockflöte (1944,1957, u.d.T. Harter Süden – Ein Mittelmeerroman), der Lebensbeichte eines Malers aus Ostpreußen, der sich künstlerisch an die Auffassungen eines „l‘art pour l’art“-Standpunktes und menschlich in einer Bindung an eine Millionärin verliert, aber dann in der Liebe zu einer katalanischen Hirtin zu echtem künstlerischen Schaffen reift. – Pohls umfangreiches Schaffen umfaßt ferner biographische Arbeiten (über Jean Paul und Upton Sinclair), Essays, Reiseberichte und Arbeiten für den Rundfunk. Ferner gab er Werke von Büchner, Gerhart und Carl Hauptmann, Eça de Queirós und Streuvels heraus. Seine Hauptwerke wurden in fünf Sprachen übersetzt.

Lit.: Arno Lubos: Die schlesische Dichtung im 20. Jahrhundert. 1961. – Werner Hofmann: Gerhart Pohl. Werden und Wirken. 1961 (mit Bibliographie). – Franz Lennartz, Deutsche Schriftsteller des 20. Jahrhunderts im Spiegel der Kritik. Bd. 3, 1984. – Wilhelm Kosch: Deutsches Literatur-Lexikon. 3. Aufl. Bd. 12,1990.

Bild: Eva Kramer, Minden i.W.