Biographie

Przywara, Erich

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Jesuit, Schriftsteller, Philosoph, Theologe
* 12. Oktober 1889 in Kattowitz/Oberschlesien
† 28. September 1972 in Hagen bei Murnau/Oberbayern

Erich Przywara war Sohn eines Kaufmanns bäuerlicher Herkunft und einer Beamtentochter.  Er selbst sah es als bedeutsam an, dass er in der Grenzregion von Deutschland, Russland und Österreich, der Drei-Kaiser-Ecke, zur Welt kam. Mit Sympathie schilderte er später die sich ergänzende Gegensätzlichkeit der Eltern, die Strenge und Präzision des Vaters, die Eleganz der Mutter. Die Eltern betrieben ein Kolonialwarengeschäft. Die Lebensumstände in Przywaras Jugend waren von äußerster Enge und Bescheidenheit bestimmt. Früh nahm ihn die Musik für sich ein, die „Landschaften Eichendorffs“ durchstreifte er allein und in Begleitung. Unmittelbar nach dem Abitur trat Przywara in die Gesellschaft Jesu ein. Das philosophische Studium führte ihn weit nach Westen, nach Valkenburg in Holland, darauf folgen die Kollegjahre in der ‚Stella Matutina‘ in Feldkirch am Vorarlberg und zwischen 1917 und 1921 das Theologiestudium  wiederum in Valkenburg. 1911 stirbt seine Mutter, ohne dass er sich noch von ihr verabschieden kann. Przywara hat dies als einen nachhaltigen und schweren Schicksalsschlag erlebt. Im Orden betätigt er sich früh schriftstellerisch, allerdings zunächst unter Pseudonymen. Nach dem Abschluss des philosophischen Doktorats wirkt er in Feldkirch als Musikpräfekt. Später sollte er seine hohe Musikalität darauf zurückführen, dass unter seinen Vorfahren wohl Zigeuner gewesen seien. Früh treten auch die außerordentliche Disziplin und eine sich selbst und den eigenen Kräftehaushalt verleugnende Ausnutzung der Arbeitszeit zutage. Przywara nutzt buchstäblich jede Minute zum Exzerpieren.

Der junge Jesuit konzentrierte sich im Einzelnen insbesondere auf das Studium der Kirchenväter, vor allem Augustins, und auf das Werk John Henry Newmans. Ihn verteidigt er in der Schrift ‚Newmans Wesen und Werk‘ gegen den in der damaligen katholischen Welt gängigen Verdacht des Modernismus. Eine Folge ist, dass dieser Verdacht künftig auch gegen ihn selbst gelenkt wird. Das Jahr 1921-1922, das Tertiatsjahr des Ordens, nutzt er zur vertieften Aneignung der Ignatianischen Schriften und der Tradition des Ordens.

Seine erste eigenständige Verwendung findet er im Redaktionskollegium der gerade erst begründeten Ordenszeitschrift ‚Stimmen der Zeit‘. Zeitgleich entwickelt er eine außerordentlich dichte Tätigkeit als Exerzitienmeister und Vortragender im In- und Ausland. Die Fülle und Intensität des Arbeitspensums, die durch eine äußerste Anspannung erkauft sind, sind vor allem in den Jahren bis 1932 erstaunlich. In der Regel publiziert Przywara im Jahr mehrere teils umfangreiche Werke, über 20 Aufsätze und hält zumindest ebenso viele Vorträge. Dabei bereist er fast alle europäischen Länder.

Auch das geradezu enzyklopädische Spektrum seiner Arbeit ist erstaunlich: Theologisch beschäftigt er sich in dieser Zeit, unter anderem im Zwiegespräch mit Guardini und Karl Adam, mit dem „Gottgeheimnis der Welt“, das die späteren Studien zur Analogie bereits präfiguriert. Philosophisch zeigt er sich auf der Höhe der Zeit. So publiziert er nicht nur das Werk ‚Geheimnis Kierkegaards‘, er setzt sich auch mit den Komplexitäten der zeitgenössischen Kantdeutung und mit der Phänomenologie, vor allem mit Scheler und Husserl, auseinander.

