Biographie

Reden, Johanne Juliane Friederike Gräfin von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: „Mutter des Hirschberger Tales“
* 12. Mai 1774 in Wolfenbüttel
† 14. Mai 1854 in Buchwald, Kr. Hirschberg/Riesengebirge

Sie wird die „Mutter des Hirschberger Tales“ genannt, weil sie sich wie eine Mutter um Flüchtlinge kümmerte und nicht müde wurde, sich um das geistliche Wohl des einfachen Volkes zu bemühen. Sie ließ Bibeln verteilen, Auszüge aus dem Evangelium drucken und sorgte dafür, daß sie gelesen wurden. Sie versuchte, in der Zeit der schlesischen Weberaufstände das schwere Los der Hungernden zu mildern und erwies sich als weise Gutsherrin, die die Menschen in ihren Dörfern unterstützte, sie aber auch zur Unabhängigkeit erzog. Und vor allem ist der Name der Gräfin Friederike von Reden mit einem der spektakulärsten Denkmalpflegeprojekte des 19. Jahrhunderts verbunden: Sie war es, der vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Verantwortung für den Wiederaufbau der im norwegischen Dorf Wang abgetragenen Stabkirche aus dem frühen 13. Jahrhundert übertragen wurde: Die Gräfin sagte begeistert zu, organisierte den Abbruch der Kirche, den Transport der wertvollen Bauteile und den Wiederaufbau im Riesengebirge. Sie kümmerte sich um die Ausstattung des Gotteshauses und sogar um die Besetzung der Pfarrstelle – ein Denkmal, das vor „ihrer“ Kirche steht, erinnert bis heute an sie.

Die Gräfin wurde als zweite Tochter des Friedrich Adolf Riedesel, Freiherr zu Eisenbach, und seiner Gattin Friederike am 12. Mai 1774 in Wolfenbüttel geboren und auf die Namen Johanna Juliane Friederike getauft. Sie verlebte ihre Kindheit an vielen verschiedenen Orten: Der Vater diente als General der braunschweigischen Truppen in der englischen Armee, und die Familie folgte ihm nach Amerika, als er in den amerikanischen Befreiungskrieg zog; ebenso auch nach Holland, wohin der Vater anno 1788 geschickt wurde.

Als Friederike 18 Jahre alt war, lernte sie im Haus ihres Onkels in Berlin den schlesischen Berghauptmann Graf Friedrich Wilhelm von Reden kennen, der maßgeblich daran beteiligt war, daß das oberschlesische Industriegebiet zum technologisch modernsten in ganz Europa gemacht wurde. Der Graf war 22 Jahre älter als Friederike, und es dauerte lange, bis sich beide ihre Gefühle füreinander gestanden. Mehrmals trafen sie sich bei befreundeten Familien, und ein reger Briefwechsel entstand, bis Reden endlich, fast 10 Jahre nach ihrer ersten Begegnung, um die Hand Friederikes anhielt.

Sie gab ihr Jawort gern, und am 9. August 1802 fand die Hochzeit in Trebschen statt. Die junge Gräfin folgte ihrem Gatten auf sein Gut Buchwald im Hirschberger Tal, wo das Paar das frisch renovierte Barockschloß bezog, das inmitten weitläufiger Parkanlagen stand. Friederike lebte sich schnell im Riesengebirge ein, und nur ungern zog sie mit Reden nach Berlin, als er 1804 zum preußischen Staatsminister ernannt wurde. Seine politische Tätigkeit wurde jedoch plötzlich beendet, als nach der Niederlage im Krieg gegen Frankreich alle preußischen Minister entlassen wurden. Das Paar zog sich nach Buchwald zurück – hier konnte es sich von der Kränkung der Entlassung erholen und sich auf das Gut konzentrieren, wenn auch Friederike lernen mußte, viel sparsamer als vorher zu wirtschaften: Die Entlassung des Grafen hatte große finanzielle Verluste zur Folge.

Friederike ging ihren Aufgaben als Gutsherrin gern nach: Sie experimentierte mit der Einführung und Verarbeitung neuer landwirtschaftlicher Produkte, kümmerte sich sogar um die Wurstherstellung und die Verwertung von Obst und Gemüse und half den Gutsleuten und ihren Familien, wann immer sie Hilfe brauchten. Sie war glücklich, wenn ihr auch eigene Kinder versagt blieben.

