Biographie

Posewitz, Theodor

Herkunft: Karpatengebiet, Ungarn
Beruf: Mediziner, Geologe, Publizist
* 2. Dezember 1851 in Igló/ Zipser Neudorf/ Slowakei
† 12. Juni 1917 in Budapest

Den beruflichen Werdegang mit einem Richtungswechsel in der Tätigkeit bekam der Sohn des Dr. Samuel Posewitz und dessen zweiter Ehefrau Emeline geb. Karafiath von seinem Vater in die Wiege gelegt. Der Vater war zunächst als Physikus der Provinz der 16 Zipser Städte in Oberungarn tätig gewesen, später als Eisenindustrieller. Aus der ersten Ehe des Vaters mit Amanda Prichradny entstammte Theodors Halbschwester Eugenia (1839-1933), mit seinen älteren Geschwistern Bertha Sydonie (1844-1918), Julius (1847-1912) und Artur (1849-1916/18) sowie den beiden jüngeren Kornel (* 1852) und Ottilie (1855-1907) machten sie das Septett komplett.

Als Sohn wohlhabender Eltern wuchs Theodor in einem stattlichen Anwesen auf und besuchte das Gymnasium von Zipser Neudorf mit einem Jahr Unterbrechung, in dem er am reformierten Gymnasium in Debreczen die ungarische Sprache erlernte. Nach dem Schulabschluss absolvierte er ein Studium der Medizin an den Universitäten von Wien, Leipzig, Würzburg und Budapest. Er verließ die Universität Budapest mit dem Doktordiplom der Medizin, um zwei Jahre als praktischer Arzt tätig zu werden.

Bereits während seiner Studienzeit hatte er von Wien aus die österreichischen Alpen, von Würzburg aus Süddeutschland bereist. Die Erfahrungen auf diesen Reisen hatten sein Interesse für die Geologie geweckt, so dass er für weitere drei Jahre die Bergakademie in Freiberg (Sachsen) besuchte und von dort aus auch eine Reise nach Norddeutschland unternahm.

Noch in seiner Studentenzeit war 1871 sein Vater verstorben, und Theodor wurde zusammen mit seiner Mutter und den Geschwistern Mitgesellschafter des Eisenhammerunternehmens Samuel Posewitz in Bauschendorf/ Zips. 1878 gingen die Geschäfte offenbar schleppend. Das Unternehmen wurde um-strukturiert, die Mutter und die beiden Schwestern Bertha und Ottilie zogen sich aus der Firma zurück, wohl auch um dem ältesten Bruder Julius unter die Arme zu greifen, und die drei jüngeren Brüder Theodor, Arthur und Kornel verblieben als offene Gesellschafter zu gleichen Anteilen, wobei Theodor bereits im November 1880 die Gesellschaft verließ. 1879 war er nämlich als Militärarzt in niederländisch-ostindische Dienste getreten und verbrachte die nächsten Jahre bis 1884 auf den niederländischen Besitzungen in Ostindien: Er hielt sich fast drei Jahre in Südost-Borneo auf, daneben auf Java und Banka. Hier in Ostindien wurde 1882 sein Sohn Theodor Hendrik aus der ersten Ehe mit Sina Mina (1860-1883) geboren, nach deren frühem Tod er wohl mit dem Kleinkind nach Europa zurückkehrte. Der kleine Junge ist auf mehreren Familienfotos im großelterlichen Haus zu sehen, die der seit etwa 1872 in Stuttgart mit dem Bauunternehmer Friedrich Autenrieth verheirateten Schwester Bertha geschickt worden waren.

Während seines fünfjährigen Aufenthaltes in Ostindien hatte Posewitz sich erneut mit geologischen Arbeiten befasst. Seine Forschungsergebnisse publizierte er 1889 in Berlin in deut-scher Sprache unter dem Titel Entdeckungsreisen und Untersuchungen, 1892 in London in englischer Sprache. In ungarischer Sprache waren sie bereits von 1884 an in den Geologischen Mitteilungen (Földtani Közlöny) der Ungarischen Geologischen Reichsanstalt erschienen. In seinen Artikeln befasste er sich hauptsächlich mit den geologischen Verhältnissen auf Banka und Borneo, insbesondere aber mit dem Vorkommen von Diamanten, Gold und Kohle und deren Gewinnungsart auf Borneo sowie des Zinnes auf Banka. Diese Publikationen bildeten die Grundlage für das 1892 erschienene Werk The Physical Features and Geology of Borneo des amerikanischen Geologen und Bergbauingenieurs Frederick Henry Hatch (1864-1932) und sind bis heute von Wert.

Bei seiner Rückkehr nach Europa im Jahr 1884 befand sich eine Sammlung von volkskundlichen Gegenständen der Ureinwohner vom anderen Ende der Welt in seinem Gepäck, die diese selbst hergestellt hatten. Posewitz besaß zudem eine Waffensammlung, Natur- und Kunstprodukte der dortigen Gegend. Er gab nun seinen Arztberuf ganz auf, widmete sich ausschließlich der Geologie und mappierte die Umgebung der Hohen Tatra.

