Biographie

Quabbe, Georg

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Rechtanwalt und Schriftsteller
* 20. März 1887 in Breslau/ Niederschlesien
† 17. Juli 1950 in Frankfurt/ Main

Wenn über die Strafverfolgung von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen in Hessen geschrieben wird, so wird damit schnell der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Verbindung gebracht. So verdienstvoll Bauers Bemühungen waren, so darf darüber nicht vergessen werden, dass schon zehn Jahre vorher der Schlesier Georg Quabbe in diesem Amt mit gleicher Energie für das gleiche Ziel gewirkt hat. Quabbe förderte die Strafverfolgung wegen der Anstaltsmassentötungen im hessischen Hadamar und in Eltville-Eichberg. In dem Strafverfahren sprach das Landgericht Frankfurt am 26.3.1947 die Urteile, dabei wurden die Angeklagten Adolf Wahlmann und Hans Bodo Gorgass zum Tode verurteilt, andere Angeklagte erhielten hohe Zuchthausstrafen. In diesem Verfahren wurden wesentliche Erkenntnisse über den Ablauf der ersten nationalsozialistischen Massentö­tungen gewonnen. Die Abschaffung der Todesstrafe im Grundgesetz rettete beiden Verurteilten das Leben.

Als Sohn einer Breslauer Kaufmannsfamilie geboren, besuchte Quabbe, der einen älteren Bruder Rudolf hatte, die Volksschule und sollte nach ihrem Abschluss in das elterliche Geschäft eintreten. Da er hierfür kein Interesse hatte, setzte er durch, das Realgymnasium am Zwinger und dann an dem zum Heiligen Geist zu besuchen. Er machte ein hervorragendes Abitur und studierte ab Herbst 1906 sieben Semester Rechtswissenschaften in Breslau und Berlin. 1909 und 1915 bestand er die beiden juristischen Staatsprüfungen und schloss 1910 die Doktorprüfung mit dem Prädikat „summa cum laude“ ab. Seine Arbeit Die völkerrechtliche Garantie trug ihm den Fakultätspreis für die beste Promotionsarbeit des Jahres ein, die Arbeit wurde 1911 in einer angesehenen Reihe veröffentlicht. Während der Referendarzeit war er erfolgreich als Repetitor tätig und bereitete Jurastudenten auf ihre Examina vor. Da er hierfür keine Erlaubnis hatte, wurde ihm die Tätigkeit verboten und er erhielt einen Verweis.

Nach seiner Ausbildungszeit leistete er seinen Kriegsdienst im Reichsmarineamt und bearbeitete dort völkerrechtliche Fragen. Für die Politikerin Gertrud Bäumer war er 1919/1920 als Assistent in der Weimarer Nationalversammlung und dann im Deutschen Reichs­tag tätig. In Breslau baute er in den folgenden Jahren eine zivilrechtlich orientierte Rechtsanwaltskanzlei auf, die ihm eine sehr gute Lebensführung ermöglichte. Seine Kanzlei gehörte in Schlesien bald zu den führenden Kanzleien, zahlreiche oberschlesische Industriekonzerne zählte er zu seinen Mandanten. In Würdigung seiner Fähigkeiten präsentierte ihn 1932 die Anwaltskammer im Oberlandesgerichtsbezirk Breslau als Rechtsanwalt am Reichsgericht in Leipzig.

Die Änderungen der Politik ab Januar 1933 vereitelten diese Anerkennung. 1927 hatte er sich in seinem Buch Tar a Ri zum gemäßigten Flügel der Jungkonservativen mit einer Position zwischen den Deutschnationalen und den Völkischen bekannt. Mit seiner Stellung zwischen Tradition und Monarchie hob er sich von dem Gehabe Alfred Hugenbergs ebenso ab wie von Edgar Julius Jung und Arthur Moeller van den Bruck, deren Gedanken dem Nationalsozi­a­lismus zuarbeiteten. Quabbes Grundüberzeugung lautete: „Für den Konservativen gilt … der Satz, daß die Summe alles menschlichen Glücks auf Erden immer gleich bleibt, für den Fortschrittler der Satz, daß eine Steigerung aller Werte möglich ist und in der Hand des Menschen liegt“ sowie „ein Konservativer im Geist und in der Wahrheit ist immer ein Gemisch von Konservatismus und Fortschritt“.

