Biographie

Radziwill, Elisa Prinzessin

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: Jugendliebe Kaiser Wilhelms I.
* 28. Oktober 1803 in Berlin
† 27. September 1834 in Bad Freienwalde

Elisa Prinzessin Radziwill entstammte einem ursprünglich litauischen, dann polnischen Magnatengeschlecht – in Deutschland betont man den Namen auf der ersten Silbe, im Polnischen auf der vorletzten. Die Radziwills haben im Laufe der Jahrhunderte engste Beziehungen über den litauisch-polnischen Bereich hinaus gehabt, gerade auch nach Deutschland. Aber nichts zeigt so deutlich wie die unterschiedliche Betonung des Namens, daß diese europäische Familie des Ostseeraumes im 19. Jahrhundert zwischen den Nationen gestanden hat, nachdem es immer weniger möglich wurde über den Nationen zu stehen, in dem Sinne, sich als Europäer außerhalb des werdenden nationalstaatlichen Denkens zu fühlen.

Der Vater Elisas, Anton Heinrich Fürst Radziwill (1775-1833) lebte auf seinem Besitz Antonin in Oberschlesien – oder in Berlin, wo die Radziwills ein Palais besaßen, das „Hotel de Radziwill“. Oft weilte er auch in Posen, wo er als preußischer Statthalter im Großherzog Posen residierte. Das war ein repräsentativer Posten neben dem Oberpräsidenen, der die im Posenschen lebenden Polen – mit Besetzung Radziwills – nach Vorstellung Friedrich Wilhelms III. für Preußen einnehmen sollte. Bismarck hat das später als eine Illusion eines guten Herzens bezeichnet.

Radziwill war ein hochkultivierter Mann, trat als Kunstmäzen hervor, er komponierte selbst. So förderte er Chopin und komponierte eine Bühnenmusik für Goethes Faust.

Im Jahre 1796 heiratete er Luise Prinzessin von Preußen, Schwester des großen Soldaten Prinzen Louis Ferdinand, der zwischenzeitlich als zukünftiger polnischer König ausersehen war.

Der 1797 geborene zweite Sohn Friedrichs Wilhelm III. und der Königin Luise war Wilhelm, der 1871 der erste Kaiser des neuen Deutschlands werden sollte und der nach seinem Bruder Friedrich Wilhelm IV. preußischer König geworden war, womit er niemals gerechnet hatte. Verheiratet war er mit Augusta von Sachsen-Weimar.

Bevor es aber soweit kam hatte er eine Jugendliebe, die sieben Jahre andauerte, und die Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts beschäftigte, weil sie noch einmal verdeutlichte, in wie starkem Maße eine dynastische Ehe in Bezug auf das Herrscheramt des Souveräns, der gesamten Dynastie und des ganzen Verwaltungsapparates bis hin zu den Juristen, keine Privatsache war, sondern eine offizielle, der Staatsräson unterworfene öffentliche Angelegenheit.

Neben der privaten Liebesromanze Wilhelms und Elisas, die, wie alle ähnliche Liebesromanzen auszugehen pflegen, enden mußte – nämlich glücklich oder unglücklich – in diesem Falle unglücklich, liegt aber das Besondere in dem sich heftigen ausbreitenden öffentlichen Streit.

Es ging um die „Ebenbürtigkeit“ der Familie Radziwill mit den Hohenzollern. Befürwortende und ablehnende juristische Gutachten wurden erstellt, etwa von dem seinerzeit bekannten Professor Eichhorn aus Göttingen und dem Hofjuristen von Raumer. Eichhorn bejahte die Ebenbürtigkeit, Raumer verneinte sie – es war eine juristische Argumentation, die damit aber doch eine politische wurde.

Zwar waren die Radziwills im 16. Jahrhundert Reichsfürsten des Heiligen Römischn Reiches Deutscher Nation geworden, doch hatten sie kaum von der Reichsstandschaft Gebrauch gemacht, Sitz und Stimme im deutschen Reichstag einzunehmen.

