Biographie

Raschdorff, Julius Carl

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Architekt
* 2. Juli 1823 in Pleß
† 12. August 1914 in Waldsieversdorf

„Ein Leben reich an Arbeit, reich an Taten und an Erfolgen, wie selten eines, ist abgeschlossen.“ So schrieb Bernhard Hoffmann im August 1914 im Zentralblatt der Bauverwaltung über Carl Julius Raschdorff nach dessen Tod. Eine rund 50 Jahre währende Tätigkeit als Baumeister, in der mehr als 100 der rund 220 Entwürfe Raschdorffs zur Ausführung kamen, scheint diese Einschätzung als angemessen und keineswegs übertrieben zu bestätigen.

Carl Julius Raschdorff wurde 1823 im oberschlesischen Pleß als Sohn eines Zimmermanns geboren. Er besuchte die örtliche Grundschule, später das Gymnasium in Gleiwitz. Im Anschluss an sein Abitur im Jahre 1842 erlernte er in Oppeln den Beruf des Feldmessers, was seinerzeit als klassische Vorbereitung auf einen technischen Studiengang galt. Nach seiner Abschluss­prüfung 1844 übte er zunächst ein Jahr eine praktische Tätigkeit im Bereich der Oderstromvermessung im Regierungsbezirk Oppeln aus. Dadurch erfüllte er die nötigen Voraussetzungen, um an der Berliner Bauakademie sein Studium aufnehmen zu können. Dieses schloss er nach drei Jahren als Bauführer ab. Daran anschließend fand er erneut eine Beschäftigung in Oppeln, wo er das Wegebauamt kommissarisch verwaltete. Ferner entwarf er Pläne und führte die Bauaufsicht bei mehreren öffentlichen Gebäuden in Ratibor, Rybnik und Pleß. Im Jahr 1851 setzte er sein Studium in Berlin fort, was er nach knapp zwei Jahre erfolgreich beendete.

Seine erste Anstellung erhielt der Baumeister bei der Westfälischen Eisenbahn in Rheine, für die er mehrere Empfangsgebäude entwarf und baute. Nach nur 18 Monaten verließ Raschdorff Rheine bereits wieder, um in Köln seine Tätigkeit als Stadtbaumeister anzutreten. Zehn Jahre hatte er den Posten des Zweiten Stadtbaumeisters inne und wurde dann, nach dem Tod seines Vorgängers Bernhard Harperath, Erster Stadtbaumeister in Köln. Das Amt hielt eine Fülle an Aufgaben vielfältigster Art und viele neue Herausforderungen für ihn bereit, die er durch stetiges, intensives Studium alter Bauten sowie der ihm anvertrauten Objekte erfolgreich bewältigen konnte. In seiner 18 Jahre währenden Tätigkeit in Köln prägte er wesentlich das Stadtbild. In den ersten Jahren war Raschdorff vor allem mit der Restaurierung einiger Kölner Kirchen, wie zum Beispiel St. Maria im Kapitol oder St. Gereon, befasst. Im Vordergrund seiner Tätigkeit standen jedoch nicht die Arbeiten an sakralen Bauten, sondern der Entwurf und die Ausführung von Profanbauten. Dazu zählten neben Krankenhäusern und andere öffentlichen Gebäuden vor allem Schulbauten. Raschdorff beschäftigte sich eingehend mit diesen und setzte sich mit Lage, Belichtung und Zuschnitt der Räumlichkeiten auseinander, entwickelte ferner Grundsätze zur, altersgemäßen Ausstattung der Klassenräume, zur Belüftung und zur Gestaltung der Pausenhöfe. Seine Überlegungen, die er auch in einem Aufsatz veröffentlichte, galten als richtungweisend und brachten ihm überregional Anerkennung ein. Daneben befasste sich Raschdorff mit drei bedeutenden öffentlichen Gebäuden in Köln: dem Um- und Erweiterungsbau des Gürzenichs, dem Museumsbau für die Sammlung Ferdinand Franz Wallraffs sowie Baumaßnahmen am Kölner Rathaus. Viele weitere städtische wie private Bauten hat der Baumeister während seiner Zeit in Köln entworfen und betreut. Bedauerlicherweise ist der größte Teil während des Zweiten Weltkrieges zerstört worden. Raschdorff war bereits während dieser Jahre weit über die Stadtgrenzen Kölns hinaus tätig und plante und konstruierte öffentliche Bauten in zahlreichen weiteren Städten im Rheinland.

