Biographie

Przywara, Erich

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Jesuit, Schriftsteller, Philosoph, Theologe
* 12. Oktober 1889 in Kattowitz/Oberschlesien
† 28. September 1972 in Hagen bei Murnau/Oberbayern

In Kattowitz „wurde ich geboren als erstes Kind eines Vaters, der ans polnischer Bauernfamilie stammte, aber Kaufmann und bald Organisator der oberschlesischen Kaufmannschaft wurde, – und einer Mutter, die aus einer deutschen Beamtenfamilie aus Neisse, dem klassischen deutschen Kulturzentrum Oberschlesiens, kam. Die Linie des Vaters, vom Bauernkind zum Handelsorganisa­tor, ging damit rational progressiv, – also zum ‚Westlichen‘ hin.“

So schrieb Erich Przywara über seine Herkunft. Herkunft aus der Gegensätzlichkeit: Sprachlich, beruflich, sozial. Die aufstre­bende von Gruben und Hütten charakterisierte Industriestadt Kattowitz und die schon vor 1233 gegründete kulturgetränkte einstige Fürstentumshauptstadt, „das schlesische Rom“, zur Gänze deutschsprachig.

Erich Przywara wurde am 12 Oktober 1889 geboren, besuchte das humanistische Gymnasium seiner Vaterstadt war, ein leistungsstarker Schüler und legte 1908  eine ausgezeichnete Reifeprüfung ab: intelligent; musikalisch und poetisch talentiert. Gleich nach dem Abitur trat der 18-jährige in Exaten (Niederlande) in den Jesuitenorden ein, absolvierte das zwei Jahre dauernde Noviziat und widmete sich dann von 1910-1913 philosophischen Studien an der philosophisch-theologischen Fakultät der deutschen Jesuiten im niederländischen Valkenburg – in einer Zeit, in der noch das während des „Kulturkampfes“ im Deutschen Reich 1872 erlassene Jesuitengesetz bedrohlich über dem Orden schwebte. Von 1913-1917 wirkte Przywara als Musikpräfekt am Kollegium „Stella Matutina“ in Feldkirch (Vorarlberg/Öster­reich), wo er so manches Kirchenlied verfasste und zum Druck gab. Sein philosophisches Interesse galt Friedrich Nietzsche.

Anschließend kehrte Przywara zu seinen Ordensursprüngen zurück: in die Niederlande, zuerst nach Valkenburg und dann nach Exaten. Am Ende der für den Jesuitenorden typischen langen und gründlichen Ausbildung wurde dem bereits Dreißigjährigen am 24. August 1920 die Priesterweihe erteilt, nach der er nicht in die Gemeindeseelsorge kam – er war in seinem ganzen Leben niemals Pfarrer –, sondern – da man seine spekulativ-den­kerischen Fähigkeiten erkannt hatte – in den Schriftleiterkreis der von seinem Orden herausgebrachten und stark beachteten Stimmen der Zeit. Monatsschrift für das Geistesleben der Gegenwart nach München beordert wurde. Fast 20 Jahre wirkte er dort, bis zum 1941 von den Nationalsozialisten verhängten Ver­bot der Zeitschrift.

Trotz der großen Beanspruchung in der Redaktion arbeitete sich Przywara immer mehr hinein in wichtige philosophisch-theologi­sche Themenbereiche inmitten von geistesgeschichtlichen Auseinandersetzungen der Zeit. Die säkulare, moderne Welt entfernte sich zunehmend vom christlichen Glauben, driftete ab von ihm. Przywara versuchte – wie andere auch – eine Annäherung an die Moderne und trat ein für mehr Offenheit und Aufgeschlossen­heit ihr gegenüber, bei gleichzeitiger tieferer Erkundung der eigenen Quellgründe. Die aristotelisch-thomistische Schule, die Scholastik, und augustinische Bezüge bedurften der Erwei­terung und Ergänzung. Wo er sich denkerisch hineinkniete, ver­tiefend und innovativ, wurde er zum Experten. Im Laufe der Jahre entwickelte er sich zu einer der führenden Gestalten der Religionsphilosophie in Deutschland und erfuhr über dessen Gren­zen hinaus viel Beachtung und Anerkennung – in geistigen Kreisen. Zahlreiche Bücher hat er geschrieben und Hunderte von Auf­sätzen, letztere für viele Zeitschriften und Sammelwerke, mithin weit gestreut. Auch dem weiten Blickfeld entsprechend.

