Biographie

Rapoport, Salomon Juda

Herkunft: Rußland (Wolga- u. Schwarzmeer)
Beruf: Rabbiner, Gelehrter, Aufklärer
* 1. Juni 1790 in Lemberg/ Ukraine
† 16. August 1867 in Prag

Rapoport wurde im seit 1772 österreichischen Lemberg in Galizien in einem sehr religiös geprägten jüdischen Elternhaus geboren und im Judentum erzogen. Seine Eltern waren mittellos, aber Salomon eignete sich autodidaktisch im Laufe der Jahre eine umfassende Bildung an, um als Jude einen theologischen Beruf ergreifen zu können. Auf der Flucht vor dem Militärdienst lernte er in einem Grenzort einen Offizier kennen, der seine Begabung und Wissbegierde erkannte und ihm Unterricht in der französischen Sprache gab. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete Rapoport zunächst als Agent für koschere Fleischsteuer und später als Kaufmann in Brody in Galizien.

Seit 1810 beschäftigte er sich mit der Haskala, der jüdischen Aufklärung. In Folge dessen und aufgrund seiner gründlichen wissenschaftlichen Arbeiten entwickelte er sich zu einem der bedeutenden hebräisch publizierenden Vertreter der „Wissenschaft des Judentums“, dem Vorläufer der modernen Judaistik. Er hatte zu diesem Thema zeitlebens einen intensiven Briefwechsel mit anderen Vertretern der Haskala, aber auch mit David Luzzatto, Zacharias Frankel, Nachman Krochmal und Moritz Steinschneider, dem großen Bibliographen aus Proßnitz. Sie alle widmeten sich dem Studium des Judentums auf der Grundlage von wissenschaftlich empirischen Methoden, aber ihre Ansichten und Ergebnisse waren oft verschieden, ja sogar gegensätzlich.

Bis 1831 war Rapoport Herausgeber der Zeitschrift Bikkurei ha-Ittim. Dort zeigte er sich 1823 in seinem ersten wissenschaftlichen Werk über die Juden in Arabien und Äthiopien „als Verfechter einer kritischen Bibelwissenschaft und als profunder Anwender der philologischen Methodik.“ So würdigt ihn Ursula Ragacs, in der Neuen Deutschen Biographie.

Angeregt durch das Buch Dictionaire historique critique von Pierre Bayle, in dem die großen Persönlichkeiten der Geschichte dargestellt wurden, ging Rapoport daran, auch bedeutende Persönlichkeiten des Judentums, ob Gesetzeslehrer, Sprachforscher, Dichter oder Denker zu studieren, die Zeugnisse ihrer Wirkung zu sammeln, kritisch zu prüfen und darüber zu schreiben. Seine Biographien über jüdische Gelehrte des Mittelalters begründeten seinen Ruhm unter den Wissenschaftlern. Franz Delitzsch, der lutherische alttestamentliche Exeget, nannte seine Biographien „Diamantgruben für den Geschichtsschreiber jüdischer Literaturen.“

Rapoports Bemühungen um eine Rabbinerstelle in Berlin schlugen fehl und so arbeitete er weiter als Kaufmann in Brody und als Herausgeber der Jahrbücher Kerem Hemed, die von 1833 bis 1856 erschienen.

1837 bekam er auf Fürsprache des Aufklärers Joseph Perl eine Rabbinerstelle in Tarnopol. Sein Antrittsvortrag begeisterte, aber später hatte er sehr unter den Anfeindungen und Beschimpfungen der Chassidim wegen seiner „modernen“ Ideen und der Verteidigung der Haskala, zu leiden, so dass er diese Stelle aufgab. Er wechselte 1840 nach Prag, wo er als Erster Rabbiner angestellt und ab 1860 zum Oberrabbiner ernannt wurde. Auch die Bewerbung nach Prag war zunächst mit Schwierigkeiten verbunden. Da er ein Werk des gelehrten Rabbiners Moses Landau kritisiert hatte, wollte man ihn nicht in Prag haben. Durch Vermittlung konnte diese Missstimmung behoben werden und Landau und Rapoport wurden sogar Freunde. Er lebte, wie in Tarnopol und zuvor in seiner Vaterstadt Lemberg, immer im Spannungsfeld zwischen der religiösen Tradition und den Ansprüchen der Wissenschaft. Schon in Lemberg und Tarnopol hatte er deswegen erbitterte Gegner. Auch in Prag machten ihm die verschiedenen Ansichten über die religiöse Entfaltung in den Gemeinden viele Schwierigkeiten.

Sein Hauptwerk Erech Millin (Wörterschatz), eine Realenzyklopädie die er 1852 begann, kam nicht über den Buchstaben Aleph hinaus. Erst 1914 wurde lange nach seinem Tode das Werk vollendet. Zu seinem 70. Geburtstag wurde Rapoport geehrt und sein Wirken in Prag anerkannt. Dabei erklärte er, dass er sich immer als Diener seiner Gemeinde betrachtet habe und nicht als ihr Herr.

Zu den Rabbinerversammlungen 1845 in Wiesbaden und Frankfurt sandte Rapoport Sendschreiben, in denen er betonte, dass er durch seine wissenschaftlichen Bemühungen und sein aufklärerisches Wirken vor allem die Einheit des Judentums erhalten wollte und deshalb manchen Reformbestrebungen ablehnend gegenüberstand.

Er starb am 16. Oktober 1867 in Prag. In den Nachrufen hieß es, dass Rapoport nicht nur von seiner Umgebung geachtet, sondern in noch größerem Maße geliebt war. Wurzbach schrieb: „Auf seinem Haupte strahlte eine dreifache Krone: die des Priesters, die des Gottesgelehrten und die des – Märtyrers. Die Prager Gemeinde verlor in ihm ihren Ober-Rabbiner, Israel betrauert in ihm seinen hervorragendsten Gelehrten, den Mann, der eine jüdische Wissenschaft gleichsam erst gegründet.“

Lit.: C. Wurzbach, Rapoport, Salomon L., in: BLKÖ, Band 24, S. 356-361. – A. Brüll, Rapoport, Salomo Jehuda Löb, in: ADB, Band 27, S. 283-285. – U. Ragacs, Rapoport, Salomo Juda Leib, in: NDB, Band 21, S. 151. – S. Wininger, Große Jüdische National-Biographie. Bd. V. Alle diese Biographien bringen ausführliche Hinweise auf seine Werke.

Bild: Antonín Machek (1775-1844), Porträt von Rabbi Solomon Judah Leib Rapoport, Jüdisches Museum Prag, Wikipedia Commons/ Gemeinfrei.

Hildegard Schiebe