Die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1803/1806 hatte das Rechtsgefüge des einstigen Staates in vieler Hinsicht hinfälllig werden lassen, das durch mittelbare und reichsunmittelbare Rechtsbeziehungen geprägt gewesen war – so etwa auch den Unterschied zwischen einem hohen und niederem politisch ständischen Adel, was im übrigen keine Frage der Titulatur war – ein Umstand, der in gängiger und landläufiger Meinung bis heute oft nicht begriffen wird und zu folgenschweren schiefen historischen Urteilen, und damit auch zu politischen Fehlgriffen geführt hat.

Juristisch wurde entschieden, daß die Radziwills nicht ebenbürtig waren. Dies bedeutete, daß im Falle einer Heirat Wilhelm für sich und seine Nachkommen auf den Thron und sämtliche Thronansprüche hätte verzichten müssen. Die Staatsräson verbot dies, der Verzicht erfolgte. Die Liebenden trafen sich noch einmal in Posen und dann im Riesengebirge, im Schloß Fischbach, einem Hohenzollernschen Besitz, wo im übrigen auch der spätere russische Zar Nikolaus I., der Bruder Alexanders I. erschien, der mit einer Schwester Wilhelms, Charlotte (im Russ. Alexandra), verheiratet war.

Gemäß der juristischen Feststellung der mangelnden Ebenbürtigkeit, vor allem gemäß den neuesten Rechtsfestsetzungen nach Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gehörten die Radziwills weder zu den europäischen regierenden Familien, noch zu den „Standesherren“. Die letzteren bestanden aus den Reihen der ehemaligen reichsunmittelbaren Familien, die nach 1806 durch „Mediatisierung“ abgefunden waren, zugleich aber ihre Ebenbürtigkeit bestätigt bekommen hatten – im übrigen trug man ihrer Übernationalität auch dadurch Rechnung, daß man sie vom Militärdienst befreite, was bis 1918 gelten sollte. Die Ebenbürtigkeit bedeutete rechtlich, daß ein männliches Mitglied eines europäischen regierenden Fürstenhauses bei der Eheschließung mit einer Tochter aus dem Kreis der Standesherren alle weiteren Thronrechte in Anspruch nehmen konnte. Wie im vorliegenden Falle waren es die Hofbeamten, die diese Rechte besonders streng gewahrt wissen wollten.

Man versuchte nun innerhalb der Familie, die Liebe zu retten, indem man eine Adoption Elisas anstrebte und ihr damit eine deutsche Reichstandschaft zu verschaffen. Zunächst sollte der Adoptionsvater August Prinz von Preußen sein, ein unverheirateter Onkel Wilhelms, dann verfiel man auf den russischen Zaren Alexander I., den Chef des Hauses Oldenburg-Schleswig-Holstein. Friedrich Wilhelm III. trat an ihn heran in dessen „Qualität“ als Herzog von Schleswig-Holstein – war Alexander I. doch Enkel des ersten russischen Zaren aus dem Hause Schleswig-Holstein, Peters III., und Katharinas II. Sollte der russische Zar der Adoption zustimmen, hätte man auch die Zustimmung der anderen Mitglieder des Oldenburger Hauses, des Königs von Dänemark und des Herzogs, bzw. des Großherzogs von Oldenburg einholen können.