Man schätzte seine Tätigkeit sehr und verlieh ihm aus diesem Grund 1869 den Titel des Baurats. Man hoffte ihn in Köln halten zu können, doch strebte er drei Jahre später eine selbständige Tätigkeit an und ließ sich vom Amt es Stadtbaumeisters in Köln entbinden. Er blieb zunächst im Rheinland und war als freier Architekt tätig. In diese Zeit fällt zum Beispiel der Neubau des Provinzial-Ständehauses in Düsseldorf, die Rekonstruktion der Reichsburg Cochem sowie der Bau zahlreicher Postgebäude und Bahnhöfe.

Aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit erwarb Raschdorff sich einen hervorragenden Ruf, weshalb auch das Königliche Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten auf ihn aufmerksam wurde und ihn 1878 für eine Professur an der Königlichen Bauakademie in Berlin anwarb. Dies geschah gegen Widerstände in der Bauakademie, so dass ihm zunächst keine besonders freundliche Aufnahme zuteil wurde, wovon er sich jedoch wenig beeindrucken ließ. Mit der Zeit gelang es ihm durch seine fachliche Kompetenz und den Umgang mit Kollegen und Studenten, auch seine Gegner für sich einzunehmen. In Berlin nahm er Bauaufgaben für die Technische Hochschule wahr und bekam außerdem mehrere Aufträge der kaiserlichen Familie, darunter die Englische Kirche St. Georg im Schlossgarten, die Erweiterung des Schlosses Bellevue sowie den Neubau eines Mausoleums für Friedrich III. Auch nahm er an mehreren Wettbewerben teil.

Raschdorff gewann 1885 den von Friedrich III. ausgeschriebenen Architekturwettbewerb für einen Domneubau in Berlin. Mit diesem Neubau wurde jedoch erst 1894 unter Wilhelm II. begonnen, die Einweihung erfolgte weitere elf Jahre später. Nachdem Raschdorff bereits 1882 zum Geheimen Regierungsrat ernannt worden war, wurde ihm nun der Titel des Geheimen Oberregierungsrates verliehen. Sein Alterswerk brachte ihm allerdings auch vielfach Hohn und Häme ein. Als der Dom 1905 nach einer langen Planungsphase schließlich vollendet war, entsprach er in seiner monströsen Ausführung nicht mehr dem modernen Architekturstil der neuen Sachlichkeit.

Carl Julius Raschdorff war mit Jenny Petitpierre (1830-1902) verheiratet und hatte zwei Söhne, Otto (1854-1915) und Franz (1860-1888), die beide ebenfalls den Beruf des Architekten ergriffen und das Werk ihres Vaters begleiteten. Sie erlangten jedoch nie dessen Bedeutung. Zwei weitere Kinder werden in Raschdorffs Personalakte erwähnt, doch ist Näheres nicht bekannt. Julius Carl Raschdorff starb 1914 im Alter von 91 Jahren nahe Berlin und ist auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin begraben.

Zu Lebzeiten erhielt Raschdorff zahlreiche Auszeichnungen. Im In- wie im Ausland wurde er als Gutachter und Mitglied von Architektur- und Künstlervereinigungen geschätzt. Auch machte er sich nicht nur als Lehrer um die Baugeschichte verdient, sondern auch durch den Aufbau des Architekturmuseums an der Technischen Hochschule. Nach seinem Tod geriet er bedauerlicherweise schnell weitgehend in Vergessenheit, wohl auch, da zahlreiche seiner Werke durch den Krieg zerstört wurden und viele Gebäude heute nicht mehr erhalten sind. In Köln, Düsseldorf und Berlin hat man ihm jedoch immerhin eine Straße gewidmet, in seinem Geburtsort Pleß wird mit einer Gedenktafel an den berühmten Sohn der Stadt erinnert.

Lit.: Bernhard Hoffmann, Julius Raschdorff †, in: Zentralblatt der Bauverwaltung vom 29. August 1914, S. 500ff. – Klaus Peters, Leben und Werk des Architekten Julius Carl Raschdorff (1823-1914), Hannover 2004.

Bild: Wikipedia.

Silke Findeisen