Auf theologischen und philosophischen Tagungen war Przywara gleichermaßen präsent. Er entwickelte ein überaus enges Netzwerk. Unter den vielen prominenten Wirkungsorten sind nur die  Davoser Hochschulwochen hervorzuheben, an denen er 1928 und 1929 teilnahm. Przywara setzte sich in diesen Jahren auch mit dem Zeitgeist, mit der „vulkanischen“ Macht des Bolschewismus auseinander. Weiter sah er in der „schöpferischen Zerstörung“ des Anarchismus einen Teil der christlichen Heils- und Leidensgeschichte; nicht weniger eindrücklich sind seine kontroverstheologischen Einlassungen zum Protestantismus. 1932 erscheint als Abschluss dieser Phase das große Werk zur ‚analogia entis‘, in dem er, in Auseinandersetzung mit Karl Barth und Max Scheler, auf die Bedeutung der Analogie verweist. In der Analogie erschließt sich das Sein, wenn sich auch durch das notwendigerweise begrenzte menschliche Erkennen die Totalität des Seins im Ganzen nie erfassen lasse.

Seit 1933 bis zu deren Verbot in der NS-Zeit wirkt Przywara dann als Schriftleiter der ‚Stimmen der Zeit‘. Seine Arbeitskraft ist aufgebraucht, die Sorge um das drohende Verbot der Zeitschrift kommt hinzu. Przywara reduziert deshalb seine Publikationen und vor allem seine Vortragsverpflichtungen rigoros. 1941 tritt das lange Befürchtete ein: die Zeitschrift wird verboten, die Mitarbeiter des Hauses zerstreuen sich in unterschiedliche Richtungen. Für Przywara sind dies Jahre einer tiefen und ernstlichen Krise, die ihn auch gesundheitlich auf das Krankenlager zwingt. Bis 1951 durchleidet Przywara eine Zeit mit zahlreichen Krankenhausaufenthalten, Phasen geringfügiger Besserung, gefolgt von massiven Rückschlägen. Durch die Betreuung in der Münchener Privatklinik ‚Carolinum‘ kann er sich erholen und allmählich im Schutzraum der Schlösser Stolberg im Harz und Guttenberg in Franken sein Werk wieder aufnehmen. Der Schwerpunkt verlagert sich nun in die Herausarbeitung des bleibend Wahren und Wegweisenden christlichen Glaubens. Dies zeigt sich in dem monumentalen Predigtwerk ‚Alter und Neuer Bund‘ (1956) und in ‚Auferstehung und Tod‘.

Aufgrund der Stabilisierung seines Zustands beauftragt ihn der Münchener Erzbischof und Kardinal Faulhaber mit der Altakademiker-Seelsorge. Im Sommer 1950 findet er in Murnau einen dauerhaften Ruheort, fernab vom Streit der Gegenwart. Doch auch die Altersjahre sind von Krankheit und Leiden gekennzeichnet. Nach einem autobiographischen Zeugnis war Przywara nur einmal in seinem Leben wirklich glücklich, während der Jahre des Noviziates.

Ungeachtet der physisch schwierigen Umstände, entsteht ein bedeutsames Spät- und Alterswerk, das sich vor allem auf das abendländische Erbe, auf Katholizität und die in der neuen Weltlage geforderte Oikoumene bezieht. Zahlreiche Verbindungen zu bedeutenden Geistern der Zeit, von C.J. Burckhardt über Manfred Schröter bis zu Heinrich Böll, weisen Przywara bis zu seinem Ende als wachen Geist aus. Als wesentlichstes Element seines Werkes hat er allerdings weder die Beiträge zur Philosophie noch zur Theologie aufgefasst, sondern seine Dichtungen im Geist der spanischen Mystik, mit ihrer musikalisch geformten Aussage vom Mysterium Salutis.

Lit.: Erich Przywara. Eine Festgabe. Düsseldorf 1969. – P. Lüning, Der Mensch im Angesicht des Gekreuzigten. Münster 2007. – M. Zechmeister, Erich Przywaras Weg negativer Theologie. Münster 1997.

Bild: https://www.helmut-zenz.de/hzprzywa.html.

Harald Seubert