Immer wieder umkreisten seine Gedanken die überaus schwie­rigen Fragen um die „analogia entis“, die Sinngemäßheit und Vergleichbarkeit, das Sosein und Dasein, Gott und die Welt! Mit führenden Philosophen und Theologen seiner Zeit und ih­ren Gedankengängen setzte er sich auseinander, nicht nur mit Katholiken, nahm sie ernst, ließ sich anregen und er­widerte, dabei den eigenen Grundstandort nicht verlassend. Auch Immanuel Kant und Sören Kierkegaard galt sein Forschen. Neben den Veröffentlichungen standen viele Vorträge, so z.B. 1928 und 1929 bei den „Ostdeutschen Hochschulwochen“ in Neisse.

Im Zweiten Weltkrieg vollzogen sich wichtige Veränderungen in Przywaras Leben. Die Nationalsozialisten verfügten die Beschlagnahme und die am 18. April 1940 erfolgte Räumung der Jesuitenniederlassung Canisiushaus in München, in der Przywara mit einigen Mitbrüdern wohnte, darunter auch dem später im Widerstand gegen die Gewaltherrschaft tätigen und am 2. Februar 1945 hingerichteten Alfred Delp. Mit dem Juniheft 1941 musste die Zeitschrift Stimmen der Zeit eingestellt werden. Przywara musste sich also woh­nungs- und arbeitsmäßig neu orientieren, war freilich wei­terhin mit Buchvorbereitungen beschäftigt und nun auch von Michael Kardinal Faulhaber, dem Erzbischof von München, mit der Altakademiker-Seelsorge beauftragt. Zunehmend plagten ihn gesundheitliche Probleme, die ihn veranlassten, die Großstadt zu meiden und sich auf das Land, außerhalb einer Jesuitencommunität zurückzuziehen. Dennoch gelang es ihm, nach 1945 noch etwa 25 Bücher und circa 300 Aufsätze und Artikel zu schreiben.

Manches aus der Gedankenwelt von Przywara wird – so oder so – in das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) und dessen Umsetzung eingeflossen sein. Er bemängelte bei dem „Neuen Katholizismus“ das Zurückstellen des mysterium crucis – hier ist an Edith Steins Werk zu denken – und die „Verlegenheit“ des Umganges mit der Gottesmutter. In seiner Marienfrömmigkeit war er ganz ein Sohn seiner oberschlesi­schen Heimat.

Im Jahre 1967 erhielt Przywara den vom Land Nordrhein-West­falen alljährlich verliehenen Oberschlesischen Kulturpreis. Bei der Verleihungsfeier würdigte sein berühmter Schüler und Ordensbruder Karl Rahner den aus Gesundheitsgründen nicht Anwesenden u.a. mit den Worten: „… er stand in nächster persönlicher Be­ziehung zu vielen großen Geistern seiner Zeit (Edmund Hus­serl, Martin Heidegger, Romano Guardini, Karl Barth, Martin Buber, Gertrud von le Fort, Peter Lippert, Paul Schütz, Ni­colai Hartmann, Reinhold Schneider, Edith Stein, Hans Urs von Balthasar seien nur stellvertretend für die anderen ge­nannt) … er war der … unheimlich hellsichtige Gesprächs­partner fast aller bedeutsamen Theologen und Philosophen seiner Zeit – und ist doch der Einsame, der sein Werk tut, ganz hinter ihm verborgen.“ In seinem Dankeswort schrieb der Geehrte: „Ich nehme Ihre Gabe im Zeichen des großen ober­schlesischen Dichters, in dem die Deutschen in Ost, Mitte und West innigst verknüpft sind, im Zeichen Eichendorffs und im Zeichen seines Lubowitz und Neisse entgegen.“

Die Rezeption von Przywaras Forschungsergebnissen wurde dadurch erschwert, dass er großenteils sehr schwierige Themen, Grundthemen der Religion, behandelte, sehr tief schürfte und „kein Mann der leichten Feder“ war. Sei­ne Texte waren „hoch angesiedelt“, und er schrieb auch über die Köpfe vieler Intellektueller hinweg. Im Laufe der Zeit erschien (dennoch) eine sehr beachtliche Zahl von Veröffentlichungen über sein Denken, u.a. ein Aufsatz mit dem Thema Analogie von Helmut Ogiermann (1986), – auch er ein aus Oberschlesien stammender Jesuit –, in dem es heißt: „Erich Przywara (1889-1972) ist der einzige Oberschlesier, der über die Grenzen Deutschlands hinaus sich als philosophischer Theologe einen Namen mit der Aura von Genialität gemacht hat.“

Am 28. September 1972 ist Erich Przywara, Dr. phil. et theol., in Hagen bei Murnau (Oberbayern), seinem letzten Wohnort, im Alter von 82 Jahren verstorben. Die Beerdigung erfolgte auf dem Jesuiten-Friedhof in Pullach bei München.

