Biographie

Reinick, Robert

Herkunft: Danzig
Beruf: Dichter, Maler
* 22. Februar 1805 in Danzig
† 7. Februar 1852 in Dresden

Als die von den Franzosen besetzte Stadt Danzig im Herbst 1813 von preußischen und russischen Truppen belagert wurde und am 18. Oktober die „Bombardierung“ der Stadt, in der Robert Reinick geboren war, begann, war er gut acht Jahre alt. Wie viele andere Danziger suchte auch seine Familie längere Zeit Schutz im Keller, die Reinicks in dem Keller ihres Hauses Brotbänkengasse 45. Das war das Geburtshaus von Robert. Die Menschen erlebten Schreckliches und die Lebensmittel waren zu Ende gegangen. Auch für den später „Malerpoet“ genannten Robert war dies ein nachhaltiges Erlebnis. Bald nach Kriegsende starben die Eltern, die Mutter 1814, sechs Jahre später der Vater. Robert Reinick war Waise geworden. Der Vater, Daniel Friedrich Reinick, war ein sehr angesehener und hoch gebildeter Tuchgroßhändler gewesen und Roberts Mutter, Justine Frederike, die Tochter des Danziger Predigers und Kirchenliederdichters Samuel Friedrich Unselt. Ein Danziger Prediger nahm Robert und seinen jüngsten Bruder auf. Robert besuchte das berühmte Danziger Gymnasium, fing zu malen an und erreichte eine gründliche literarische Bildung. Nach dem bestandenen Abitur 1825 ging der Zwanzigjährige nach Berlin, um an der von Friedrich Wilhelm von Schadow geleiteten Kunstakademie Malerei zu studieren. Im Atelier von Reinhold Begas ließ er sich zum Historienmaler ausbilden. Als sein erstes Bild wird „Hagar in der Wüste“ genannt. Neben dieser Ausbildung genoß der junge Student die fröhliche Geselligkeit im Freundeskreis mit Fechten, Reiten, Singen, Gelagen und Wanderungen durch Thüringen und den Harz. Diese Geselligkeit war, so hat es Professor Willi Drost, der Direktor des Danziger Stadtmuseums formuliert, von innerer „Echtheit und Wichtigkeit“ und verdiene daher besonders hervorgehoben zu werden.

Drei Jahre später, 1828, wurde des 300jährigen Todestages von Albrecht Dürer gedacht. An der großen Feierlichkeit in Nürnberg nahm Robert Reinick teil. Die romantische Begeisterung jener Tage blieb nicht ohne nachhaltige Wirkung auf den jungen Künstler aus Danzig. Es entstand eine erste erwähnenswerte Dichtung: „Drei Umrisse nach Holzschnitten von Dürer. Mit erläuterndem Text und Gesängen“ (1830). Reinick malte, schrieb aber immer häufiger Texte, besonders Lieder. Damals fand er einen älteren Freund, den großen Adelbert von Chamisso, französischer Abstammung, preußischer Offizier und deutscher Dichter. Er veröffentlichte in seinem Almanach die ersten Lieder Reinicks. Der volkstümliche Historiker Franz Kugler aus Stettin, der aber auch Dichter und Maler war, wurde sein ganzes Leben ein besonders wichtiger Freund.

Es folgte eine kurze Zeit im Elternhaus in Danzig. Von dort schrieb er Kugler, wie er sich von der Kunst der Hansestadt angesprochen fühlte und manches mehr, wie z.B.: „Die Türme sind einfach deutsch gebaut mit niederländischem Aufsatz, wie auch die ganze Stadt einen niederländischen und als solchen höchst gemütlichen genremalerischen Charakter hat …“