Diese Einstellung führte ihn 1931 zu den Rotariern in Breslau. Im August 1932 schloss er das Vorwort zu seinem Buch über die Utopie mit den Worten ab, „dem Geheimen Justizrat Dr. h.c. Adolf Heilberg in dankbarer Verehrung“. Das Buch konnte erst nach Heilbergs 75. Geburtstag am 14.1.1933 erscheinen, seine klar gegen den Nationalsozialismus gerichtete Tendenz gefährdete Quabbe wenige Wochen später persönlich. Als im März 1933 auf Betreiben des örtlichen Anführers SA-Gruppen jüdische Richter und Rechtsanwälte aus Breslauer Gerichten treiben wollten, trat die Anwaltskammer diesem Vorgehen entgegen. In einer Besprechung wegen dieser Vorfälle bei dem Vizekanzler Franz von Papen in Berlin am 18.3.1933 nahm neben dem Präsidenten des Oberlandesgerichts und drei Rechtsanwälten auch Quabbe teil. Die ausgeschlossenen Juristen durften in den folgenden Tagen wieder die Gerichte betreten. Dennoch wurde der SA-Anführer belohnt, am 26.3. wurde er zum Polizeipräsidenten in Breslau ernannt, kaum wird er zu dieser Zeit geahnt haben, dass er am 30.6.1934 bei der „Nacht der langen Messer“ zu den Opfern seiner Spießgesellen gehören würde. Im Rotary-Club übte Quabbe 1934/35 das Amt eines Clubsekretärs aus. Der Club beschloss 1936 mehrheitlich, den jüdischen Mitgliedern einen Austritt nahezulegen. Mit sechs weiteren Mitgliedern trat er daraufhin aus, denn alles was diese Vereinigung für ihn bisher bedeutet hatte, existierte nach diesem Beschluss nicht mehr. Dem Club half diese Feigheit nicht, am 15.10.1937 lösten sich alle Rotary-Clubs im Deutschen Reich auf. Als die Bedrängungen jüdischer und anderer Rechtsanwälte in Breslau zunahmen, unterstützte er sie auf diskrete Art und half ihnen in einer Weise, die ihn gelegentlich selber gefährdete.

Im Frühjahr 1945 musste seine Frau Elisabeth, geb. von Heyden, Breslau verlassen, sie kam in Wernigerode am Harz unter. Quabbe selber war einige Wochen in russischer Haft, bis auch er Wernigerode erreichen konnte. Dort fristete er das dürftige Leben der Flüchtlinge in damaliger Zeit. Im März 1946 beschrieb Karl Heinrich Bauer ihn: „Quabbe ist ein Phänomen. Seine hohe Intelligent – ‚der klügste Mann von Schlesien‘ – sein glänzendes Auftreten vor Gericht, seine riesige Erfahrung als unbestritten erster Anwalt im deutschen Ostraum, seine unübertreffliche Allgemeinbildung, seine glanzvolle Rednergabe, sein überlegenes Spiel mit den Nazis, sein beispielloses Eintreten für die Juden, sein Eintreten für demokratisches Staatsrecht in der Ära beginnender Diktaturgelüste, das alles stempelt ihn zu jenem Außenseiter, der heute unbedingt eingeschaltet werden muss, wenn anders je der Ruf nach eigenwilligen, starken und strahlenden Persönlichkeiten einen Sinn haben soll.“

Im Sommer 1946 gelang ihm die Übersiedlung nach Heidelberg, dort wurde ihm an der Universität ein Lehrauftrag für Staatslehre erteilt. In Heidelberg lehrte auch der erste Ministerpräsident Hessens, Professor Dr. Karl Geiler, der Quabbe aus früheren Jahren kannte. Dank seiner Bemühungen und der Bemühungen seines Justizministers wurde Quabbe am 17.10. 1946 zum Generalstaatsanwalt in Frankfurt ernannt, damit war er für das Land Hessen zuständig. Tatkräftig förderte er den Aufbau der Justiz in Hessen und führte die ersten Strafverfahren wegen nationalsozialistischer Verbrechen. Eine Krankheit riss ihn aus der sehr fordernden Tätigkeit. Mit Wirkung vom 1. September 1949 wurde er wegen einer schweren Erkrankung in den Ruhestand versetzt, dies brachte ihn und seine Ehefrau in eine schwierige wirtschaftliche Lage. Während der Krankheit und eines Kuraufenthaltes fasste er die Ergebnisse seiner langen Beschäftigung mit Goethes Leben und seinen Gedanken in einer kleinen Schrift zusammen. Hierin ist eine Rede, die er 1932 im Kreis der Breslauer Rotarier über Goethes Freunde hielt, und eine Rede, die er im Kreise der Rotarier, welche 1936 den Club verlassen hatten, über die Wetten in Goethes Faust gehalten hatte, gedruckt. Hinzu gefügt ist eine kritische Auseinandersetzung mit Karl Jaspers Rede bei der Verleihung des Goethepreises 1949. Der Versuch, den von ihm verehrten Dichter vor Missbrauch und Missgunst zu schützen, war der Abschied von der lesenden Öffentlichkeit und der Abschluss seiner schriftstellerischen Karriere. Wenige Monate später verstarb er, er wurde auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beerdigt.

 

Lit.: Karin Steimann: Leben lassen – Auf den Spuren eines unbequemen Anwalts. Leipzig 1999. – Ulrich Dieter Oppitz: Quabbe, Georg, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Nordhausen, Band XXXVIII (2017), Sp. 1127-1134 (mit weiteren Hinweisen).

Bild: Karin Steimann: Leben lassen ….

Ulrich-Dieter Oppitz