1885/87 erhielt er, zunächst noch als Hilfsgeologe, eine Anstellung bei der königlich ungarischen geologischen Reichsanstalt in Budapest, der er seine Gesteinssammlung aus Indien schenkte. 1897 zum Fachgeologen und 1908 zum Hauptgeologen auf­gestiegen, machte Posewitz während seiner dreißigjährigen Tätig­keit in diesem Institut größtenteils geologische Aufnahmen in Nordostungarn und verfasste mehrere Aufsätze über das dortige Vorkommen von Petroleum. Dadurch wurde er zum Fachgeologen für Petroleum- und Asphaltvorkommen in Ungarn.

Die Angelegenheiten des Ungarischen Karpathenvereines hatten schon frühzeitig das Interesse des begeisterten Alpinisten geweckt. Ende der 1870er Jahre steuerte er für den Bau des Touristenweges (Klotildenweg) eine namhafte Summe bei und wurde nach seiner Rückkehr aus Ostindien zum Ausschussmitglied gewählt. Er verfasste die Geschichte des Vereins zum zwanzigjährigen Bestehen in einer derartigen Ausführlichkeit, dass ihr der ganze Jahrgang 1894 gewidmet wurde. Durch die Forschungen zu dieser Vereinsgeschichte wurde er auf die älteren Tatraforscher aufmerksam. In Museen und Sammlungen spürte er deren handschriftlichen Arbeiten nach, um sie von 1899 an in der Karpathen-Post und dem früheren Zipser Boten zu veröffentlichen. Auch bereits publizierte, aber schwer erhältliche Werke der älteren Tatraforscher sammelte er − sie fanden Eingang in das Jahrbuch des Ungarischen Karpathen-vereines 1913/14, in dem auch die Autoren kurz charakterisiert sind.

Posewitz erstellte über Jahrzehnte hinweg statistische Tabellen zum Fremdenverkehr der Hohen Tatra, die er seit 1896 in den Jahrbüchern des Ungarischen Karpathenvereines veröffentlichte. Zur Jahrhundertwende publizierte er die erste Beschreibung der Liptauer Alpen im westlichen Teil der Tatra. In diesem Jahr starb die Mutter des Mittvierzigers, wodurch er Erbe eines nicht geringen Aktienpakets wurde, und seine zweite, 17 Jahre jüngere Ehefrau Adele Pap (1867-1901), zu deren Verwandtschaft Elek Pap und der Kunstmaler Heinrich Pap zählten, gebar ihm die Melitta Kornelia genannte Tochter. Auch diese Beziehung endete durch den frühen Tod der Adele nach wenigen Jahren, und Posewitz verehelichte sich ein drittes Mal mit der jungen Margarete (Margit) Schulek (1874-1945), einer Tochter des Budapester Architekten Friedrich Schulek, die ihm die Söhne Elias (1905-1913) und Guido (1908-1981) schenken sollte.

Seine Sommerurlaube verbrachte Posewitz bevorzugt in der Zips, in Iglófüred. Von dort aus durchstreifte er das Komitat, um Material für sein Reisehandbuch durch Zipsen, Hohe Tátra und Zipser Mittelgebirge zu sammeln, das erstmals 1898 in deutscher und ungarischer Sprache, 1904 in zweiter Auflage und 1909 zweibändig in dritter Auflage erschien. Für den Pester Lloyd war er viele Jahre als geographischer Mitarbeiter tätig. In seinem Interesse für alle Lebensbereiche in der Tatra lehnte er die Gründung von Sanatorien im Mittelpunkt des Gebirges entschieden ab − im Pester Lloyd unter seinem Pseudonym Montanus.

1915 musste er sich einer lebensgefährlichen Operation unterziehen, die er glücklich überstand. Noch im Sommer 1916 besuchte er − inzwischen pensioniert − seine geliebte Zips, für die er auch im Ruhestand tätig sein wollte. Ein seit dem Winter andauerndes, tückisches Leiden machte diesen Plänen ein Ende. Zwei Tage nach seinem Ableben wurden seine sterblichen Überreste auf dem berühmten Farkasreter Friedhof (Farkasréti temető) im XII. Budapester Bezirk bestattet.

Lit.: Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand Q 3/40 (Autenrieth, Bertha). − Karpathen-Post vom 21.6.1917, Titelseite − K. Papp, Posewitz Tivadar, in: Földtani Közlöny [Geologische Mitteilungen] 48 (1918), S. 83-84 (mit Geburtsjahr 1850). − Ivan Chalupecký, Art. „Posewitz, Theodor“ in: Österreichisches Biographisches Lexikon. Bd. 8, 1981, S. 220. − Rainer Rudolf/ Eduard Ulreich, Art. „Posewitz, Theodor“, in: Karpatendeutsches Biographisches Lexikon. Stuttgart 1988, S. 258. − Ernst Hochberger, Die Namen der Hohen Tatra in vier Sprachen. Herkunft und Bedeutung, hrsg. von Heike Drechsler und Heinz Schmitt. Karlsruhe 2007. − Daniela Claudia Angetter/ Bernhard Hubmann/ Johannes Seidl, Physicians and their contribution to the early history of earth sciences in Austria, in: A history of geology and medicine, edited by C.J. Duffin/ R.T.J. Moody/ C. Gardner-Thorpe, London 2013 (Geological Society Special Publication 375), S. 445-454.

Bild: Ungarisches Geologisches Institut.

Heike Drechsler-Meel