Biographie

Ramler, Karl Wilhelm

Herkunft: Pommern
Beruf: Dichter
* 25. Februar 1725 in Kolberg/Pommern
† 11. April 1798 in Berlin

Zumindest in der Geschichte der deutschen Lyrik nimmt Karl Wilhelm Ramler einen in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerten Platz ein. So war er eine unbestrittene Autorität in Fragen der Metrik, und er legte mit seiner 1766 veröffentlichten AnthologieLieder der Deutschen nach Meinung des Rokoko-Spezialisten Alfred Anger die „beste zeitgenössische Sammlung deutscher Rokokolyrik“ vor. Schon der erste Satz desVorberichts läßt an der methodischen Klarheit und dem Qualitätsanspruch des Anthologisten keinen Zweifel: „Diese Sammlung enthält zweyhundert und vierzig Lieder derjenigen Deutschen Dichter, die von den Vergnügungen des Lebens gesungen haben. Diese Dichter sind: Hagedorn, Weiße, Gleim, Uz, Lessing, Ebert, Zachariä; imgleichen die Frau Unzerinn. Kleist, Beyer, Müller, Ewald, Kronegk, Gerstenberg.“ Was anakreontischen Rang undNamen hat, ist hier versammelt. Mit dem Hinweis, daß alle diese Lieder „nach und nach mit Melodien“ herausgegeben werden sollen, versuchte Ramler seine oftmals weitreichenden Eingriffe in die Textgestalt der ausgewählten Gedichte zu rechtfertigen. Kaum einer widersprach diesen Korrekturen. Selbst Lessing ließ Ramler bei der Durchsicht seiner kleineren Texte frei gewähren, beriet sich mit ihm überdies bei der Arbeit an seinen Dramen und verteidigte ihn lebenslang. Proteste wie die Lichtwers, der sich schon 1761 gegen Ramlers ungenierte Bearbeitung seiner Fabeln undErzählungen zur Wehr setzte, blieben folgenlos.

Diese (hauptsächlich formale) Kompetenz hatte Ramler durchharte Arbeit erlangt. Vor allem seine ständig verbessertenÜbersetzungen der Horazischen Oden (1769-1787) schärften und erweiterten seine Formkenntnisse. Von der fachlichen Zuständigkeit zur praktischen Pedanterie wurde der Weg bei Ramler im Lauf der Jahre jedoch immer kürzer; nicht zuletzt hinsichtlich seiner eigenen Dichtungen. Beherrschung der formalen Mittel und der antik-mythologischen Topik garantieren nicht auch schon diePoesieeiner deutschen Ode, wie das Gedicht „Auf die Wiederkunft des Königs vom Feldzuge“ unschwer erkennen läßt, das der Ode des Horaz III/14 nachgestaltet ist. Die elf Strophen nehmen den Abend des 30. März 1763 zum Anlaß, an dem Friedrich II. unbemerkt nach Berlin zurückgekehrt war.

  Er kömmt, um den du bebtest, wann im Streite,

Wohin ihn dein Verhängnis trug,

Der ehrne Donner von den Bergen ihm zur Seite

Die Feldherrn niederschlug;

 

  Er, wider den mehr Feinde sich gesellten,

Als dir die Nachwelt glauben darf,

Und der mit unerschrockner Seele sich zwei Welten

Allein entgegenwarf;

 

  Dein König, o Berlin! Durch den du weiser

Als alle deine Schwestern bist,

Voll Künste deine Thore, Felsen deine Häuser,

Die Flur ein Garten ist;

 

  Dein Vater, der dich in der Teurung nährte,

Er kömmt, mit Staub und Ruhm bedeckt,

Und hat die Zwietracht, die der Völker Mark verzehrte,

Zur Höll’ hinabgeschreckt.

 

  (…)

 

  Ihr edeln Mütter, opfert Spezereien,

Die Sabatha den Tempeln zollt,

Da, wo sein goldner Wagen durch gedrängte Reihen

Entzückter Augen rollt.

 

  Heil uns, daß unser Morgen in die Tage

Des einzigen Monarchen fiel!

So sagt, ihr Jünglinge. Du, Chor der Alten, sage:

Heil uns, daß wir das Ziel

 

  So kronenwerter Thaten sahn! wir sterben

von Wonne trunken: Friederich

Bleibt hinter uns; ihr stolzen Enkel sollt ihn erben.