Die Historienmalerei blühte zur damaligen Zeit besonders an der Kunstakademie in Düsseldorf, wo seit 1826 auch Friedrich Wilhelm von Schadow war. Zu den jüngeren Künstlern, deren Bekanntschaft Robert Reinick in Düsseldorf machte, gehörten Theodor Lessing, Wilhelm Schirmer, Alfred Rethel und Eduard Bendemann. Ein diesen zeigendes, von Reinick gemaltes und recht schönes Porträt hing bis 1945 im Danziger Stadtmuseum. Die Düsseldorfer Zeit von 1831–1838 waren für Robert Reinick wichtige Jahre. Hier traf er den aus Danzig stammenden Kunsthistoriker Karl Schnaase und den Dichter Karl Immermann. Nach dessen Fortgang von Düsseldorf leitete Robert Reinick die dortigen literarischen Unternehmungen, las aus den Nibelungen, aus Ariost und Tasso. Als sein bestes Bild aus jener Zeit wird „Jakob und Rahel am Brunnen“ genannt. Aber der große Erfolg als Maler blieb dennoch aus, als Dichter wurde er bekannt. Reinick schrieb Gedichte und Balladen. Sie stehen fast alle mit Kunst und Künstlern in Verbindung, wie das „Liederbuch für deutsche Künstler“ mit Holzschnitten von Gubitz (1835) oder die „Lieder eines Malers mit Handzeichnungen seiner Freunde“ (1838). Es dürfte zu den besten „Gaben echten Biedermeiers“ zählen. Seine Freunde, das waren 28 an der Zahl, die je ein Lied des Dichters mit einer ornamentalen Radierung schmückten. Reinick selbst fügte 31 Radierungen hinzu.

Von 1838 bis 1841 verbrachte er drei Jahre in Italien, die Sommer in Neapel und auf Sizilien, die Winter in Rom. Er malte und dichtete. Von der Historienmalerei wandte er sich jedoch ab und malte die schöne italienische Landschaft. Er führte ein fröhliches Leben, machte aber mehrere unliebsame Erfahrungen, einmal wurde er überfallen und gesundheitlich ging es ihm nicht gut. Besonders litt er unter einem Augenleiden – möglicherweise eine durch die Anfertigung von Radierungen entstandene Krankheit. Daher reiste er nach Deutschland zurück. In Gräfenberg in Schlesien versuchte der Künstler vergeblich, mit der Anwendung der Prießnitz’schen Umschläge das Augenleiden zu bekämpfen. Trotz oder wegen der Umschläge und Bäder kam es fast zur Erblindung eines Auges. Wenn der Mensch keine feste Bleibe hat und keinen Ausweg weiß, dann findet er oft den Weg in die Heimat. Robert Reinick fuhr 1842 nach Danzig. Im Haus seiner Stiefschwester im Ostseebad Zoppot erholte er sich bald. Dort lernte er Maria Behrendt kennen, seine Stiefnichte. Im Januar 1844 heiratete der Dichter in Danzig die 19 Jahre jüngere Frau. Damals schrieb er das Gedicht: „Wolken, die ihr nach Osten eilt / wo die Eine, die Meine weilt / All’ meine Wünsche, mein Hoffen und Singen / Sollen auf eure Flügel sich schwingen / Sollen euch Flüchtige zu ihr lenken / Daß die Züchtige / Meiner in Treuen mag gedenken.“ Diese „Liebesbotschaft“ meint mit Osten die Stadt Danzig und die „Züchtige“ ist seine damalige Braut.

Zuvor hatte Robert Reinick die Stadt Dresden zu seinem Wohnsitz ausgewählt. In den Jahren von 1843 bis 1852 entfaltete er eine sehr rege literarische Tätigkeit. Er schrieb Lieder, Erzählungen und sogar Operntextbücher. Es entstand eine gute Zusammenarbeit mit Ludwig Richter, der Reinicks Zeichnungen in dessen Kinderbüchern stark beeinflußte. In Dresden widmete er sich immer intensiver dem Kinderlied und dem Märchen. Aber das Zeichnen gab er nicht auf. Er schrieb Erzählungen für den Jugendkalender, den er seit 1849 mit Hugo Bürkner herausgab. Darin wurde sein hohes sittliches Erziehungsideal deutlich, das er mit wahrem patriotischem Empfinden vereinigen konnte. Zu seinen schönsten Märchen zählt die „Wurzelprinzessin“, das ins Englische übertragen 1856 in London veröffentlicht wurde. Seiner Heimatstadt Danzig setzte er ein schönes Denkmal mit dem Märchen „Silberkinder“. Mit dem „ABC-Buch für große und kleine Kinder“ (1845) war ihm auf dem Gebiet, das ihm besonders am Herzen lag, ein Durchbruch gelungen. Er wurde zum besten Jugendschriftsteller seiner Zeit.