Werke: Eucharistie und Arbeit, Freiburg i. Br. 1917, 4. AufI., 1921. Neubearb. unter dem Titel: Christus lebt in mir, Freiburg i. Br. 1929. – Gottgeheimnis der Welt. Drei Vorträge über die geistige Krisis der Gegenwart, München 1923. – Religionsbegründung. Max Scheler – J. H. Newman, Freiburg i. Br. 1923. – Majestas Divinae. Ignatia­nische Frömmigkeit, Augsburg 1925. – Religionsphilosophie katholischer Theologie, München u. Berlin 1929. – Im Ringen der Gegenwart. Gesammelte Aufsätze, 2 Bde., 1922-1927, 2 Bde., Augsburg 1929. – Analogia entis, 2 Bde., 1932 u. 1962. – Augustinus. Die Gestalt als Gefüge, Leipzig 1934. – Crucis Mysterium. Das christliche Heute, Paderborn 1939. – Thomas von Aquin, Ignatius von Loyola, Friedrich Nietzsche, in: Zeitschrift für Aszese und Mystik 11, 1936, S. 257-295, in und Gegen. Stellungnahmen zur Zeit, Nürnberg 1955. – Ignatianisch. Vier Studien zum vierhundertsten Todestag des hl. Ignatius v. Loyola, Frankfurt/Main 1956. – Mensch. Typologische Anthropologie, Bd. 1, Nürnberg 1959. – Schriften. Hrsg. v. Hans Urs v. Balthasar, 3 Bde., Einsie­deln 1962. – Oberschlesien, in: Schlesien. Eine Vierteljahresschrift, XVII, 1972, S. 237-240. – Leo Zymny, Erich Przywara. Sein Schrifttum 1912-1962, Einsiedeln 1963.

Lit.: Karl Eschweiler, Zur Krisis der neuscholastischen Reli­gionsphilosophie, in: Bonner Zeitschrift für Theologie und Seelsorge 1, 1924, S. 313-337. – Erich Przywara. Eine Festgabe, Düsseldorf 1969. – Bernhard Gertz, Glaubenswelt als Analo­gie. Die theologische Analogielehre Erich Przywaras und ihr Ort in der Auseinandersetzung um die analogia fidei, Düssel­dorf 1969. – Hermann-Josef Zoche, Zwischen Pantheismus und Theophanismus. Zur Grundlegung der Struktur der kreatürlichen und gnadenhaften Gottesbeziehung des Menschen nach der Analogielehre Erich Przywaras, Diss., Augsburg 1985. – Helmut Ogiermann, Erich Przywara SJ – Ein philosophischer Theologe. Stichwort: „Analogie“, in: Oberschlesisches Jahrbuch 2, 1986, S. 108-123. – Bernhard Gertz, Erich Przywara (1889-1972), in: Emmerich Coreth, Walter M. Neidl, Georg Pfligersdorffer (Hrsg.), Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 2: Rückgriff auf scholastisches Erbe, Graz, Wien, Köln 1988, Se 572-589.  – Bernhard Gertz, Erich Przywara. 100. Geburtstag, in: Ostdeutsche Gedenktage 1989, Bonn 1988, S. 176-179. – Karl Rahner, Laudatio auf Prof. Dr. Erich Przywara SJ, in: Erbe und Auftrag. Oberschlesischer Kulturpreis 1965-1985, hrsg. von Waldemar Zylla, Dülmen 1988 (Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien, Bd. 4), S. 15-21. – Erich Naab., Anmerkung zu Erkenntnis und Glauben. Zur Erinne­rung an Erich Przywara SJ (1889-1972), in: Forum Katholische Theologie 5, 1989, S. 25-43. – Karl H. Neufeld, Kategorien des Katholischen. P. Erich Przywara – 100 Jahre, in: Catholica 43, 1989, S. 295-311. – Eva-Maria Faber, Kirche zwischen Iden­tität und Differenz. Die ekklesiologischen Entwürfe von Romano Guardini und Erich Przywara, Würzburg 1992 (Studien zur syste­matischen und spirituellen Theologie. 9). – Hermann-Josef Zoche, Erich Przywara SJ (1889-1972), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern (6), hrsg. von Johannes Gröger, Joachim Köhler u. Werner Marschall. Sigmaringen 1992, S. 111-115. – Frans Heiduk, Oberschlesisches Literatur-Lexikon, Teil 2, Berlin 1993, S. 211-212.

Bild: https://www.helmut-zenz.de/hzprzywa.html.

Hans-Ludwig Abmeier