Triumph! so sag’ auch ich,

 

  Wenn unter lauten jubelvollen Zungen

Ein süßer Ton auch mir geriet;

Triumph! ich hab’ ein Lied dem Göttlichen gesungen,

Und ihm gefällt mein Lied.

Daß wir hier einen bedingungslosen Bewunderer Friedrichs II. vor uns haben, liegt offen zutage. Ramler stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar unter den (vornehmlich anakreontischen) Dichtern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. „Fritzisch“ waren auch Gleim oder Ewald Christian von Kleist gesinnt. Doch Ramler überbot alle durch seine rundum preußisch-patriotische Gesinnung, die sich nicht nur auf den König selbst bezog, sondern auf schlechthin alles, was mit dem preußischen Staat in Zusammenhang gebracht werden konnte.

Der Sohn eines Akzise-Inspektors besuchte zunächst die Stadtschule seiner (vom mächtigen Mariendom beherrschten) ostpommerschen Heimatstadt, seit 1736 die Lateinschulen im Schinmeyerschen Waisenhaus zu Stettin und von 1736 bis 1742 im Waisenhaus zu Halle a. S. Hier begann er auch ein Theologiestudium, das der überaus freigeistige Ramler jedoch bald abbrach. Ansätze zum Medizin- bzw. Jurastudium gediehen ebenfalls nicht weit. Zu lebenslangen literarischen Studien führte aber die Begegnung mit dem sechs Jahre älteren Gleim 1745 in Berlin, der Ramler in seinen großen Bekanntenkreis einführte und mit dem ihn bald eine enge Freundschaft verband. Mit zeitüblichen Hofmeisterstellen hielt sich Ramler bis zum Sommer 1748 über Wasser, als ermaître de la philosophieam Kadettenkorps in Berlin wurde. Diese Professur war zwar miserabel besoldet, die pädagogischen Erfolge Ramlers zudem eher kläglich, doch verharrte er bis 1790 in diesem Amt. Zum einen lag ihm die Lehrtätigkeit in Philosophie und den Schönen Wissenschaften (vor allem in der zeitweise gepflegten Form öffentlicher Vorlesungen in seiner Wohnung), andererseits war ihm das geistige Leben im Berlin Friedrichs des Großen längst unentbehrlich geworden.1786 wurde er Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Gleichzeitig verbesserte sich seine materielle Lage durch eine für damalige Verhältnisse großzügige Ehrenpension durch König Friedrich Wilhelm II. Auf Vorschlag von J. J. Engel wurde Ramler 1787 zu dessen Kodirektor am Königlichen Nationaltheater in Berlin ernannt; von 1794 bis 1796 hatte er die alleinige Leitung inne.

Die persönliche Lebensführung Ramlers blieb auch in den letzten, von einem gewissen Wohlstand geprägten Jahren preußisch-genügsam. Wie die meisten seiner Dichterfreunde blieb er unverheiratet. Die zahlreichen Freundschaften wurden zum persönlichen, der Titel einesdeutschen Horaz zum beruflichen Sinn seines Daseins. Im Umfeld des Freundschaftskultes des 18. Jahrhunderts kommt Ramler eine nicht nur kulturgeschichtlich aufschlußreiche Rolle zu, deren detaillierte Erforschung noch aussteht. Daß gerade die sinnstiftende Freundschaft im Falle Ramlers keineswegs problemlos funktionierte, zeigt besonders das Zerwürfnis mit seinem ältesten Freund Gleim (1765). Bis zum Tod währte dagegen die Freundschaft mit Kleist, Götz und Lessing.

Werke: Poetische Werke. Hg. Von L. F. G. von Göckingk. 2 Bde. 1979 (= Reprint der Parallelausgabe Wien 1801). – Anakreontiker und preußisch-patriotische Lyriker. Zwei Teile in einem Bande. Hagedorn. Gleim. Uz. Kleist. Ramler. Karschin. Hrsg. von Franz Muncker. Stuttgart o. J. (= Deutsche National-Literatur. Historisch kritische Ausgabe. Hrsg. von Joseph Kürschner, 45. Band). – Lieder der Deutschen. Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1766. Hrsg. von Alfred Anger. Stuttgart 1965 (= Deutsche Neudrucke. Reihe: 18. Jahrhundert).

Lit.: Alfred Anger: Literarisches Rokoko. Stuttgart 1962 (= Sammlung Metzler 25).

Bild: Anakreontiker und preußisch-patriotische Lyriker. Stuttgart o. J. – undatiert.

 

    Walter Dimter