Biographie

Radecki, Carl von

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Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Komponist
* 8. März 1842 in Wohlershof/Livland
† 11. September 1885 in Davos/Schweiz

Im Abgangszeugnis des Leipziger Konservatoriums wurde Carl von Radecki bescheinigt, daß er „beziehentlich der Reife seiner theoretischen und musikalischen Kenntnisse, sowie wegen seiner vielseitigen musikalischen Ausbildung überhaupt zu den vorzüglichen Schülern des Conservatoriums der Musik“ gehöre. Diesem Zeugnis, das den Grund zu einem erfolgreichen Wirken hätte legen können, folgte keine Erfüllung der Hoffnungen, die es weckte. Sein Leben, über das sich immer der Schatten der Krankheit legte, ging überraschend zu Ende, als das kompositorische Schaffen zu reifen begann und sich neue Möglichkeiten des Wirkens in Meran eröffneten. Seine Lebenskraft entsprach nicht seinen vielseitigen Möglichkeiten, als Komponist, ausübender Künstler, Bearbeiter, Pädagoge, Kritiker und im musikorganisatorischen Bereich.

Carl Friedrich Johannes von Radecki, Sohn eines Gutsbesitzers, wurde am 8. März 1842 auf dem väterlichen Gut Wohlershof in Livland geboren, wo er auch seine Kindheit verbrachte. Früh zeigte sich musikalische Begabung. Die Mutter Johanna (geborene Vogel) wurde ihm zur ersten Lehrerin wie auch der ebenfalls musikalisch begabten einzigen, früh verstorbenen Schwester. Bereits während seiner Gymnasialzeit in Riga, wo er Schüler von Löbmann, Grosser und Herrmann war, wirkte er wiederholt bei Konzerten mit. 1861 trat er mit einem Konzert in der Johannisgilde, in welchem er auch eigene Kompositionen vorstellte, vor das Rigaer Publikum. Nach dem Tod des Vaters übersiedelten Mutter und Sohn nach Leipzig. Von 1861 bis 1864 studierte er am Leipziger Konservatorium. Seine Lehrer waren Reinecke, Hauptmann und David. Durch seine gesundheitlichen Schwierigkeiten sah er sich gezwungen, die musikalische Laufbahn aufzugeben. Bis 1866 widmete er sich bei Arnstadt einer landwirtschaftlichen Tätigkeit. Er ging dann wieder nach Leipzig zurück, wo er als Musiklehrer – besonders gefragt war sein Kompositionsunterricht – und als Stellvertreter Reineckes in der Redaktion musikalischer Zeitschriften sowie als Präsident des „Zweigvereins des Allgemeinen deutschen Musikerverbandes“ tätig war. Sein Nerven- und Lungenleiden nötigte ihn aber schließlich, die mit „aufregenden, journalistischen Kämpfen verbundene“ Leipziger Stellung, wie es in einem Nachruf heißt, aufzugeben.

1869 folgte Radecki einem Ruf als Leiter der Städtischen Musikkapelle nach Landau, jedoch wurde die Kapelle durch den Ausbruch des Deutsch-französischen Krieges im Jahre 1870, von welchem Landau als Festungsstadt besonders betroffen war, aufgelöst. Daraufhin wurde ihm die Direktion der neuen Musikschule in Karlsruhe übertragen, auch unterrichtete er am Karlsruher Hof. Aus gesundheitlichen Gründen mußte er auch diese Position bald wieder aufgeben. 1875 siedelte er nach Davos über, wo er dann als Musiklehrer tätig wurde. 1883 heiratete er in Zürich die ungarische Pianistin Irma Steinacker, welche ihm auch eine zuverlässige Begleiterin im Konzertsaal war. Häufiger ist er als Cellist aufgetreten, auch mit eigenen Werken sowie mit seinen Transkriptionen für Violoncello und Klavier nach Beethovenscher Klaviermusik, welche er auch veröffentlichte. Carl von Radecki starb völlig unerwartet in der Nacht vom 11. auf den 12. September 1885 in Davos, wo er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt wurde. In einem Nachruf war zu lesen: „Haben wir doch mit ihm einen der wenigen Vertreter des Idealen in unserem Ort verloren.“ Radeckis nicht sehr umfangreiches kompositorisches Schaffen, dessen unveröffentlichter Teil verschollen ist, zeigt den Autor als einen Vertreter der „norddeutschen Richtung“. Es galt zu einem großen Teil seinem Instrument, dem Violoncello. Besondere Beachtung verdient das Geistliche Konzert für Violoncello und Orgel, das er einem berühmten Cellisten, seinem Leipziger Lehrer, Friedrieh Grützmacher widmete und das in Dresden bei Hoffarth erschien. Seiner baltischen Heimat gedenkend, entstand ein Chor-pwerk, die Kantate auf den Johannistag. Auch Unterrichtswerke wie die Gesang-Übungen für Schule und Haus (Breitkopf) sind zunennen.

Werke: „Kleine Liebesgeschichten“ op. 2 f. Vc. u. Pfte. (André, – „Geistliches Konzert“ f. Org. u. Vc. op. 3 (Hoffarth). – „Vier Klavierstücke“ op. 19 (Merseburger). – „Suite sérieuse“ f. Vc. u. Pfte. (Merseburger). – Sonate f. Pfte. u. Vc. op. 22 (Hug) – „Serenade“ f. Vc. u. Pfte., Ms. (UA 1883 Chur m. d. Kompon.). – „Kantate auf den Johannistag“ f. Chor (Musik- Woche).

Lit.: Rigaer Theater- und Tonkünstlerlexikon, hrsg. Moritz Rudolph, S. 191, Repr. Hann.-Döhren 1975. – Historisch-biographischs Musikerlexikon der Schweiz v. Edgar Refardt, 1928, Gebr. Hug & Co Leipzig-Zürich, S. 250. – Helmut Scheunchen: Die Musikgeschichte der Deutschen in den baltischen Landen, in: Musikgeschichte Pommerns, Westpreußens, Ostpreußens und der baltischen Lande (W. Schwarz, F. Kessler, H. Scheunchen), S. 161, Dülmen 1990. – Mitt. v. Waldemar v. Radetzky/ Frangenberg, 1988. – Nachruf in: ZfM. S. 426. – Div. Artikel Davoser Zeitungen, z. Vfg. gest. v. der Dokumentationsbibliothek Davos durch Marguerite Siegrist.