Im Sommer 1850 mußte Robert Reinick wegen gesundheitlicher Probleme das Bad Rehme bei Bad Oeynhausen in Westfalen aufsuchen. Von dort aus machte er noch einmal einen Abstecher nach Düsseldorf. Aber seine Lebensuhr war abgelaufen. Am 7. Februar 1852 platzte eine Pulsader, die in Dresden seinen Tod herbeiführte. Das war wenige Tage vor Vollendung seines 47. Lebensjahres. An seinem Grabe sprach Berthold Auerbach die schönen Worte: „Ein Dichtermund ist verstummt, eine Lerche ist von blauer Höhe heruntergestürzt und eine Blume geknickt … Du hast es verstanden, die reinen und hellen Empfindungen deines Herzens in melodische Worte zu fassen und sie leben ewig fort im Herzen der Nation und klingen wieder von deutscher Zunge!“

DerDichter und Maler ließ ein reiches Werk zurück. Zu seinen besonders beliebten Gedichten gehören: „Wohin mit der Freud“, „Wie ist die Erde doch schön, so schön“, „In dem Himmel ruht die Erde“. Er war einer der bekanntesten Lyriker seiner sangesfreudigen Generation. Nach Heinrich Heine war Robert Reinick der am meisten vertonte Dichter. Insgesamt 112 seiner Gedichte wurden 1796mal komponiert. Zu den Komponisten gehören Brahms, Schumann, Franz Otto, Taubert, Bildach, Silcher, Jötze, Schäffer, Wanderslebe, Marschner, Spohr, Kück, Lindpaintner und der Danziger Brandstätter.

Was er geschrieben hatte, sollte „im Herzen der Nation“ ewig leben. Davon kann keine Rede sein. Bereits 1913 beklagte L. Mahlkau, daß die meisten seiner Werke vergessen wurden. Aber immer wieder wurden sie auch neu entdeckt. So manch ein Märchen wird auch am Anfang des 21. Jahrhunderts erzählt. Es ist allerdings nicht selten, daß der Erzählende oder die erzählende Mutter gar nicht wissen, wer sie geschrieben und uns hinterlassen hat.

Lit.: L. Mahlkau: Vorwort zu „Das Silberkindchen und andere Märchen“, Erzählungen der Ostmark, Band 9, Danzig 1913. – Bruno Pompecki: Literaturgeschichte der Provinz Westpreußen, Danzig 1915. – Hanswerner Heincke: Robert Reinick, in: Altpreußische Biographie von Christian Kollmann, Bd. 2, Königsberg (Pr.) 1942, S. 549. – N. N.: Robert Reinick zum 157. Geburtstag, in: Der Westpreusse, Münster, 25.03.1962. – Harald Kohtz: Robert Reinick. Der Märchendichter, in: Westpreußische Hefte Nr. 1, Münster o. J. – Roswitha Möller: Wer kennt noch Robert Reinick?, in: Der Westpreusse, Münster, 16.02.2002. – Heinz Otto Burger: Das Schrifttum Danzig-Westpreußens, in: Danzig-Westpreußen. Ein deutsches Kulturland, Danzig 1940. – Willi Drost: Robert Reinick und das Biedermeier, in: Westpreußen-Jahrbuch 5 (1955). – Helmut Motekat, Ostpreußische Literaturgeschichte mit Danzig und Westpreußen, München 1977, S. 289–291.

Bild: Porträt-Archiv Westpreußen, Münster/Westf.

Hans-Jürgen Schuch