Am 3. Juli 1815 starb der Graf nach längerer Krankheit; er wurde in der Kirche im Buchwalder Schloßpark beigesetzt. Friederike glaubte, seinen Tod niemals verwinden zu können – sie war mit ihrem Gatten sehr glücklich gewesen, und es erschien ihr, als sei ihrem Leben mit seinem Tod jede Grundlage entzogen worden. Es blieb ihr, sein Andenken zu bewahren, sein Werk fortzuführen: Kurz vor seinem Tod hatte Reden nach Berliner Vorbild die Buchwalder Bibelgesellschaft gegründet, und deren Arbeit wurde jetzt zu ihrem wichtigsten Anliegen. Der Glaube wurde zur Triebkraft ihres Lebens – sie führte tägliche Abendandachten auf Buchwald ein, öffnete Missionaren und Geistlichen ihr Haus und wurde schnell zum Mittelpunkt der schlesischen Erweckungsbewegung.

Wie früher war Friederike für die Leute in ihren Dörfern da: Nach Mißernten oder strengen Wintern, wenn den Gebirgsbewohnern Hunger und Not drohten, richtete sie Suppenküchen ein, in denen kostenlose Mahlzeiten ausgegeben wurden; zudem gab sie Mehl, Kartoffeln und Brot an Bedürftige zu sehr günstigen Preisen ab. Sie verschenkte die Nahrungsmittel nicht, um sich nicht als Wohltäterin feiern zu lassen, sondern wollte den Menschen die Möglichkeit geben, sich auch in schweren Zeiten selbst ernähren zu können – wenn auch mit ihrer Unterstützung. Um beispielsweise die armen Spinnerinnen in Buchwald vor überhöhten Forderungen der Garnverkäufer zu schützen, kaufte sie 1820 große Mengen Flachs, ließ ihn gegen einen angemessenen Lohn zu Garn verspinnen und verkaufte dieses selbst. Sie ließ eine Schule und ein Krankenhaus bauen und unterstützte auch etliche andere karitative Projekte.

Zum hohen Adel in Preußen und selbst zum Königshaus hatte das Grafenpaar seit Jahren beste Beziehungen gepflegt. Gäste aus den allerhöchsten Kreisen gingen in Buchwald ein und aus, und auch König Friedrich Wilhelm III. schätze die Gräfin sehr. Er bat sie um ihre Hilfe bei einem Projekt zur Unterstützung von Flüchtlingen, und sie sagte gern zu: 1837 hatten einige Bauern aus Tirol beim preußischen König angefragt, ob er sie mit ihren Familien in seinem Land aufnehmen würde – sie hatten wegen ihres protestantischen Bekenntnisses in Österreich große Schwierigkeiten und hofften, im evangelischen Preußen eine bessere Heimat zu finden. Der König nahm sie auf und wies ihnen eine Stück Land in der Nähe von Buchwald zu – Gräfin Reden kümmerte sich als Vorsitzende eines eilig gegründeten Komitees um die Ansiedlung der 400 Tiroler Flüchtlinge: Dazu ließ sie drei Dörfer gründen, das Land unter den Bauern verteilen und Häuser im Tiroler Stil erbauen; sie kümmerte sich um das geistliche und körperliche Wohl der Fremden, und überwand dabei manche Schwierigkeiten souverän – dankbar wurde sie von den Tirolern bald nur noch „die Mutter“ genannt.

Als der König 1840 starb, war Friederike tief betroffen – ein Freund war von ihr gegangen. Aber auch der neue König Friedrich Wilhelm IV. hielt große Stücke auf sie, besuchte sie gern und vertraute auf ihren Rat. So war es ihre Idee, eine Stabkirche aus dem norwegischen Ort Wang, die das Interesse des Königs erregt hatte und die er vor dem Abbruch bewahren wollte, in Brückenberg im Riesengebirge wieder aufzubauen. In der Umgebung Berlins hatte Friedrich Wilhelm keinen geeigneten Standort gefunden, und für die Gebirgsbewohner bei Brückenberg, die in verstreuten Bauden lebten, gab es noch keine Kirche – so würde das Gotteshaus nicht nur romantischen oder touristischen Zwecken genügen, sondern auch wieder seine ursprüngliche Funktion erfüllen. Mit Feuereifer stürzte sich die Gräfin in dieses neue Projekt, kümmerte sich um jedes Detail beim Aufbau der Kirche, stattete sie aus, sorgte dafür, daß ein Pfarrhaus gebaut wurde, bestimmte einen Geistlichen und ließ sogar – wie in Norwegen üblich – einen separaten Glockenturm neben der Kirche bauen, für die der König zwei Glocken stiftete. Mehrere Jahre dauerten die Arbeiten, bevor am 28. Juli 1844 die Kirche Wang feierlich eingeweiht werden konnte: Es war ein großes Fest, und der König kam selbst ins Riesengebirge, um sich die Kirche anzusehen und der Gräfin zu danken.