Zar Alexander war wie der preußische König den Absichten der Liebenden nicht grundsätzlich abgeneigt, vermochte aber nichts zu tun, da er kurz zuvor seinen Bruder Konstantin wegen einer nicht ebenbürtigen Heirat mit der polnischen Fürstin Lowicz von der Thronfolge hatte ausschließen müssen. Der Zar lehnte ab, freilich mit einer anderen, bemerkenswerten, aber einsichtigen juristischen Begründung: Unmittelbar nach dem Vertrag von Zarskoe Selo 1773, in dem die holsteinisch herzoglichen Anteile an Dänemark gefallen waren, hätte sein Vater, der damalige Großfürst Paul, letzter regierender Herzog von Schleswig-Holstein, zugunsten der jüngeren Linie des Hauses Schleswig-Holstein-Gottorf, die 1774 nach Vollzug des Austauschvertrages mit Dänemark die alte Stammgrafschaft Oldenburg und Delmenhorst erhalten hätten, 1774 als Herzöge von Oldenburg, verzichten müssen. Auch wenn der Zar weiterhin Chef des Hauses Oldenburg-Schleswig-Holstein sei, könne dies aber nicht die rechtliche Grundlage sein, Fremde am Rang der Familie zu beteiligen. Ob darüber hinaus durch Adoption die Ebenbürtigkeit überhaupt erreicht werden könne, stellte er in Frage, zumal ja auch dann noch das Einverständnis sämtlicher Agnaten des Hauses Oldenburg eingeholt werden müsse.

Es war eine eindeutige Absage, zeigt aber, in wie großem Maße alles nur aus einer historischen Kontinuität zu betrachten ist, wie etwa auch der phantastische Plan, Elisa den Titel einer Herzogin von Kurland zu verschaffen, um auf diesem Wege die Ebenbürtigkeit herzustellen. Diese Pläne erinnern an den Beginn des 18. Jahrhunderts, wo Herzog Karl Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorp (1700-1739), Urgroßvater Alexander I., versuchte, im Rahmen des juristischen Streites um Titulaturfragen, ebenfalls Herzog von Kurland zu werden.

Zieht man noch in Betracht, daß nach dem 1810 erfolgten Tod der Königin Luise Friedrich Wilhelm III. selbst noch einmal eine unebenbürtige Ehe mit einer Gräfin Harrach einging – mit entsprechendem Thronverzicht für mögliche Nachkommen –, so vermochten auch die neuen Titulaturen einer Fürstin von Liegnitz und einer Gräfin von Hohenzollern nichts an der juristischen Lage einer Unebenbürtigkeit zu ändern.

Der Prinz Wilhelm verzichtete und heiratete ebenbürtig – Augusta Prinzessin von Sachsen-Weimar aus dem Hause Wettin, der späteren Kaiserin. Die an Schwindsucht erkrankte Elisa erlitt 1833 in Wilhelms Palais einen Blutsturz, an dessen Folgen sie 1834 eines frühen Todes verstarb.

Ob die allgemeine Geschichte anders verlaufen wäre, wenn die erste Kaiserin in Deutschland nach 1871 eine Polin gewesen wäre, ist freilich müßig zu fragen, doch eines bleibt festzuhalten: Europa war schon einmal enger verflochten – gerade mit dem östlichen Teil – als man heute wahrhaben will. Ob der Kieler Schriftsteller Harald Eschenburg, der über die „polnische Prinzessin Elisa Radziwill“ ein gutes Buch geschrieben hat, allerdings mit seiner abschließenden, wertenden Bemerkung dem Kern der Problematik aus der Gegebenheit der Zeit, vor allem der Eingebundenheit in die Zeit, gerecht wird, bezweifeln wir. Eschenburg schreibt: „Elisas Lebensglück ist falsch verstandener preußischer Staatsräson zum Opfer gefallen.“

Lit.: G.E. v. Natzmer: Kaiser Wilhelm I., die Prinzeß Elisa Radziwill und die Kaiserin Augusta, in: Deutsche Rundschau 1890. – Theodor Schiemann: Prinzessin Elisa Radziwill und Prinz Wilhelm, in: Historische Zeitschrift 1898. – P. Bailleu: Prinz Wilhelm v. Preußen und Prinzessin Elisa Radziwill, in: Deutsche Rundschau 1911. – K. Jagow: Wilhelm und Elisa: Die Jugendliebe des Alten Kaisers, 1930.

Bild: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen

Hubertus Neuschäffer