Der Buchwalder Bibelgesellschaft, die das gedruckte Wort Gottes unter denen verteilte, die noch keine Bibel besaßen, hatte Friederike mittlerweile seit Jahrzehnten vorgestanden. Jetzt drängte sie auf eine Neuauflage der „Hirschberger Bibel“, die es ihm 18. Jahrhundert gegeben hatte und die längst vergriffen war: Als Auszug aus der Heiligen Schrift, mit Bildern und volkstümlichen Erklärungen versehen, hatte sie sich gerade für die Lektüre durch einfache Leute gut geeignet – dank der finanziellen Unterstützung des Königs konnte sie 1844 eine Auflage von 10.000 Exemplaren drucken lassen und fünf Jahre später noch einen zweiten Neudruck veranlassen.

Die 40er Jahre des 19. Jahrhunderts waren in Schlesien eine Zeit der sozialen Spannungen. Spinner und Weber verarmten infolge der billigeren Arbeit der Maschinen, und 1844 brach der bekannte Aufstand der schlesischen Weber aus, die ihre Familien trotz unermüdlicher Arbeit nicht mehr ernähren konnten. Gräfin Reden half auch diesmal mit Nahrungsmitteln und verbesserte, wo sie nur konnte, die Arbeitsbedingungen. So gelang es ihr, einen Übergriff des Aufstands auf das Hirschberger Tal verhindern. Doch der Stimmung im Revolutionsjahr 1848 konnte auch sie nichts mehr entgegen setzen: Spinner und Weber, denen sie kurz vorher noch geholfen hatte, zogen plündernd durch das Buchwalder Gebiet. Die alte Gräfin mußte fliehen und kehrte erst nach drei Monaten wieder zurück – es war eine Folge der Revolution, daß sie die Rechte und Pflichten einer Gutsherrschaft aufgeben mußte. Doch wenn sich auch die Zeiten geändert hatten, blieb Friederike bei den Ihren geachtet und geehrt.

Sie starb am 14. Mai 1854, zwei Tage nach ihrem 80. Geburstag, und wurde neben ihrem Gatten in der Kirche im Buchwalder Schloßpark beigesetzt. Zwei Jahre später ließ ihr König Friedrich Wilhelm IV. an der Kirche Wang ein Denkmal errichten, das bis heute an eine bedeutende Frau Schlesiens erinnert; an eine engagierte Christin, die nicht nur eines der größten Denkmalpflegeprojekte ihrer Zeit durchgeführt hat, sondern auch durch ihre tatkräftige Nächstenliebe vielen eine Heimat geschaffen hat: Gräfin Friederike von Reden, die Mutter des Hirschberger Tales. 

Lit.: Rudolf Grieger: Friederike Gräfin Reden in Buchwald als evangelische Christin, in: Schlesischer Gottesfreund 40, 4 (1989), S. 57-60. – Eleonore Fürstin Reuß: Friederike Gräfin von Reden, geb. Freiin Riedesel zu Eisenbach. Ein Lebensbild nach Briefen und Tagebüchern. Bd. 1 und 2. Berlin 1888. – Heinrich Schubert: Gräfin Friederike von Reden. Ein kurzes Lebensbild, in: Der Wanderer im Riesengebirge. Januarheft 1913, S. 6-10 und S. 20-24. – Anna Valeton: Friederike Gräfin von Reden, in: Friedrich Andreae u.a. (Hrsg.): Schlesische Lebensbilder. Zweiter Bd. Schlesier des 18. und 19. Jahrhunderts. Sigmaringen 2. Aufl. 1985, S. 156-160. – Eva-Susanna Wodarz: Ich will wirken in dieser Zeit. Bedeutende Frauen aus den historischen deutschen Ostgebieten. 52 Kurzbiographien. Bonn 2000.

Bild: Denkmal bei der Kirche Wang

Eva Wodarz-Eichner